„Jetzt ist die Bloggerin verrückt geworden“, mag die kritisch geneigte Leserschaft angesichts des Titels denken. Siebenschläfer im August? Ja! Denn nicht die Bloggerin ist verrückt, sondern der Sommer 2018. Und zwar im Sinne von ver-rückt, nach hinten gerückt. Zwar nicht, was die Temperatur angeht, da haben wir gefühlt seit Mitte April Sommer. Sondern auf das nordhemisphärische Zirkulationsmuster bezogen, das – statt wie üblich zum Monatswechsel Juni/Juli – in diesem speziellen Fall eben erst Anfang August in die überwiegend zonale Struktur zurückgefunden hat. Mit anderen Worten: Die sprichwörtlichen sieben Wochen des Siebenschläfer-Zeitraums traten 2018 während vier Wochen im August auf. Die Witterung war entsprechend in dieser Zeit typisch mitteleuropäisch-hochsommerlich.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den August, erstellt am 31. Juli, lautete wie folgt:
Die Rechnungen der letzten Tage des Langfristmodells CFS zeigen uns im wesentlichen zwei Cluster: Der eine lautet: Alles bleibt, wie es ist. Der zweite: Das blockierende Hoch zieht sich so weit auf den Atlantik zurück (etwa südlich von Island), dass es den Einfluss auf das europäische Festland verliert und sich hier eine dauerhafte Nordlage einstellt. Diese würde allerdings nicht den erhofften ergiebigen Regen, sondern einfach etwas kühlere Luft bringen. Diese retrograde Verlagerung der grossräumigen Druckgebiete ist zwar bei der aktuellen Wellenzahl auf der Nordhemispäre nicht selten, doch gibt es aufgrund der Wassertemperaturen auf dem Atlantik keinen vernünftigen Grund, diesem Szenario zu glauben, und wird daher von uns verworfen.
Wir haben uns also auch in diesem Monat für einen jener Läufe entschieden, die es beim bisherigen grossräumigen Muster belassen. Dabei herrscht übernormaler Druck in weiten Teilen Europas, wobei sich das Zentrum von Irland bis zur Ostsee erstreckt. Deutlich negative Druckanomalien sind nur über Grönland zu finden, eine schwächere und daher kaum signifikante befindet sich im Mittelmeerraum. Die dominierenden Grosswetterlagen sind Hoch über Mitteleuropa oder etwas westlich davon (Nordwest-, im Extremfall für einige Tage auch antizyklonale Nordlagen wie Hoch Britische Inseln), sowie Ostlagen. Kurzum: Der seit Juni vorherrschende trocken-warme bis heisse Witterungstyp bleibt uns auch im August im wesentlichen erhalten.
Entsprechend werden weite Teile Europas im Schnitt deutlich wärmer als für die Jahreszeit üblich gerechnet. Die stärksten positiven Abweichungen erstrecken sich von der Biskaya über das nördliche Mitteleuropa bis nach Nordwestrussland. Die in der Karte gezeigten Anomalien für Höhen von ungefähr 1500 m dürften dabei aufgrund der sehr hohen Anzahl Sonnenstunden am Boden noch übertroffen werden und wohl verbreitet zwischen 2 und 3 Grad zum langjährigen Mittel zu liegen kommen. Immerhin: Extreme Hitze kann zwar wegen der ausgetrockneten Böden bei starker Sonneneinstrahlung vor Ort produziert werden, ist aufgrund der fehlenden Süd- und Südwestlagen aber nur vorübergehender Natur. Etwas kühler als die Klimanorm vorgibt, wird es im zentralen und östlichen Mittelmeerraum sowie in Grönland.
Aufgrund der weiterhin blockierten Westwindzirkulation bleibt es in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas trocken. Linderung in Form von Gewittern (die dann gerne mal auch des Guten zu viel bringen können) gibt es nur lokal. Da der im August üblicherweise über dem Mittelmeer liegende Hochdruckgürtel nördlicher liegt, kann er dort weniger stark wirken und so bilden sich in Südeuropa mehr Gewitter als üblich. Die in der Karte gezeigten roten Gebiete mit überdurchschnittlichem Niederschlag sind aber wohl flächenmässig deutlich übertrieben dargestellt. In einem Monat, in dem normalerweise kaum Niederschlag fällt, reicht ein einziges Gewitter, um das klimatische Mittel um das Doppelte zu übertreffen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials (Druck in rund 5500 m Höhe) gegenüber dem langjährigen Mittel:
Entgegen der Prognose verlagerte sich der Tiefdruck von Grönland deutlich nach Osten und lag permanent über dem Nordmeer. Dadurch wurde die an sich korrekt prognostizierte Hochdruckzelle ebenfalls nach Osten verdrängt: Statt über der Nordsee lag deren Zentrum meist über Osteuropa. Die zum etwas nördlich gelegenen Azorenhoch geschlagene Brücke weist über Westeuropa eine Schwachstelle auf, in die sich Tröge und abtropfende Tiefs einnisten konnten. Die Tiefdruckanomalie über dem Mittelmeer wiederum wurde in der Prognose richtig erfasst. Die Fehlleistung der Prognose liegt somit eindeutig in der nicht erkannten Zonalisierung: Westlagen wurden dominant, unterbrochen von kurzen Trogphasen über West- und Mitteleuropa und der sich zwischenzeitlich immer wieder etablierenden Hochdruckbrücke. Dieser schleichende Prozess der Zonalisierung ist eigentlich die logische Fortsetzung der Vorgeschichte (im April waren Süd-, im Mai und in der ersten Junihälfte Ost-, Ende Juni bis Anfang Juli Nord- und im Juli Nordwestlagen vorherrschend). Umso erstaunlicher, dass die Langfristmodelle diese Entwicklung nicht vorhersehen konnten. Zum Zeitpunkt der Erstellung der August-Prognose kam nur ein einziger der zwölf aktuellsten Modellläufe diesem Szenario halbwegs nahe – kein Wunder, wurde ihm keine Beachtung geschenkt.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die Wärmeanomalie wurde zwischen Island und den Britischen Inseln ausradiert, ansonsten wurde die geografische Verteilung der Temperaturüberschüsse mit den Hotspots über Südwest- und Nordosteuropa nicht schlecht prognostiziert. Die negative Abweichung über dem Mittelmeer ist deutlich kleiner, vom Betrag in deren Zentrum jedoch gut getroffen. Kleines Detail am Rande: Erstmals seit einem Jahr sind auf dem Kartenausschnitt keine extremen Abweichungen von mehr als vier Grad zu sehen. Somit hält sich immerhin noch der August an die Regel, dass im Hochsommer die Standardabweichung bei der Temperatur im Jahresverlauf den geringsten Betrag aufweist.
Am Boden fällt gegenüber der Temperatur in rund 1500 m Höhe auf, dass sich das kalte Wasser im Nordatlantik weiterhin auf die bodennahen Luftschichten auswirkt, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt wie noch in den Monaten zuvor. Andersrum sieht man sehr schön, wie sich die Höhenkaltluft über dem Mittelmeer aufgrund starker Sonneneinstrahlung über dem Land (Tunesien/Algerien) einerseits und den erhöhten Wassertemperaturen andererseits nur sehr abgeschwächt bis zum Boden auswirkt. In Mitteleuropa wurde unsere Einschätzung, dass sich der August im Bereich von 2-3 Grad über der langjährigen Norm einpendeln wird, gut umgesetzt. Das deutliche Ost-West-Gefälle hingegen war so nicht unbedingt zu erwarten: Hohenau im äussersten Nordosten Österreichs weist eine Bilanz von +4° auf (in der Karte nicht aufgelöst), während im äussersten Westen des deutschen Sprachraums stellenweise „nur“ +1.5° bis +2° zur Vergleichsperiode 1981-2010 erreicht wurden.
Erstmals seit Dezember (!) erreichte der feuchte Westwindgürtel Skandinavien wieder vollumfänglich, während sich die extreme Trockenheit im nördlichen Mitteleuropa unvermindert fortsetzte. Die in den Prognosen erwartete Gewittertätigkeit im Mittelmeerraum traf ein, in dieser Region wies die Monatsprognose im Allgemeinen die höchste Prognosegüte auf. Die im Alpenraum vergleichsweise moderate Trockenheit wurde vielerorts – wenn auch nicht überall – im letzten Augustdrittel beendet. Auch diesmal lohnt es sich aufgrund starker lokaler Unterschiede die Detailkarten der einzelnen Landeswetterdienste zu Rate zu ziehen: (Schweiz, Österreich, Deutschland).
Wie bereits eingangs erwähnt, dominierten im August 2018 die Westlagen, nur kurz unterbrochen von Brücke Mitteleuropa (GWT Hoch), Trog Westeuropa (GWT Süd) und zum Monatsende Trog Mitteleuropa (GWT Nord), der wiederum das Hochsommer-(Siebenschläfer)-Muster beendete und die spätsommerliche bis frühherbstliche meridionale Zirkulation einleitete. Der deutlich zu warme Monat spiegelt sich auch sehr deutlich in der Statistik der Witterungstypen wider: 19 deutlich zu warmen Tagen stehen gerade mal zwei deutlich zu kühle gegenüber. Interessant ist in diesem Fall die Symmetrie entlang der Achse feucht/trocken.
Die Langfristprognose für den September findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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