Eine Laune des Wetters sei das, kann man bei jedem Ereignis in diesem Sommer lesen. Sei es Sommerorkan über der Nordsee, subtropische Gewittercluster in Mitteleuropa, Riesenhagel bis 19 cm Durchmesser in Norditalien, schwere Verwüstungen durch Gewitterstürme da und dort… Es ist etwas viel Laune, und die nächste steht sogleich an: Die wahrscheinlich kälteste Phase mitten in den Hundstagen seit vielen Jahren, eine verspätete Schafskälte sozusagen, ich nenne sie deshalb mal Hundskälte.
Ursächlich für die in Mitteleuropa kühle, windige und nasse Witterungsphase ist eine zyklonale Westlage. Tiefdruckgebiete geben sich vom Osten Kanadas über den Atlantik hinweg bis Nordeuropa die Klinke in die Hand:
Begonnen hat diese Wetterlage am 21. Juli und soll nach aktuell recht einheitlichem Modellstand bis zum Ende der Mittelfristrechnungen in zwei Wochen andauern, sofern sich das nicht zu den noch grösseren Schmierfinken im Grosswetterlagen-Katalog Trog oder Tief Mitteleuropa (TRM / TM) entwickelt, was um den 5. August herum der Fall sein könnte. Wie die treue Leserschaft diese Blogs weiss, endet eine einmal im Siebenschläfer-Zeitraum eingefahrene Zirkulationsform in den meisten Fällen erst Mitte August – ohne Garantie selbstverständlich, aber man stelle sich darauf ein, dass die Wetterlage erst zum Ende der Ferien- und Festspielzeit wieder nachhaltig umstellt, und dann wäre vom Sonnenstand und der Tageslänge her bereits Spätsommer. Problem dieser Wetterlage ist, dass die Tiefs zwischenzeitlich immer wieder mal Polarluft anzapfen, einen Vorgeschmack gab es schon mal vergangenen Mittwoch:
Trifft diese Kaltluft auf die enorm aufgeheizte Subtropenluft, die vom rekordwarmen Atlantik und Mittelmeer her (die Maximaltemperaturen lagen in den vergangenen Tagen an mehreren Orten von Algerien/Tunesien bis Sardinien bei knapp 50 Grad) in den Süden Europas strömt, ist neue Tiefdruckbildung vorprogrammiert. Ein sich selbst erhaltendes und ständig regenerierendes System also, das an der Luftmassengrenze zu extremen Wettererscheinungen neigt. Man mache sich also auf weitere Unwettermeldungen gefasst, wobei die Alpennordseite insofern “Glück” hat, dass sie in den nächsten Tagen im Einfluss der weniger energiereichen nördlichen Luftmasse liegt, das Wetter hier also eher das Prädikat unangenehm als gefährlich erhält. Trotzdem sei hier der ungefähre Ablauf für die nächste Zeit mal aufgelistet:
Am Freitag liegen wir in einer mässig warmen und energiereichen Luftmasse, die am Nachmittag durch vorbeiziehende Höhenkaltluft labilisiert wird. Selbst in der Kurzfrist tischt jedes der hoch aufgelösten Modelle ein anderes Szenario auf bezüglich Schwerpunkt und zeitlichem Ablauf der Aktivität, man kann aber davon ausgehen dass das Flachland nur am Rande tangiert wird. Die kräftigsten Exemplare dürften den Voralpen entlang von WSW nach ENE ziehen mit Starkregen, kleinkörnigem Hagel und starken bis stürmischen Böen.
Dieselbe Luftmasse liegt auch am Samstag noch über uns, und erneut streicht Höhenkaltluft vorbei. Da gleichzeitig aber auch am Boden eine schwache Kalftront aufzieht, treten Schauer und Gewitter am Nachmittag und Abend verbreiteter und linienförmig auf, was sich mit Staueffekten am Alpennordhang bis in den Sonntagmorgen hinein zieht.
Am Sonntag nimmt langsam ein Zwischenhoch Einfluss. Nach trübem und vor allem im Osten noch nassen Start setzt sich langsam die Sonne durch. In der zweiten Tageshälfte bleibt es weitgehend trocken, allenfalls noch mit kurzen Regengüssen hier und da in den Bergen.
Der Montag zeigt sich bei wechselnder hoher Bewölkung von der freundlichen Seite und es wird mässig warm. Gegen Abend verdichten sich die Wolken aus Westen und es zieht Regen auf.
Am Dienstag muss man mit über weite Strecken trüben und nassen Verhältnissen rechnen. Dazu ist es kühl und vor allem auch windig. Wer einen trockenen und einigermassen sonnigen Nationalfeiertag bevorzugt, wird am ehesten auf der Alpensüdseite fündig.
Trüb, kühl, windig und häufig nass geht es von Mittwoch bis Samstag weiter, wobei aus heutiger Sicht der temperaturmässige Tiefpunkt am Samstag erreicht wird. Die Schneefallgrenze sinkt unter 2000 Meter, lokal sind auch 1500 Meter möglich. In der Folge sollen sich zumindest die Temperaturen wieder leicht erholen, es geht aber für die Jahreszeit unterkühlt weiter und ein Ende des unbeständigen Witterungscharakters ist vorerst nicht in Sicht.
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Microwave am 29. Juli 2023 um 13:21 Uhr
Hoi Fabienne, gibt es seriöse Quellen zu den 19 cm?
Wo ich das las, dachte ich nur so “Alles klaaaar :)”.
Anhand der ESWD habe ich “nur” stark gezackte Körner mit 16 cm gefunden.
Danke für die Vorschau, wie immer =)
Grüsse – Microwave
Fabienne Muriset am 29. Juli 2023 um 22:53 Uhr
Hoi Microwave
Sturmforum-Leser wissen mehr 😉
Hier die Bilder mit der Vermessung des Rekord-Hagelsteins: https://pbs.twimg.com/media/F14Ua5FWcAQ7EX_?format=jpg&name=large