Der Juni 2015 konnte die Launenhaftigkeit seiner Vorgängermonate nicht ganz ablegen. Interessant ist die Tatsache, dass die zweite Monatshälfte entgegen dem klimatischen Mittel und dem Sonnenstand deutlich kühler war als die erste. War die erste Hälfte noch von häufigen warmen bis heissen Tagen geprägt, blieben diese in der zweiten Hälfte aus und meldeten sich erst mit dem Monatswechsel zum Juli zurück. Stattdessen gab es Kaltlufteinbrüche, welche nicht nur den Norden Mitteleuropas mit nächtlichem Bodenfrost, sondern auch den Alpenraum erfassten. So waren weisse Wiesen in 2000 m Höhe vom 19. bis 24 Juni eher die Regel als die Ausnahme. Auch dieser Monat zog somit alle ihm klimatisch zur Verfügung stehenden Register.

Die erste Monatshälfte war von zahlreichen, teils heftigen Gewittern geprägt. Aufnahme vom 13. Juni südlich von Bern
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juni, erstellt am 31. Mai, lautete wie folgt:
Über den Gesamtmonat gemittelt zeigt die Höhendruckkarte eine mässige negative Anomalie vom Nordmeer über Skandinavien bis Nordwestrussland. Den Gegenpol bildet eine Brücke zwischen dem leicht erstarkten Azorenhoch und einem ausgeprägten Osteuropahoch. Diese Brücke weist über dem Atlantik vor den Westküsten Europas eine Schwäche auf und mündet in eine negative Druckanomalie über der Iberischen Halbinsel und Marokko. Dies bedeutet, dass das Wetter in Mitteleuropa hauptsächlich hochdruckbestimmt wird. Atlantische Kaltluftausbrüche nehmen meist den Weg über Westeuropa nach Süden, wo sich im Bereich der Iberischen Halbinsel und dem westlichen Mittelmeer abtropfende Tiefs bilden, hinter denen sich die Hochdruckbrücke wieder schliessen kann. Zwischenzeitlich können sich Westwindlagen durchsetzen, welche aber hauptsächlich den Norden Europas betreffen und das nördliche Mitteleuropa stärker tangieren als den Alpenraum.Demzufolge wird in Mittel- und Osteuropa ein relativ trockener und sehr warmer Juni erwartet. Über den Alpen wird eine zu feuchte Zone angedeutet, die sich durch häufige Gewitter während solcher Hoch- und Flachdrucklagen über dem Bergland erklären lassen. Dasselbe erkennt man auch über dem Karpatenbogen und über den Gebirgen Südosteuropas. Zu kühl und zu feucht wird der Westwindgürtel Nordeuropas berechnet und auf einen extrem nassen und unterkühlten Juni muss sich Südwesteuropa gefasst machen.Die aktuellen Mittelfristkarten zeigen eine erste Hitzeperiode in Mitteleuropa vom 3. bis 7. Juni, die als gesichert angenommen werden kann. Wie lange sich diese fortsetzt, ist unsicher. Aufgrund der oben beschriebenen Druckkonstellationen kann man davon ausgehen, dass sich die Temperaturen nach dem Durchzug von Kaltfronten in Mitteleuropa jeweils rasch wieder erholen. Länger anhaltende Kältephasen sind dadurch eher unwahrscheinlich. Vieles deutet auf einen Monat mit vielen warmen bis heissen Phasen hin, die wiederholt durch kurze Kaltlufteinbrüche einhergehend mit Gewittern unterbrochen werden.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Als positiv darf man auf den ersten Blick konstatieren, dass die zonale Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgürteln recht gut erfasst wurde. Die Sache hat allerdings einen Haken: Statt vor den Westküsten Europas lag die prognostizierte Schwachstelle in der Hochdruckbrücke meist über dem östlichen Mitteleuropa und zog sich ins östliche Mittelmeer statt zur Iberischen Halbinsel. Kleine Ursache, grosse Wirkung, wie man gleich anhand der Temperaturverteilung feststellen wird. Denn statt warmer Südwest- bis Südlagen kamen so häufiger kühle Nordwestlagen ins Spiel.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur (oben Prognose, unten Analyse):
Auch hier passt der kühle Gürtel vom Nordatlantik über Schottland bis nach Skandinavien sehr gut zur Prognose. Weite Teile des europäischen Festlands weisen überdurchschnittliche Temperaturen auf, womit die Prognose im Groben erfüllt wurde. Im Detail gibt es aber Punkte, mit denen man keineswegs zufrieden sein darf: Statt über der Iberischen Halbinsel lag das kühle Zentrum Südeuropas über der Ägäis und der Türkei. Hier war die Durchschnittstemperatur 4 Grad tiefer als prognostiziert, in weiten Teilen Spaniens gerade umgekehrt. Im südlichen Mitteleuropa lag die Durchschnittstemperatur 1 bis 2 Grad unter den Prognosen, wenn auch immer noch deutlich über der langjährigen Norm. Der erwartete heisse Monat wurde es allerdings nicht, da machte die zweite Monatshälfte einen dicken Strich durch die Rechnung. In Norddeutschland und insbesondere an der Ostsee wurde es ebenfalls 1 bis 2 Grad kühler als erwartet, womit der Juni 2015 hier als deutlich zu kühl in die Statstik eingeht.
Die Niederschlagsverteilung wiederum weist mit einer Ausnahme eine sehr gute Eintreffensquote aus:
Weite Teile Mittel- und Osteuropas erlebten den erwartet trockenen Juni und Gewitter sorgten im Alpenraum für den prognostizierten Niederschlagsüberschuss. Auch der nasse Westwindgürtel in Nordeuropa wurde sehr gut vorhergesagt. Wie schon bei den Temperaturen waren die Niederschläge in Südeuropa im Osten deutlich stärker als erwartet, während sie in Südwesteuropa nicht ganz die prognostizierten hohen Mengen erreichten, aber dennoch verbreitet die langjährige Norm überschritten.
Zum Schluss die Statistik über die Wetterlagenverteilung im südlichen Mitteleuropa:
Trockene und nasse Tage halten sich genau die Waage und die heissen bzw. schwül-warmen Phasen stehen den kalten mit 2:1 gegenüber. Antizyklonale (=hochdruckbestimmte) Wetterlagen waren zwar mit 17 Tagen in der Mehrheit, jedoch nicht ganz so dominant wie prognostiziert. Interessant ist, dass die über den Gesamtmonat gemittelte Druckkarte das typische Muster der GWL “Hochdruckbrücke Mitteleuropa” BM aufweist, diese GWL im gesamten Monat aber gar nie auftrat. Das gemittelte Druckmuster kam durch sich ausgleichende andere Grosswetterlagen zustande. Dieser Fall zeigt eindrücklich auf, dass es gar nicht so einfach ist, aus einer Prognosekarte des Monatsmittels die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aus vermeintlich einfachen Mustern wird schlussendlich ein komplexes Wechselspiel sehr verschiedener Wetterlagen, die zwar nicht dem prognostizierten Ablauf entsprechen, zum Ende aber doch ein akzeptables Ergebnis des Monatsmittels ergeben. Eine Verbesserung der Prognosegüte ist daher nur durch Erfahrung zu erreichen, was auch der Sinn und Zweck dieser allmonatlichen Analysen sein soll.
Die Langfristprognose für den Juli findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.