Möchte man alle Rekorde aufzählen, die dieser Mai gebrochen hat, würde dies den Rahmen des Blogs eindeutig sprengen. Wir beschränken uns daher auf einige wichtige Eckdaten: Im Alpenraum war dies der kälteste Mai seit 1991. Vielerorts in Mitteleuropa gab es keinen einzigen Sommertag (Tageshöchstwert min. 25 Grad). Etliche Stationen mit mindestens 25-jähriger Messreihe in den Alpen verzeichneten neue Mai-Schneehöhenrekorde. An einigen Stationen der Nordalpen war dies der zweitnasseste Mai seit Aufzeichnungsbeginn. Zudem war der Mai extrem gewitterarm: In Österreich gab es seit Messbeginn vor 27 Jahren noch nie so wenige Blitze im gesamten Mai.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Mai, erstellt am 30. April, lautete wie folgt:
Der von uns ausgewählte Lauf zeigt ein nach Norden verschobenes Azorenhoch, dessen positive Druckanomalie gerade noch die Britischen Inseln umfasst. Eine zweite positive Druckanomalie ist über dem Nahen Osten auszumachen. Dazwischen liegt eine trogförmige negative Anomalie genau über dem Alpenraum, die Verbindung mit einer stärkeren Tiefdruckanomalie über Nordeuropa mit Zentrum zwischen Norwegen und Spitzbergen aufnimmt. Da diese Abweichungen vom Betrag her moderat ausfallen, muss man davon ausgehen, dass dieses Muster mit überwiegenden Nordlagen nur ein Drittel bis die Hälfte des Monats anhält. Da die Karte sonst keine Auffälligkeiten zeigt, ist für die zweite Monatshälfte kein deutlicher Trend auszumachen, ausser eben jener, dass die Nordlage von einem neuen, noch unbekannten Muster abgelöst wird. Erfahrungsgemäss (nun wechseln wir in den Spekulationsmodus) folgt eine kurze Phase mit Westlagen, bevor – wir haben ja immer noch Frühling, in dem Westlagen statistisch eher selten auftreten – sich eine neue blockierende Lage einstellt: entweder Hoch über Mitteleuropa oder östlich davon, also tendenziell eher wieder südliche Anströmungen. On verra!
Im Sommerhalbjahr wechseln wir wieder auf die Temperaturkarten in 1500 m Höhe, die in der Regel ganz gut die Verhältnisse am Boden wiedergeben – damit lassen sich kleinräumige, verwirrende Artefakte ausblenden. Wir sehen ein in letzter Zeit ungewohntes Bild mit überwiegend negativen Temperaturanomalien über weiten Teilen Europas, eine Folge der aussergewöhnlich kalten Nordlage im ersten Monatsdrittel. Da wir wie oben im Spekulationsmodus davon ausgehen, dass das zweite Monatsdrittel auch nicht mehr als normal temperiert daherkommen wird, müsste das letzte Drittel schon sehr sommerlich ausfallen, um den Monat noch auszugleichen oder gar ins Plus zu drehen. Nicht unmöglich und in den letzten Jahren auch schon passiert, aber nicht sehr wahrscheinlich. Man muss also davon ausgehen, dass der Mai 2019 als erster Monat nach 13 überdurchschnittlich temperierten Monaten am Ende ein Minus aufweisen wird.
Nordlagen bringen vor allem den Nordalpen und den Nordseiten der Mittelgebirge überdurchschnittliche Niederschläge. Für den Mai 2019 gilt also: Wer hat, dem wird gegeben. Andererseits sind Nordlagen in der Regel zu wenig feucht, um auch dem Flachland ordentlich einzuschenken. Die Trockenheit vor allem im nordostdeutschen Tiefland und in der Pannonischen Ebene wird sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Die in Richtung Mittelmeer abtropfenden Tiefdruckgebiete sorgen dort stellenweise für tageweise ergiebige Regenmengen, auf das chaotische Fleckenmuster der Prognosekarte sollte man sich allerdings nicht allzu sehr verlassen, da hängt zu viel vom Zufall ab.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die Druckverteilung in Europa mit einem extrem meridionalen Grundmuster wurde recht gut prognostiziert, nicht so im Raum Grönland und westlicher Nordatlantik – wobei dies für einmal auf Europa keine Auswirkungen hatte, denn der Einfluss des Atlantiks auf unser Wetter war in diesem Monat nahe bei null. Das Azorenhoch kam schlussendlich näher bei Portugal zu liegen als erwartet, was auch den Tiefdruck über Südeuropa geringfügig nach Osten geschoben hat. Der gewichtigste Unterschied in Europa war die Abweichung des Betrags: Der Tiefdruck war weitaus persistenter als angenommen. Wir werden das noch bei der Analyse der Grosswetterlagen genauer sehen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Der erste Monat mit deutlich unterdurchschnittlichen Temperaturen seit über einem Jahr in weiten Teilen Europas wurde vom Langfristmodell richtig erkannt. Allerdings wurden die Erwartungen sogar übertroffen: Statt ungefähr zwei Grad unter dem langjährigen Mittel gab es vielerorts vor allem im Alpenraum und in Italien Abweichungen von drei bis vier Grad. Die überraschende Positionierung des Hochdrucks vor der portugiesischen Küste hat das Vordringen der Kaltluft auf die Iberische Halbinsel und gar nach Marokko ausgebremst, so findet sich die deutlichste Abweichung der Temperaturprognose im Raum zwischen Portugal und den Kanarischen Inseln.
Die Auswirkungen auf die Temperaturen am Boden sehen so aus:
Man erkennt hier deutlich den geringeren Einfluss der Höhenkaltluft im Sommerhalbjahr auf die bodennahe Luftschicht: Sobald sich die Sonne etwas durchsetzt (und das tut sie, je südlicher, umso öfter), erwärmt sich eingeflossene Kaltluft recht rasch vom Boden her. In der Höhe dauert dieser Prozess deutlich länger, womit die Luft im Frühling labiler geschichtet ist, als beim gleichen Sonnenstand im Spätsommer oder Herbst. Daher das typische Aprilwetter mit vielen (Graupel- und Schnee-) Schauern, das uns diesmal auch im Mai beglückt hat. Das Resultat spiegelt sich denn auch in der Niederschlagsverteilung wider:
Auf den ersten Blick erstaunt, dass die grössten Abweichungen nicht etwa am extrem niederschlagsreichen Alpennordrand auftraten, sondern südlich davon. Dies erklärt sich zum einen, dass die Normwerte nördlich der Alpen im Mai ohnehin sehr hoch sind. Mit anderen Worten: Ein sehr nasser Mai ist in dieser Region eben nur wenig nasser als ein normal nasser Mai. So viel zum Ruf des Mai als Wonnemonat… Anders auf der Alpensüdseite: Normalerweise fallen dort die stärksten Niederschläge im Mai bei Südlagen – die es allerdings im Mai 2019 überhaupt nicht gab! Im Gegenteil, durch die vielen Nordföhnlagen war es im Tessin sogar deutlich zu trocken. Weiter östlich hingegen zeigen sich die Auswirkungen der sich permanent in dieser Region eingenisteten, abgetropften Tiefdruckgebiete. Besser aufgelöst als auf der groben Karte oben gibt es die Niederschlagsabweichungen wie immer bei den Landeswetterdiensten: (Schweiz, Österreich, Deutschland). Die Deutschland-Karte zeigt es sehr anschaulich: Die prognostizierte Diskrepanz von deutlich zu nassem Alpenrand und Mittelgebirgen zu sehr trockenen Gebieten im norddeutschen Tiefland trat genau so ein, wie man es bei der Dominanz von Nordlagen erwarten musste. Womit wir bei der Wetterlagen-Analyse angekommen wären:
Nordlagen nahmen mit 17 Tagen mehr als die Hälfte des Monats in Beschlag. Die prognostizierte kurze Westlage trat ebenfalls auf, allerdings ohne den von uns herbeispekulierten Wechsel der Zirkulation für die zweite Monatshälfte einzuleiten. Nach ein paar Tagen Ost und Tief Mitteleuropa machte der Mai in der zweiten Hälfte genau so mit Nordlagen weiter (wenn auch sonnenstandbedingt nicht mehr auf ganz so kaltem Niveau) wie zu Beginn. So erklärt sich die eingangs erwähnte starke Druckabweichung im südlichen Europa gegenüber der Prognose. Es galt also auch in diesem Monat: Ein einmal eingefahrenes Muster hält sich hartnäckig oder kehrt nach kurzem Unterbruch wieder zurück Es scheint so, als wäre dies die neue Regel der Langfristprognostik…
Die Langfristprognose für den Juni findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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Kurt Nadler am 16. Juni 2019 um 17:20 Uhr
Das österreichische Pannon bekam im Mai 2019 bei wiederholten (Stark-)Niederschlagsereignissen teilweise hohe Niederschlagsmengen, insbesondere entlang der Ostgrenze Österreichs, bis nahe 15 cm.
Siehe auch die nicht so bekannte Messstation Hollern:
https://www.noe.gv.at/wasserstand/#/de/Messstellen/Details/116350/Niederschlag/Jahr
Das Land wurde sattgrün; die ausgetrockneten Seewinkellacken füllten sich schnell wieder.
Es folgten im Juni zwei Wochen teils absolute Trockenheit mit reichlich Hitze.