Kein Monat ohne Rekorde, das gilt im Jahr 2023 auch für den Oktober. In den Niederungen Österreichs wurde der wärmste Oktober seit Messbeginn registriert, in den höheren Lagen immerhin noch der viertwärmste. Den wärmsten Oktober seit Messbeginn verzeichnete auch das Südtessin, schweizweit und über alle Höhenlagen war es der zweitwärmste hinter 2022. Rekorde gab es im südlichen Mitteleuropa verbreitet bei der Anzahl Sommertage, bei den absoluten Höchstwerten wurden Rekordwerte mit einer einzigen hauchdünnen Ausnahme (Langenlebarn in Niederösterreich erhöhte den Österreich-Rekord mit 30.3 Grad um ein Zehntelgrad) hingegen verpasst. Noch nie dagewesen in einem Oktober war der tiefe Luftdruck am 20. Oktober von 974 hPa in den Föhngebieten der Zentral- und Ostschweiz. Aussergewöhnlich an diesem 20. Oktober war auch die Heftigkeit des Föhnsturms (bis 191 km/h auf dem Gütsch im Gotthardgebiet) und der damit verbundene Südwind in den Tälern der Alpensüdseite (121 km/h in Biasca).

Föhnig war es fast den ganzen Monat aus irgend einer Richtung, hier aus West (Blick auf die Berner Alpen Wetter-, Schreck- und Finsteraarhorn am 05.10.2023)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Oktober, erstellt am 01.10.2023, lautete wie folgt:
Gerechnet wird eine positive Druckanomalie, die sich von Grönland bis in den Mittelmeerraum erstreckt, wobei die stärkste Abweichung über Nordwesteuropa zu liegen kommen soll. Diese langgestreckte Zone deutet auf die Verlagerung eines blockierenden Hochs im Monatsverlauf hin. Liegt es im ersten Monatsdrittel (recht gesichert durch die Mittelfristmodelle) noch über dem Mittelmeer und dem südlichen Mitteleuropa, soll es sich in der Folge vermehrt über den Britischen Inseln etablieren, seinen Einfluss auf Mitteleuropa aber höchstens zwischenzeitlich einbüssen. Will heissen: Der Monat beginnt mit einer antizyklonalen Westlage, tendiert in der Folge zu einer Südwestlage oder einem Trog Westeuropa, der (nach aktuellem Stand) um den 10./11. herum nach Osten durchschwenken soll, worauf ein neues Hoch über dem Ostatlantik die Regie übernimmt (Grosswettertyp Nordwest bis Nord, gegen Ende des Monats möglicherweise sogar Ost). Die genaue Lage dieses Hochs wird entscheidend sein, wie nahe uns die über Osteuropa nach Südosten ausbrechende Kaltluft auf die Pelle rückt.
Bei dieser Konstellation erstaunt es nicht, dass ein deutliches West-Ost-Gefälle bei der Monatsmitteltemperatur über Europa auftreten soll. Im Westen sind Abweichungen von +3 Grad zur Vergleichsperiode 1991-2020 wahrscheinlich, im östlichen Mitteleuropa wird wohl nach einer warmen ersten Monatshälfte bis zum Schluss nur ein knappes Plus übrig bleiben, Südosteuropa wird sogar zu kühl gerechnet. Doch wie eingangs geschildert: Die Varianz der Modellläufe ist gross und eine persistentere Hochdrucklage über Mitteleuropa kann rasch in einen weiteren deutlich zu warmen Monat münden, besonders in erhöhten Lagen.
Noch mehr Kopfzerbrechen bereitet die Streuung der Modelle, was die Niederschlagsverteilung betrifft (kein Wunder, wenn das Hoch mal westlicher, mal östlicher gerechnet wird). Der ausgewählte Lauf lässt nur abgeschwächte Fronten über Mitteleuropa ziehen. In den Mittelfristmodellen, welche die erste Monatshälfte abdecken, ist derzeit nur eine einzige zu sehen, die nennenswerten Niederschlag bringt, nämlich in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober, der Tiefdruckeinfluss ab dem 10. Oktober ist mit grossen Unsicherheiten behaftet. Niederschlagsmengen über dem langjährigen Schnitt wären somit nur rund um die Ostsee zu erwarten und punktuell (fast unprognostizierbar, weil konvektiv) im östlichen Mittelmeerraum.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:Hier muss man ganz klar von einem totalen Modellversagen sprechen. Von den letzten zwölf Läufen (je vier Läufe in drei Tagen) des Septembers hatten gerade mal zwei eine negative Druckanomalie über West- und Mitteleuropa drin, und dies weit entfernt vom eingetroffenen Ausmass. Und selbst wenn ein Lauf dies gezeigt hätte, ich hätte ihn anhand der Mittelfristkarten für die erste Monatshälfte als Spinnerei abgetan. Dass eine derart extreme Umstellung zur Monatsmitte die bis dahin stark positive Druckanomalie noch ins komplette Gegenteil umkehren könnte, war schlicht unvorstellbar. Dieses Beispiel bestätigt mein Motto: Traue keinem Herbstmonat, bevor er zu Ende ist (dasselbe gilt ja auch für den Frühling, insbesondere April und Mai).
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Der seit Monaten in den Analysekarten vorhandene Datenfehler von Frankreich über Südwestdeutschland und die Schweiz bis nach Westösterreich hinein ist ein grosses Ärgernis, die orange Fläche müsste zwischen Ostösterreich und Nordspanien durchgängig sein, lag doch das Plus laut den Abweichungskarten der Landeswetterdienste (CH) dieser Region bei rund drei Grad. Nichtsdestotrotz war die Prognose auch bei diesem Parameter weitgehend unbrauchbar, baute sich doch völlig überraschend ein Kältepool über Skandinavien auf und wurde die milde atlantische Luftmasse bei überwiegend west- bis südlastigen Grosswetterlagen bis weit nach Osteuropa transportiert.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Kehrt sich die prognostizierte Druckverteilung auch nur für den halben Monat ins Gegenteil um, passiert dies konsequenterweise auch beim Niederschlag. Bis zum 13. war das südliche Mitteleuropa knochentrocken, danach gab es kaum noch einen Tag ohne Niederschlag. Noch krasser war die Fehlprognose rund um die Biskaya, wenngleich der Regen in Portugal und Spanien dringend gebraucht wurde, um die leeren Speicherseen zu füllen. Immerhin wurde die Prognose rund ums Baltikum gut getroffen. Die Verteilung im Alpenraum erweist sich wie so oft komplexer als in der groben Karte oben dargestellt und entspricht dem typischen Südföhn-Muster. Man konsultiere hierzu die detaillierten Karten der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Die für Oktober etwas ungewöhnliche Westlastigkeit ist augenfällig, im Zeitraum 2001-2020 liegt das Mittel des GWT West bei 20 %. Auch Nordwest (Norm 8.5 %) war übervertreten, trotzdem erreichten uns gerade aus dieser Richtung aussergewöhnlich warme Luftmassen aus der Sahara, die um das westeuropäische Hoch herumgeführt wurden:
Wie bereits im Vormonat erwies sich in der Gesamtfläche kein einziger Tag als deutlich zu kühl gegenüber der Klimanorm. Die Zweiteilung in eine sehr trockene und eine sehr nasse Hälfte erfolgte so salomonisch, wie das bei einem Monat mit ungerader Anzahl Tagen eben geschehen kann.
Die Langfristprognose für den November findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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