Wie bereits der Vormonat war auch der Oktober 2015 in Mitteleuropa extrem kontinental beeinflusst, mehr als die Hälfte aller Tage herrschte eine Grosswetterlage des Typs Ost/Südost vor und Westlagen blieben gänzlich aus. Der Monat begann und endete mit je einer sehr milden Phase, während die Monatsmitte bereits vorwinterlich geprägt war. Erste Schneefälle bis in tiefe Lagen machten vor allem im Westen und in der Mitte Deutschlands Schlagzeilen. Abgesehen davon hielt die Trockenheit in weiten Teilen Mitteleuropas an, einzig auf der Alpensüdseite und im östlichen Mitteleuropa wurden erstmals seit langem wieder ausgiebige Niederschläge registriert.

Wie gewohnt in den letzten Jahren (2012 war die Ausnahme) drehte der Goldene Oktober erst zum Ende richtig auf. Lavaux am Genfersee, 30.10.2015
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Oktober, erstellt am 30. September, lautete wie folgt:
Die Rechnungen vom Langfristmodell CFS sind von Lauf zu Lauf sehr variabel. Dies deutet auf ein wildes Potpourri an Grosswetterlagen hin, wobei keine der Grosswettertypen eine Übermacht bekommen dürfte. Der von uns als am plausibelsten eingeschätzte Lauf zeigt eine deutlich negative Druckanomalie über den Azoren bzw. nördlich davon bis knapp zu den Britischen Inseln reichend. Im Gegensatz dazu wird der Druck in rund 5500 m Höhe von Island bis Skandinavien deutlich über der Norm erwartet, was eine schwache Westwinddrift zur Folge hat. Auch weite Teile Mittel- und Südeuropas liegen unter leicht übernormalem Druck. Somit sind meridionale Strömungsmuster (Nord, Ost, Süd) dominierend, wobei Ostlagen ein leichtes Übergewicht bekommen. West- und Südwestlagen treten wohl nur kurzzeitig auf und sind vor allem auf Tiefdruckgebiete zurückzuführen, die aus ehemaligen Tropenstürmen bestehen und den Weg über den Atlantik bis vor die Westküsten Europas finden.
Der von uns präferierte Modell-Lauf zeigt über ganz Europa eine positive Temperaturanomalie von 1 bis 3 Grad mit nur sehr lokalen Abweichungen nach oben oder unten. Aufgrund der aktuell sehr warmen Meere, insbesondere im Osten des Kontinents (Ostsee, Schwarzes Meer, östliches Mittelmeer), ist dieses auf den ersten Blick extrem erscheinende Szenario gar nicht so weit hergeholt. Einzig über dem zentralen Nordatlantik ist ein deutlich zu kühles Gebiet zu sehen, das auf die dort seit Monaten vorhandenen zu tiefen Wassertemperaturen zurückzuführen ist.
Als logische Folge des hohen Luftdrucks über Nordeuropa ist dort auch von einem deutlich zu trockenen Oktober auszugehen. Nur geringe Abweichungen von der Norm zeigt ein breiter, von West nach Ost über Mitteleuropa hinweg verlaufender Streifen, wobei die Westalpen als etwas nasseres Gebiet, wahrscheinlich als Folge der zwar seltenen, aber zyklonalen (Ex-Tropentiefs) Südwestlagen herausragen. Noch deutlicher tritt diese nasse Anomalie im Gebiet zwischen den Azoren, den Kanaren und Portugal zutage. Das über dem Mittelmeer gezeigte Muster von trockenen und nassen Gebieten darf nicht 1 zu 1 als bare Münze genommen werden. Es zeigt ganz einfach dass diese Regionen von lokalen Gewittern beeinflusst werden, die in einer Monatsprognose unmöglich exakt lokalisiert werden können.
Die Mittelfristprognosen zeigen ein deutlich zu warmes erstes Monatsdrittel in nahezu ganz Europa, das wahrscheinlich die Grundlage für den insgesamt milden Oktober legt. Es ist also damit zu rechnen, dass trotz des berechneten Wärmeüberschusses ab der Monatsmitte mit kurzen Kaltlufteinbrüchen zu rechnen ist. Eine nachhaltige Einwinterung in den Alpen ist aber beim gezeigten Muster eher unwahrscheinlich.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Der grobe Vergleich zeigt, dass aus den zahlreichen Varianten welche das Langfristmodell zum Ende des Vormonats im Angebot hatte, die richtige gewählt wurde. Sowohl Lage wie auch Betrag der Druckanomalien (positiv über Nordeuropa, negativ über dem Atlantik zwischen Azoren und Portugal) wurden recht gut prognostiziert. Einzig der Hochdruckeinfluss über Mitteleuropa bis zum westlichen Mittelmeer fehlt in der Analyse: Dafür war der Kaltlufttropfen bzw. die Lage “Tief Mitteleuropa” zur Monatsmitte verantwortlich. Dieses unscheinbare Detail wirkte sich jedoch markant auf die Temperatur aus.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die negative Temperaturanomalie auf dem zentralen Nordatlantik begleitet uns bereits das ganze Jahr über und war daher auch keine Überraschung. Auffällig ist, dass sich in das sonst grossflächig zu milde Europa ein markanter Kaltluftkeil von Osten her bis nach Mitteleuropa geschoben hat. Während in Osteuropa der Kaltlufteinbruch vom 7. bis 12. Oktober für diese negative Bilanz verantwortlich zeichnet, ist jene im westlichen Mitteleuropa auf den oben erwähnten Kaltlufttropfen zurückzuführen. Dieser beeinflusste unser Wetter vom 13. bis zum 20. und zog das Monatsmittel extrem nach unten. Diese Anomalie war Ende September in keinem Langfristmodell zu sehen, hier lagen sämtliche Wetterdienste daneben. Das liegt einerseits im Umstand begründet, dass je kleinerskaliger ein Wetterphänomen auftritt, dieses umso schlechter prognostizierbar ist. Ein Kaltlufttropfen ist in einer Langfristprognose vergleichbar mit einem Gewitter in der Kurzfristprognose. Zudem war der Kaltlufttropfen ungewöhnlich langlebig und recht stationär, was sich seinem relativ kleinen Einflussgebiet in obiger Karte gut ablesen lässt.
Dass die Monatsprognose einzig durch den Kaltlufttropfen “versaut” wurde, zeigt die Niederschlagsverteilung:
Wie erwartet war es in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas zu trocken. Die prognostiziert nassen Gebiete zwischen den Azoren und Portugal traten ebenso zuverlässig auf wie jene in Teilen des Mittelmeeraumes. Die Lage des Kaltlufttropfens zur Monatsmitte sorgte dafür, dass die extrem feuchten Luftmassen des Mittelmeers angezapft wurden und sich bis zu den südlichen Ostalpen und in den pannonischen Raum auswirkten. Dort wird man über das Ende der Dürre nach dem Hitzesommer nicht traurig gewesen sein, während die Unwetter insbesondere in Süditalien enorme Schäden anrichteten.
Auch die statistische Witterungsanalyse zeigt, dass die Langfristprognose an sich so weit daneben nicht lag:
Bereits im zweiten Monat in Folge fehlen die Westlagen vollständig. Das prognostizierte “leichte Übergewicht” der Ostlagen wurde deutlicher als erwartet, wobei hier noch festgehalten werden muss, dass 12 der 17 Tage auf Südostlagen fallen und nur 5 Tage auf eine reine Ostlage. Gar nicht ins Gesamtschema passen die 7 Tage Tiefdruck, doch darüber wurden weiter oben genügend Worte verloren…
Die Langfristprognose für den November findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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