Wie so oft lief auch der Mai 2015 dem April in Sachen Launenhaftigkeit den Rang ab. Der Monat lässt sich grob in drei Witterungsphasen unterteilen: Eine warme Südwestlage im ersten Drittel, eine gemässigte und zeitweise hochdruckbestimmte Westlage zur Mitte und eine unterkühlte Nordlage (Trog Mitteleuropa) zum Ende. Extrem waren dabei die Temperatursprünge zur Monatsmitte: Am 13. Mai wurde vielerorts der erste Hitzetag (Höchstwert über 30 Grad) verzeichnet, zwei Tage später bildete sich im Berner Oberland selbst in den tiefsten Lagen (550 m) eine dünne Schneedecke. Das Beispiel Interlaken weist bei den Nachmittagstemperaturen einen Rückgang von 27 Grad innerhalb von 48 Stunden auf. Bemerkenswert sind auch die Unterschiede bei den Niederschlagsmengen: Während der westliche und zentrale Alpenraum mit Hochwasser zu kämpfen hatte, war es in einem Streifen von der Mitte über den Osten Deutschlands bis in den Nordosten Österreichs sehr trocken (verbreitet nur 20 bis 50 % Niederschlag des langjährigen Mittels).

Der erste Hitzetag des Jahres am 13. Mai endete mit heftigen Gewittern, die in Süddeutschland auch Tornados entwickelten. Hier ein sich rasch entwickelnder Gewitterturm (allerdings ohne Überlebenschancen) über der Skyline von Bern.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Mai, erstellt am 30. April, lautete wie folgt:
Die über den Gesamtmonat gemittelten Karten der steuernden Druckgebilde in rund 5500 m Höhe zeigen eine negative Anomalie über dem Nordatlantik südwestlich von Island und übernormalen Druck über Südwesteuropa. Auch im äussersten Nordosten Europas überwiegt hoher Luftdruck, während sich von Mittel- bis Südosteuropa eine leichte Tendenz zu unternormalem Druck zeigt. Diese Konstellation lässt eine für die Jahreszeit höhere Westwindaktivität vom Atlantik her erwarten als normal, was feuchten Luftmassen den Zugang nach Mitteleuropa ermöglicht. Die Druckverteilung lässt keine dominante Grosswetterlage erwarten, sondern deutet auf einen sehr wechselhaften Witterungscharakter hin. Dabei dürften Ost- und Südlagen eher selten auftreten, während Strömungen von Südwest über West bis Nord bessere Chancen haben. Zyklonale, also tiefdruckbestimmte Grosswetterlagen bekommen in Mitteleuropa ein Übergewicht.
Entsprechend zeigt sich bei der Niederschlagsverteilung ein deutlich zu nasser Alpenraum und ein sehr nasses Südosteuropa, während die Abweichungen im restlichen Mitteleuropa zwar in die feuchte Richtung tendieren, aber keine Extreme aufweisen. Deutlich zu trocken soll es bei dieser Druckverteilung erwartungsgemäss im westlichen Mittelmeerraum werden. Bei den Temperaturen deutet sich in weiten Teilen Europas ein überdurchschnittlich warmer Mai an, mit Ausnahme des Streifens von der Nordsee über Mitteleuropa hinweg bis zur Ägäis, wobei in Mitteleuropa ein durchschnittlicher, in Südosteuropa ein leicht zu kühler Mai erwartet wird.
Vom zeitlichen Ablauf her kann bei der aktuellen Modell-Lage mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mitteleuropa von einem warm-feuchten ersten Monatsdrittel ausgegangen werden. Somit muss dieser Wärmeüberschuss in der zweiten und dritten Dekade abgebaut werden, was für diese Zeitspanne eher unterdurchschnittliche Temperaturen erwarten lässt.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Auf den ersten Blick könnte man von einer Fehlprognose ausgehen. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sowohl Position wie Ausprägung des hohen Drucks mit Zentrum über der Iberischen Halbinsel perfekt vorhergesagt wurde, allerdings fehlt der Buckel in Richtung Britische Inseln. Was sowohl bei positiven Druckanomalie im Süden wie bei der negativen Druckanomalie im Norden auffällt, ist deren ausgeweitete Wirkung nach Osten. Die Westlagen wurden somit noch dominanter als erwartet, während der Trogeinfluss über Mitteleuropa hinweg nach Südosteuropa schwächer ausfiel. Diese Abweichung hatte auch Auswirkungen auf die Verteilung von Temperatur- und Niederschlagsanomalien.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur (oben Prognose, unten Analyse):
Der kühle Gürtel verläuft in der Analyse etwas nördlicher als prognostiziert. Statt direkt über Mitteleuropa, liegt sein Zentrum im Bereich Britsche Inseln-Südskandinavien-Ostsee. Deutlich wärmer als erwartet wurde es in Südosteuropa, während die erwartete Wärme in Südwesteuropa, im Alpenraum und im westlichen Mittelmeer perfekt vorhergesagt wurde.
Die Niederschlagsverteilung weist gegenüber den Prognosen ein sehr differenziertes Bild auf:
Perfekt erkannt wurde der deutlich zu nasse Alpenraum. Auch war es in Südosteuropa zu nass, wenn auch nicht in der erwarteten Ausprägung. Nicht erwartet wurde die Trockenheit über weiten Teilen Mitteleuropas, die angesichts der Westlagen-Dominanz auch sehr aussergewöhnlich ist. Die atlantischen Fronten waren vor allem in Nordeuropa sehr aktiv, während sie nach Süden hin unter Hochdruckeinfluss gerieten und sich häufig auflösten. Die ausserordentlich starken Niederschläge im Alpenraum wurden hauptsächlich durch Gegenstromlagen verursacht: Warm-feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum gleitete auf die nördlich der Alpen lagernde Kaltluft auf.
Zum Schluss die Statistik über die Wetterlagenverteilung im südlichen Mitteleuropa:
Die Dreiteilung in Südwest-, West- und Nordlagen gemäss der Prognose ist frappant. Ost- und Südlagen waren nicht nur selten, sondern blieben sogar gänzlich aus. Etwas überraschend bei dieser Konstellation ist, dass Nordwestlagen als Übergangsphase zwischen West- und Nordlagen fehlen. Sehr zufrieden darf man mit dem eingetroffenen Ablauf für das südliche Mitteleuropa sein (warme erste Monatshälfte, kühle zweite Hälfte): Nur selten gelingt es, bei der Monatsprognose eine solche Abfolge im Voraus zu erkennen. Im vorliegenden Fall waren die Anzeichen dafür aber ausnahmsweise sehr deutlich.
Die Langfristprognose für den Juni findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.