Der April ist seinem Ruf der Launenhaftigkeit 2019 wieder mal vollständig gerecht geworden. Zwar gab es, was den Grosswettertyp anbelangt, nicht allzu viel Abwechslung: Der Monat war eindeutig Ostlagen-dominiert. Doch im April macht es einen sehr grossen Unterschied, ob die Luftmassen aus Nordost oder Südost zu uns gelangen – beides wird in den gleichen GWT-Topf Ost geworfen und bringt doch völlig unterschiedliches Wetter. So stehen sich zum Beispiel das sehr warme (wenn auch wegen starker Saharastaub-Konzentration nicht immer sonnige) Osterwochenende und der Kaltlufteinbruch zum 13./14. April gegenüber. Das eine war durch Südostlage verursachter Föhn, das andere ein aus Nordosten durchziehender Kaltlufttropfen mit Frost und Schnee bis in tiefe Lagen. Und so ging es mehrmals in diesem Monat kräftig auf und ab.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den April, erstellt am 31. März, lautete wie folgt:
Gerechnet wird eine ausgeprägte (wenn auch nicht extreme) Hochdruckanomalie, die sich über die gesamte Nordhälfte Europas erstreckt und Mitteleuropa mit einbezieht. Das Hochdruckzentrum müsste sich entsprechend häufig irgendwo im Streifen von der Nord- zur Ostsee befinden. Gegenspieler ist eine Tiefdruckanomalie über dem westlichen Nordatlantik mit Zentrum südlich von Grönland, das jedoch keinen Einfluss auf Europa nehmen kann. Eine weitere leichte Tiefdruckanomalie ist über Nordwestafrika zu finden und deckt noch die Iberische Halbinsel sowie die südlichsten Regionen der europäischen Mittelmeerländer ab. Für uns bedeutet diese Konstellation eine Dominanz des Grosswettertyps Ost, wobei je nach Verlagerung des Hochs sämtliche Lagen von Nordost bis Südost, mitunter aber auch Nord- und Südlagen auftreten. Letzteres ist gleich in der ersten Aprilwoche der Fall, wobei noch nicht ganz klar ist, ob aus der Südlage noch Tief Mitteleuropa wird. Wie eingangs erwähnt haben Westlagen kaum eine Chance.
Mit dem überwiegenden Hochdruckwetter und somit starker Sonneneinstrahlung fällt die bodennahe Erwärmung in weiten Teilen Europas deutlich höher aus, als es die Temperaturen in rund 1500 m erwarten lassen. Daher haben wir in diesem Monat noch mal auf die Karte mit der Temperaturabweichung am Boden zurückgegriffen. Alles andere als eine mittlere Abweichung von ungefähr 2 Grad gegenüber dem langjährigen Mittel in weiten Teilen Mitteleuropas würde überraschen. In einigen Alpentälern sowie in Nordeuropa dürften die Abweichungen noch höher ausfallen, während in höheren Lagen nur eine geringe Abweichung zur Klimanorm zu erwarten ist. Zu kühl wird der Monat eigentlich nur auf der Iberischen Halbinsel und in der Türkei berechnet.
Wir sehen ein weitgehend trockenes Nord- und Mitteleuropa entsprechend der Druckverteilung, und überdurchschnittliche Niederschläge im Mittelmeerraum. Der nasse Fleck genau mitten in den Alpen ist ein Hinweis darauf, dass weder Nord- noch Südstau grossartig vom Niederschlag bevorzugt werden, sondern vielmehr bereits konvektive Niederschläge auftreten (also Schauer und Gewitter), und somit ein frühsommerlicher Charakter Einzug hält. Die im Frühling/Frühsommer 2018 gesammelten Erfahrungen mit Gewitterzugbahnen aus ungewohnter Richtung können also bereits wieder angewendet werden.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Das grossräumige Muster wurde mit dem Hoch über Nordeuropa und dem Tief an der Südspitze Grönlands sehr gut getroffen. Das Hoch war allerdings stärker bzw. persistenter als erwartet. Auffälligste Differenz ist das Fehlen der erwarteten Hochdruckbrücke zwischen Skandi- und Azorenhoch, an dessen Stelle eine Austrogung des Tiefdrucks bis zur Biskaya analysiert wird. Genau dieser stärkere Tiefdruckeinfluss aus Westen (ohne dass daraus eine Westlage geworden wäre, einzig “Tief Mitteleuropa” zum Monatsende) war jedoch für den Westen und Südwesten Deutschlands, Frankreich und die Schweiz entscheidend, wie wir noch sehen werden. Auf die erwartete Verteilung der Grosswettertypen hatte es allerdings keinen Einfluss: Ost und etwas weniger stark Süd waren den ganzen Monat dominant, der ganze Westsektor war hingegen völlig abgemeldet, auch diesbezüglich war die Prognose zutreffend.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur am Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Eigentlich wäre die Temperaturprognose perfekt – sofern man über einen ganzen Monat gemittelt und ein derart riesiges Gebiet überhaupt von Perfektion sprechen kann, da muss man realistisch bleiben. Die extreme positive Abweichung rund um Grönland und das warme Nordeuropa, der kalte Fleck im zentralen Nordatlantik, unterkühlte Iberische Halbinsel und Türkei: alles vorhanden, was will man mehr? Wenn da bloss nicht die weisse Beule über Südwestdeutschland, der Schweiz und Frankreich wäre, wo wir eigentlich auch eine deutliche positive Abweichung erwartet hatten. Es wurmt dann umso mehr, wenn die fast einzige Fehlleistung einer Prognose genau vor der eigenen Haustür zutage tritt. Allerdings darf man sich von der groben Auflösung der Analyse-Karte nicht wiederholt ins Bockshorn jagen lassen: Durchschnittlich temperiert war der April nur im zentralen und westlichen Mittelland, während im Osten und insbesondere in den Föhntälern eine positive Abweichung von 1 bis 1.5 Grad resultierte (siehe Analysekarte von MeteoSchweiz).
Wie aufgrund der Druckverteilung nicht anders zu erwarten war, tritt das Muster “trockener Norden, feuchter Süden” auch in diesem Monat deutlich zutage, entsprechend fällt die Analyse gegenüber der Prognose zufriedenstellend aus. Markant mehr Niederschlag als erwartet fiel nur dort, wo er nichts nützt: nämlich über dem östlichen Nordatlantik. Abgesehen von der Alpensüdseite wird der Alpenraum auf der Karte neutral analysiert, doch auch hier gab es ein klares – bedingt durch die häufigen Föhnlagen deutliches – Süd-Nord-Gefälle: (Schweiz, Österreich, Deutschland).
Mit 19 Tagen des Grosswettertyps Ost (davon 6 Tage Südostlage) geht dieser Monat als einer der extremeren Exemplare in die Klimageschichte ein, zumal der gesamte Sektor West an keinem einzigen Tag auftrat. Die einzelnen Tage GWT Hoch und GWT Nord sind “Restmandate” des Vor- und Nachfolgemonats, im Grunde genommen wies der April wie schon der März wieder nur drei Grosswettertypen auf. Wenn das so weitergeht, wird Langfristprognose zumindest im Einmonats-Bereich noch zum Kinderspiel…
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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