Eines dürfen wir gleich vorweg schicken: Wer die Regel zum heutigen Lostag „Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag.“ wortwörtlich nimmt, wird auf die Nase fallen. Nicht nur deshalb, weil die Bauernregel sehr alt ist und daher mit der gregorianischen Kalenderreform 1582 von seinem Datum um bis zu zehn Tage verrückt ist, sondern auch weil das Wetter eines einzelnen Tages unmöglich sieben Wochen lang andauern kann. Mit der heutigen Kaltfrontpassage wird es in weiten Teilen Deutschlands, der Nord- und Ostschweiz sowie in Österreich mal nass, am Alpennordrand sind stellenweise sogar beträchtliche Niederschlagsmengen zu erwarten. Für die Witterung des Hochsommers ist allerdings viel entscheidender, wie sich die grossräumigen Strömungsmuster über dem Nordatlantik und Europa in den nächsten zehn Tagen entwickeln. Jedenfalls möchte sich der Siebenschläfer in diesem Jahr von der besten Seite zeigen und putzt sich schon mal ordentlich heraus.
Sucht man im Netz nach modernen Auslegungen der Siebenschläfer-Regel, stösst man immer wieder auf die wichtige Bedeutung der Lage des Jetstreams um den Monatswechsel Juni/Juli. Der Jetstream ist ein Starkwindband in ungefähr 9000 m Höhe und steuert die Frontalzone, welche die warme Subtropenluft von der kühlen Polarluft trennt. Entlang dieser Frontalzone bilden sich Tiefdruckgebiete, welche in einer mehr oder weniger stark wellenden Westströmung treiben. Im Hochsommer nimmt der Jetstream normalerweise die nördlichste Position im Jahresverlauf ein. Der Siebenschläferzeitraum ist somit die entscheidende Phase, in der sich die Frontalzone nach Norden verschieben sollte. Tut sie dies nicht, verbleibt sie oft in der südlichen Position wie im Sommer 2014 – mit den uns bestens bekannten Folgen (nachzulesen in unseren letztjährigen Blogbeiträgen, zu finden unter dem Stichwort Siebenschläfer ).
Die aktuelle Ausgangslage präsentiert sich wie folgt:
Der Jetstream ist über dem Atlantik gut ausgebildet und zonal (West-Ost) mit nur schwacher Wellenbildung ausgerichtet. Dabei befindet er sich zwischen dem 50. und 55. Breitengrad auf relativ südlicher Position. Über dem europäischen Kontinent mäandert er nach Süden, was die relativ kühle Witterung der vergangenen Woche erklärt: Wir befinden uns mehrheitlich in der polaren Luftmasse. Was geschieht in den nächsten Tagen? Die Prognose für den 1. Juli:
Der Jetstream verwellt über Europa und nimmt dabei die lehrbuchmässige Form eines Omegas an. West- und Mitteleuropa gelangen unter starken Hochdruckeinfluss, während sich ausgeprägte Tröge westlich und östlich davon eingraben. Eine Omega-Lage kann, muss aber nicht zwingend sehr stabil sein. Aufgrund dieser Position des Jetstreams nun den ultimativen Hitzesommer auszurufen wäre verfrüht (die Versuchung ist allerdings gross, wenn man sich die heutigen Kommentare mancher Meteorologen anhört). Man beachte nämlich, dass die Jetstream-Postion über dem Atlantik nach wie vor die recht südliche Lage beibehält. Was geschieht also bis zum Ende des Zeitraums, den wir für den weiteren Verlauf des Hochsommers als entscheidend erachten? Die Prognose für den 7. Juli sieht wie folgt aus:
Das Omega ist bereits Geschichte. Der Jetstream verwellt nun bereits viel westlicher über dem Atlantik, über Europa kommt er wiederum auf dem 55. Breitengrad zu liegen. Dies ist noch nicht die Position für einen stabilen Hochsommer, für den eine Lage um den 60. Breitengrad optimal wäre. Doch schauen wir sicherheitshalber noch auf die Ensembles für den 7. Juli, um die Glaubwürdigkeit obiger Rechnung zu prüfen:
Das Muster mit Trog über dem Atlantik und Hochkeil über Mitteleuropa ist noch recht gut ausgeprägt. Allerdings zeigen die gelben bis roten Flächen doch einige Unsicherheiten bezüglich der genauen Position und Stärke der steuernden Druckgebilde.
Bei dieser Konstellation kann man für das südliche Mitteleuropa (also für den Bereich, wo die Siebenschläfer-Regel die höchste Trefferquote aufweist) von einen mehrheitlich warmen Hochsommer ausgehen. Da die Frontalzone allerdings nie weit weg ist, muss man jederzeit auf Wetterumschwünge gefasst sein, die mit kräftigen Gewittern einhergehen. Nicht auszuschliessen ist, dass sich das Trog-Keil-Muster allmählich nach Osten bewegt und Europa auch mal für eine bis zwei Wochen auf die kalte Seite zu liegen kommt. Von einem beständigen Hitzesommer sollte also besser nicht ausgegangen werden. Vielmehr deutet sich eine Achterbahnfahrt an, bei welcher der Wechsel zwischen ausgeprägten Hitzewellen und empfindlich kühlen Phasen manchen Kreislauf herausfordern wird. Ob sich die Siebenschläfer-Regel wie bereits in den letzten drei Jahren auch diesmal wieder bewährt haben wird, werden wir Ende August in diesem Blog verifizieren.
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