Bestimmt haben es alle längst gemerkt, und falls nicht: Das Wetter steht seit Anfang April auf dem Kopf, Nordeuropa unter Hoch- und Südeuropa unter Tiefdruckeinfluss, auch “High over Low” genannt. In Mitteleuropa haben somit überwiegend Ostlagen das Sagen, gelegentlich abgelöst durch Nordlagen oder eine vermurkste winkelförmige Westlage, was alles auf das Klimaregime “Block” zurückzuführen ist. Einzig im letzten Aprildrittel sorgte vorübergehend eine positive Nordatlantische Oszillation NAO+ für etwas Abwechslung im Wetterregime (zyklonale West-, Südwest- und Nordwestlagen). An dieser völlig festgefahrenen Situation scheint sich mittelfristig nichts ändern zu wollen, entsprechend präsentiert sich auch das Wetter über Auffahrt (Himmelfahrt) und Pfingsten.

Die Ensemble-Prognose des europäischen Modells zeigt auch für die nächste Zeit überwiegend das Klimaregime “Block”. Quelle: charts.ecmwf.int
Nun sind meridionale Lagen, zu denen das Klimaregime “Block” hauptsächlich beiträgt, im Frühling nichts Aussergewöhnliches. April und Mai sind im langjährigen Schnitt jene Monate, welche im Jahresverlauf die höchste Wahrscheinlichkeit für meridionale Zirkulationsform aufweisen. Allerdings beträgt der Anteil von Nord- und Ostlagen im Mai zusammen im Schnitt der Jahre 2001-2020 auch nur ein Drittel, nach 20 Tagen in diesem Mai werden wir voraussichtlich bei 16 Tagen stehen und so wie die Mittelfristmodelle rechnen, wird das noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die “rote Mauer” über Europa, wie ich obiges Diagramm nenne, ist schon eine aussergewöhnlich hartnäckige Persistenz, die ich so noch nie gesehen habe. Trotzdem wenig überraschend, denn die zunehmende Persistenz von aussergewöhnlichen Wetterlagen wurde in den letzten Jahren vermehrt nachgewiesen und wird uns vermutlich noch öfters beschäftigen.
Die Konstellation mit blockierenden Hochs im Nordosten Europas und Tiefdruck im Süden beschert dem Alpenraum eine sehr unsicher zu prognostizierende Wetterlage. Je nachdem, welches Druckgebilde gerade etwas mehr Einfluss ausübt, greifen die Feuchtepakete der Mittelmeertiefs mal mehr, mal weniger über die Alpen nach Norden aus. Zudem ist die Hochdruckbrücke zwischen dem Azoren- und dem Russlandhoch am Boden zwar vorhanden, wird aber in der Höhe immer wieder von Trögen durchbrochen:
Die Höhenkaltluft (hier grün dargestellt) labilisiert die Atmosphäre, somit ist immer fraglich, welches Element bei uns gerade die Oberhand gewinnt: Der Hochdruckeinfluss am Boden oder der Tiefdruckeinfluss in der Höhe. In der Bestimmung der Grosswetterlage stellt sich in solchen Situationen stets die Frage, wo Trog Mitteleuropa aufhört und Hochdruckbrücke Mitteleuropa beginnt (oder umgekehrt), hier ist die Fragestellung aufgrund der etwas nach Norden verschobenen Hochdruckbrücke: Nordost antizyklonal oder zyklonal? Die Antwort kann man oft erst rückblickend geben, die Prognose im Wetterlagenkalender also immer eine Momentaufnahme, die noch ändern kann. Wie stark der Einfluss des Höhentroges und der damit verbundenen Kaltluft ist, macht erst die Darstellung des Windes in rund 5 km Höhe sichtbar:
Polarluft wird über Westeuropa und um die Iberische Halbinsel herum nach Nordafrika geführt, wo sie auf sehr warme Luftmassen trifft und somit die Tiefdruckproduktion über dem Mittelmeer ständig neu ankurbelt. Diese Tiefs befördern dann die Warmluft auf ihrer Vorderseite über Osteuropa nach Norden, was wiederum das Blockadehoch über Nordwestrussland stützt. So beisst sich die Katze in den Schwanz und es muss schon ein gewaltiger Ruck durch die Nordhemisphäre gehen, damit sich daran etwas ändert – entsprechend sieht das eingangs gezeigte Modell vorerst noch keine Änderung des Regimes “Block”, wenn auch die Unsicherheiten nach zwei Wochen naturgemäss zunehmen.
Angesichts der geschilderten Unsicherheit in der “Kampfzone” Alpenraum zwischen dem Hoch im Nordosten und dem Tief im Süden sowie des Höhentroges im Westen ist es müssig, für die Alpennordseite irgendwelche Details für die nächsten Tage bekanntgeben zu wollen. Bereits nach 48 Stunden, also für Freitag, driften die Modelle so weit auseinander, dass es in heiteres Rätselraten ausartet. Vielmehr möchte ich anhand der Ensemble-Diagramme für Zürich den groben Fahrplan aufzeigen:
Bei der Temperatur herrscht zumindest bis Montag noch am meisten Klarheit: Mittwoch und Donnerstag unterirdisch, am Freitag noch leicht unter dem langjährigen Mittel. Am Samstag durchschnittlich temperiert und anschliessend sogar mal wieder etwas über der Klimanorm. Hier beginnt die Unsicherheit erst in einer Woche, was nicht selbstverständlich ist. Wenn man diesem Modell glauben schenken will, so sind wir zumindest was die Kälte betrifft bald aus dem Gröbsten raus. Die zunehmende Streuung nächste Woche beruht nicht auf Unsicherheiten bezüglich der Luftmasse. Die oben erwähnte Zufuhr warmer Luftmassen nach Osteuropa bewirkt, dass uns bei Bise keine kalte Luftmasse mehr erreicht. Die Streuung wird durch Unsicherheiten bei Bewölkung und Niederschlag verursacht, womit wir beim nächsten Thema wären:
Das Brücken-Wochenende bleibt bezüglich Sonnenscheindauer auf der Alpennordseite wohl bescheiden. Am Vormittag überwiegt jeweils hochnebelartige Bewölkung, die im Lauf des Tages in Quellwolken umgewandelt wird. Erst am Sonntag und Montag stehen die Chancen auf längere sonnige Abschnitte etwas besser, aber auch hier ist die Streuung gross. Ab Mitte nächster Woche ist dann alles völlig offen, wobei der Median der Member doch immerhin auf das Pfingstwochenende einen Bewölkungsgrad unterhalb des langjährigen Mittels zeigt. Fünf Achtel wären zwar immer noch nicht “Grand Beau”, aber immerhin “nicht unfreundlich”. Beim Niederschlag ergibt sich von Freitag bis Sonntag im Mittelland wohl eine 50-50-Situation: Möglich, dass es hier und da zu einem kurzen Regenguss oder etwas Getröpfel aus abgeschwemmten mittelhohen Wolken aus dem Süden kommt. Je näher an den Alpen, umso höher die Niederschlagswahrscheinlichkeit. Auf der Alpensüdseite ist der Fall dann wiederum klar, da sind weitere Schütten vorprogrammiert. Auf der Nordseite erfolgt die nächste Dusche wohl zwischen Montagabend und Mittwochmorgen, die Streuung bei den Mengen ist allerdings noch sehr gross. Am Pfingstwochenende dann wieder 50 % Niederschlagswahrscheinlichkeit in Zürich, also vorerst noch eine Nullaussage fürs Mittelland analog zur Bewölkung. Erstaunlich ist diese Unsicherheit bei Wolken und Niederschlag, obwohl die Windrichtung mehrheitlich klar sein dürfte:
Nur gerade am Montag und Dienstag entsteht ein modellarisches Chrüsimüsi mit vorübergehend wechselnden Windrichtungen. Ab Mittwoch kehrt die Bise zurück, wenngleich wahrscheinlich nicht mehr so stark wie aktuell.
Werfen wir noch kurz einen Blick über den Tellerrand. Mit dem Hoch im Norden und dem Tief im Süden ist auch klar, wo Sonnenanbeterinnen am besten ihre Feiertage verbringen sollten. Die Ostsee ist – wie bereits in der Monatsprognose geschrieben – immer noch ein guter Tipp, aber auch an der Nordsee wird man nur selten nass. Hier stellt sich dann einfach die Frage, wie viel Stratus einem vor der Sonne steht. Das stundenlange Ausharren vor dem Gotthard-Nordportal hingegen kann man sich diesmal wirklich sparen. Hier die aufsummierten Niederschlagsmengen bis Sonntagabend:
Da viele Flüsse in Italien jetzt bereits Hochwasser führen und in manchen Regionen Katastrophenzustand herrscht, sollte man diese Gegenden besser meiden. Vor allem an den Ostseiten der Gebirge stauen sich in den nächsten Tagen weitere ergiebige Niederschlagspakete, und zwar bis in den äussersten Süden. Daran wird sich auch in der Folge nichts ändern, so weit die Mittelfristmodelle rechnen (Anfang Juni). Da es sich hierbei hauptsächlich um konvektive Niederschläge handelt, ist mit weiteren teils extremen Regenmengen in kurzer Zeit zu rechnen, und das täglich irgendwo oder auch mehrmals hintereinander, so lange die Anströmungsrichtung nicht ändert.
Wie viel von diesem Ungemach auch den Umweg über Osteuropa zur Alpennordseite findet, muss sich weisen. Ost-Gewitter sind ja nicht gerade die einfachsten Gesellen, was ihre Berechenbarkeit angeht. Sobald sich diesbezüglich etwas konkretisiert, ist dieser Kanal mit grosser Wahrscheinlichkeit die richtige Anlaufstelle.
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