Es war einmal ein Tief namens Klaus. Es drehte sich während eines halben Monats im Juni 2019 quasistationär um sich selbst und bescherte Westeuropa ein Wetterchen, das man durchaus als “very british” bezeichnen darf. Die Schweiz zählte dabei für einmal wieder zu Westeuropa – wie zu guten, alten Zeiten. Der etwas östlicher gelegene Teil Mitteleuropas hingegen lag in einer völlig anderen Welt: Permanente Hitze, unterbrochen von teils heftigen Gewittern mit riesigem Hagel, der zum Beispiel eine Schneise der Zerstörung quer durch Bayern zog. Angetrieben wurden diese Unwetter durch eine Südlage der speziellen Art. “Tief Britische Inseln” wird sie genannt. Speziell insofern, weil sich bei dieser Lage sehr oft genau über Mitteleuropa eine markante Luftmassengrenze bildet: Im Osten heisse Luft aus Süden, im Westen kühle, vom Tief von Grönland her angezapfte Polarluft. Diese Lage hält derzeit immer noch an, macht aber nach dem Wochenende einer Südwestlage Platz. Vom Regen in die Traufe…
So sieht die Verteilung der Druckgebiete und der Winde in rund 5500 m Höhe in Europa am Samstagabend aus:
Das erwähnte Tief “Klaus” dreht also nach wie vor, jetzt etwas westlich von Irland, vor sich hin und schaufelt Polarluft über den Atlantik zunächst nach Süden, dann nach Osten. Über den Alpen ist immer noch die Südströmung zu erkennen, sie ist aber bereits deutlich schwächer als in den letzten Tagen. Für uns von Interesse ist das rötliche Gebiet über Südostfrankreich. Es markiert ein kleines, eingelagertes Randtief, das man auf der Karte des Globalmodells beinahe mit der Lupe suchen muss, aber eine umso bemerkenswertere Wirkung entfaltet. In diesem Tief, als Knick in der Höhenströmung erkennbar, ist nämlich eine markante Kaltfront eingelagert, die uns am späten Samstagabend überqueren wird:
In der Luftmassen-Prognose wird die Front sehr markant gerechnet, hinzu kommt eine extreme Windkonvergenz in mittleren Höhen. Was sich gegenüber der Lage vom Pfingstwochenende ändert: Die Föhnströmung wird bereits durch eine erste, viel schwächere Kaltfront in der Nacht zum Samstag derart geschwächt, dass sie sich tagsüber nicht mehr erholen kann. Diesmal ist also keine Bremse eingebaut, welche die Front aufhalten oder austrocknen kann. Die involvierten Luftmassen sind dabei gar nicht mal so energiereich und die Labilität bewegt sich in einem für den Sommer durchschnittlichen Rahmen. Der Antrieb kommt also hauptsächlich durch das Randtief und die Konvergenz zustande: Eine Sommerkaltfront, wie sie im Lehrbuch steht.
Uns erwartet also ein kurzes, aber umso heftigeres Ereignis. Die Front zieht mit kräftigen Gewittern und Hagel rasch von Südwest nach Nordost über die Alpennordseite. Das Hauptaugenmerk muss aber ganz klar auf den Wind gerichtet werden. Übrigens: In Aarau findet derzeit das Eidgenössische Turnfest statt… klingelt’s? Ich hoffe, die Organisatoren haben diesmal einen kompetenten Wetterdienst engagiert. Aber auch sonst finden in der ganzen Schweiz an diesem Wochenende zahlreiche Veranstaltungen und Open-Airs statt, man kann also nicht deutlich genug auf die Gefahr hinweisen! Die im Mittelland zu erwartenden Böen erreichen grossflächig Sturmstärke, lokal ist mit orkanartigen Böen zu rechnen:
Was die Karte auch noch eindrücklich zeigt, ist die Alpen übergreifende Wirksamkeit der Front. Auf der Südseite wird es also genau so heftig zu und her gehen wie im Norden.
Am Sonntag liegen wir auf der ruhigeren Rückseite der Front. Die Feuchtigkeit staut sich noch in den Bergen, nicht ausgeräumte Nester wärmerer Luft können hier und da noch zu einem kräftigen Schauer führen. Im Flachland wird es aber rasch trocken und im Lauf des Tages zeigt sich von Westen her immer häufiger die Sonne.
Wer sich auf das Ende der komplexen Lage und auf ruhigere Zeiten gefreut hat, wird in der neuen Woche unter Umständen sein blaues Wunder erleben. Am Montag zieht ein Zwischenhoch über Mitteleuropa nach Osten, liegt aber für eine wirksame Abtrocknung der Luftmasse wahrscheinlich zu weit nördlich. Am Boden kommt Bise auf, während in mittleren Schichten bereits wieder wärmere und feuchtere Luft aus Südwest herangeführt wird. Eins ist klar: Die Zeiten der markanten Temperaturunterschiede zwischen West und Ost sind vorbei, es kommen definitiv sommerlichere Gefühle auf. Von einer stabilen Hochdrucklage, wie sie verschiedentlich bereits verkündet wurde, sind wir aber weit entfernt. Die Kombination aus sehr warmer und somit energiereicher Luftmasse, südwestlicher Strömung und ausreichendem Feuchteangebot am Boden verspricht täglich irgendwo Gewittertätigkeit, wenngleich sich diese wahrscheinlich zum grössten Teil auf die Bergregionen beschränken wird. Typisch sommerliches Tagesgangwetter eben, im Flachland mitunter sogar heiss, in den Bergen aber alles andere als beständig. Der Blick in die Mittelfristkarten lässt eine erneute Umstellung auf das kommende Wochenende vermuten. So allmählich baut sich die nordhemisphärische Zirkulation in den Sommermodus um, was einen deutlich stärkeren Einfluss des Atlantiks auf Europa erwarten lässt.
Zum Schluss noch die Verteilung der Druckgebiete und der Winde in rund 5500 m Höhe am Dienstag, um den Unterschied zur bisherigen Lage aufzuzeigen. So sieht eine echte Südwestlage aus, die ja angeblich am Montag zu Ende gehen soll. Mit einem herzlichen Gruss aufs Meteo-Dach in Zürich 😉