Wer unsere Winterprognose gelesen hatte, konnte es erahnen: Überraschungen sind in diesem Winter jederzeit möglich, egal in welche Richtung. Die Monatsprognose für den Januar war denn auch entsprechend vorsichtig formuliert und auf die zahlreichen Unsicherheiten wurde hingewiesen, die fast durchgängig zu kalte Modellierung des Gesamtmonats im Alpenraum in Zweifel gezogen. So kam es denn auch: Trotz winterlicher Phase vom 8. bis 21. Januar drehte die Bilanz am Ende doch wieder ins Plus, teils sogar deutlich. Auch in diesem Monat konnten etliche Stationen Januar-Rekorde vermelden, so am 24. Januar – in die warme Richtung versteht sich von selbst. Zwei Beispiele: Imst in Tirol (773 m) 17.9 °C (Messbeginn 1939), Zermatt (1638 m) 13.4 °C (Messbeginn 1959). Auf der anderen Seite ist das Unterschreiten von -25 Grad in unseren Tiefkühlern der Hochtäler (La Brévine, Samedan, Buffalora) inzwischen eine Nachrichtenmeldung wert… In den 80er-Jahren hätte man darüber milde gelächelt.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Januar, erstellt am 1. Januar, lautete wie folgt:
Der neueste CFS-Lauf sieht eine markante positive Druckanomalie, die sich über den gesamten Norden von Grönland bis Sibirien erstreckt, das Zentrum soll sich über dem Nordmeer vor der norwegischen Küste befinden. Diese Anomalie weitet sich südwärts über Westeuropa nach Tunesien aus, was der von den meisten aktuellen Mittelfristmodellen gerechneten Südostverlagerung des blockierenden Hochs zur Monatsmitte entspricht. Ob sich in der Folge der Block über dem Atlantik erneuert oder die Westströmung wieder in Gang kommt, ist derzeit noch völlig offen. Über Osteuropa wird eine negative Druckanomalie gerechnet, sie wird für die Nordlage ab dem 7. Januar verantwortlich sein. Weitere Wetterlagen die mit am Tisch sitzen: Zu Beginn südliche Westlage, nach der Nordlage in Richtung Monatsmitte entweder Hoch Mitteleuropa oder antizyklonale Nord- bis Nordwestlagen. Eine Erneuerung des Atlantikblocks könnte auch Ost- bis Nordostlagen zur Folge haben, die mögliche Westlage wurde bereits angesprochen. Also genau das eingangs erwähnte Chaos, man darf gespannt sein…
Die Kälteanomalie über Nord- und Nordosteuropa ist unbestritten, da von den meisten Modellen recht konstant abgebildet. Unsere Karte zeigt auch eine recht deutliche negative Abweichung in Mittel- und Südeuropa, die meines Erachtens zum aktuellen Zeitpunkt übertrieben scheint. Insbesondere die -2 bis -4 Grad am Alpennordrand können nur zustande kommen, wenn sich am 7. Januar eine geschlossene Schneedecke bildet und diese durch weitere Stauniederschläge gelegentlich aufgefrischt wird. Ansonsten sehe ich einen eher durchschnittlichen Januar in Mitteleuropa, allenfalls einen leicht negativen, vorausgesetzt die West-Mildbrumme wird nicht zum Ende des Monats doch wieder angeworfen, was in den letzten Wintern eher die Regel als die Ausnahme war (die letzten deutlich zu kalten Wintermonate waren Februar 2018 und Januar 2017).
Die Karte mit den Niederschlagsabweichungen setzt auf ein Szenario, wonach abgesehen von der nassen Phase zu Beginn des Monats in Mitteleuropa nicht mehr viel nachkommt. Die Neigung zu normalen Niederschlägen im östlichen Mitteleuropa stützt die Annahme häufiger Nordlagen bei antizyklonalem Einfluss im Westen. Insbesondere die Alpensüdseite dürfte also recht trocken bleiben. Schön abgebildet wird übrigens auch der Lake-Effect an der deutschen Ostseeküste bei nördlicher bis nordöstlicher Anströmung, was zu ordentlichen Schneemengen führen kann.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die geographische Verteilung der Druckabweichungen wurde recht gut getroffen, das über weite Strecken meridionale Zirkulationsmuster nahezu perfekt erfasst. Die auffälligen Abweichungen kommen durch den Betrag bzw. die fehlende Persistenz zustande – der Januar bot das erwartete Chaos mit einer vielfältigen Auswahl an verschiedenen Grosswetterlagen, wie die Auswertung am Schluss zeigen wird. Die Hochdruckanomalie im Norden war deutlich schwächer ausgeprägt und das Zentrum lag über dem Nordatlantik statt über Skandinavien. Die Brücke über Westeuropa hinweg nach Nordafrika hatte Bestand, wenn auch schwächer als erwartet. Demgegenüber war die negative Druckabweichung über den Azoren dreimal stärker als modelliert, zustande kam sie hauptsächlich durch ein kräftiges Azorentief vom 9. bis 17. Januar.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Am deutlichsten war die Temperaturabweichung dort, wo es an der Prognose nichts zu deuteln gab: Im kalten Nord- bis Nordosteuropa. Die Zweifel an der Ausweitung der prognostizierten Kälte bis nach Südeuropa waren berechtigt, die nach Bauchgefühl zu erwartende Mildbrumme im letzten Monatsdrittel schlug voll zu. Im deutschen Flächenmittel betrug die Abweichung gegenüber der Klimanorm 1991-2020 +0.6 Grad, in den Niederungen der Alpennordseite der Schweiz +1.4 und auf der Alpensüdseite +1.8 Grad. Im Wallis (Sion) war es gar der zweitwärmste Januar seit Messbeginn 1864 mit einer Abweichung von +2.6 Grad. Die Verhunzung der Abweichungskarte durch einen Datenfehler in Frankreich nehmen wir auch mit ins Jahr 2024 – wirklich ärgerlich.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die chaotische Abfolge der Grosswetterlagen hinterlässt eine ebensolche Spur in der Verteilung der Niederschlagsbweichungen. Gut getroffen wurde die Prognose eigentlich nur im Bereich der Azoren, westlich von Irland sowie von Norddeutschland bis nach Osteuropa. Die obige Karte dient wirklich nur der sehr groben Analyse, im Detail sieht es macherorts völlig anders aus: So war es nicht etwa südlich der Alpen nasser als normal, sondern nördlich. Daher sei an dieser Stelle wie üblich der Blick auf die detaillierten Karten der Landeswetterdienste empfohlen: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Mit einem Verhältnis von 13:6 in der Verteilung warm-kalt ist auch in diesem Monat der Sieger eindeutig. Immerhin gab es wieder mal eine winterliche Phase, die diesen Namen auch verdient hat – keine Selbstverständlichkeit mehr in den letzten Jahren, hatten wir doch schon etliche Wintermonate ohne Blauanteil in der Grafik. Dieser kam allerdings an den meisten Tagen nur knapp zustande, die Standardabweichung wurde oft nur geritzt oder regional unterschritten – im Gegensatz zu den deutlichen Ausschlägen nach oben mit vielerorts neuen Wärmerekorden für Januar. Wie schon eingangs erwähnt war die Verteilung auf die Grosswettertypen diesmal sehr reichhaltig – ausser Süd und Tief war alles mit von der Partie. Die Bestimmung der Grosswetterlagen war teilweise eine echte Herausforderung, zeitweise musste sie fast täglich angepasst werden. Dieses Katz-und-Maus-Spiel gipfelte am 10. Januar, als während einer vermeintlichen Nordlage (HNA) in den Zentralalpen plötzlich starker Föhn in die Täler blies – der südöstliche Teil der Hochdruckbrücke wurde derart dominant, dass daraus im Nu eine Südostlage wurde. Man kann also auch nach über 20 Jahren intensiver Beschäftigung mit der Materie noch etwas hinzulernen…
Die Langfristprognose für den Februar findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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