Der August hätte – wie von uns prognostiziert – ein völlig unauffälliger, durchschnittlicher und typisch mitteleuropäischer Sommermonat werden können. Und war es auch bis zum 24. – abgesehen von der für den August eher untypischen, permanenten Südwestlage, die aber dank viel Tiefdruckeinfluss nicht die grosse Hitze und vielerorts auch ordentliche Niederschläge brachte. In letzter Zeit hat sich aber die Unsitte eingeschlichen, unserer Prognose in der letzten Woche des Monats in die Suppe zu spucken, und genau das schaffte der August 2019 als dritter Monat in Folge mit einer Hitzewelle, die den Monatsschnitt noch gewaltig in die Höhe zog.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den August, erstellt am 31. Juli, lautete wie folgt:
Über den ganzen Monat August gemittelt soll sich demnach eine Tiefdruckanomalie einstellen, die sich von West nach Ost vom Nordatlantik über die Britischen Inseln und Skandinavien hinweg erstreckt, wobei sich zwei Zentren des Tiefdrucks einerseits mitten im Nordatlantik westlich von Irland und andererseits über Nordwestrussland und dem Baltikum herauskristallisieren. Der Gegenpol bildet eine schwache Hochdruckanomalie von der Südspitze Grönlands bis nach Spitzbergen (für uns ohne Einfluss bis auf die Tatsache, dass sich der Tiefdruckgürtel dadurch nicht weiter nach Norden verschieben kann). Zudem ist eine schwache Hochdruckanomalie im westlichen Mittelmeerraum auszumachen. Der Alpenraum befindet sich demnach in einem für die Jahreszeit durchschnittlichen Geopotenzial. So glatt wie der zonale Druckverlauf gemittelt auch aussehen mag, so wird dennoch nicht den ganzen Monat eine Westlage dominieren. Vielmehr wechselt sie sich mit Phasen von Nordwest und Südwest ab. Zwischenzeitlich können Tröge über West- oder Mitteleuropa auftreten, oder auch wieder ein Hoch wie zuletzt bei der Hitzewelle um den 25. Juli. Insgesamt ist der Charakter dadurch aber recht wechselhaft mit kühlen und heissen Phasen, wie sich das für einen gewöhnlichen Sommer in Mitteleuropa gehört.
Diese Wechselhaftigkeit bewirkt bei der Temperatur einen Schnitt ungefähr im langjährigen Mittel. Die unten eingefügte Karte zeigt über Mitteleuropa einen leicht unterkühlten Monat wie bereits im Juli. Die Erfahrung, dass das Modell mit der Klimaerwärmung aber so seine Mühe hat und immer etwas zu kühl rechnet, lässt jedoch im nördlichen Mitteleuropa ungefähr eine glatte Null bis +0.5 Grad, im Süden eher +1.0 Grad oder sogar leicht darüber zum langjährigen Mittel erwarten. Recht heiss wird die Iberische Halbinsel gerechnet, hohe Abweichungen werden auch wieder in der Arktis erwartet, was dort dem aktuell schlechten Zustand des Eises weiter zusetzen und erneut einen Negativrekord der Eisfläche zur Folge haben wird.
In der Niederschlagskarte ist sehr deutlich die nasse Zone des Westwindgürtels von den Britischen Inseln über das nördliche Mitteleuropa bis ins Baltikum zu erkennen. In den letzten Monaten wurden die Niederschläge von den Modellen für diese Region permanent überschätzt, was sich inzwischen über weite Flächen in einer für die Natur verheerenden Trockenheit manifestiert. Bleibt also zu hoffen, dass die gerechneten Niederschläge im August diesmal auch eintreffen, auch wenn das die Urlauber an Nord- und Ostsee verständlicherweise gerne anders hätten… Für das südliche Mitteleuropa, das häufiger unter den Einfluss des Subtropenhochs zu liegen kommt, werden in der Fläche hingegen eher unterdurchschnittliche Regenmengen gerechnet. Gewitter können diese Bilanz aber lokal durchaus aufbessern.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die lang andauernde, bisher für August eher untypische Südwestlage wurde einleitend bereits angesprochen, hier in der Analysekarte wird sie augenfällig. Wie man im Vergleich zur Prognosekarte sieht, fehlt der zweite Tiefdruckkern über Nordwestrussland und somit die zonale Ausrichtung der Tiefdruckrinne völlig, stattdessen hat sich ein blockierendes Hoch über Osteuropa eingenistet. Erneut handelt es sich hierbei um ein Modellversagen, denn eine Variante mit Hoch Osteuropa sucht man im Archiv der Modellläufe Ende Juli vergebens. Immerhin wurden Position und Stärke der Tiefdruckanomalie über dem Nordatlantik korrekt berechnet.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Hier muss man die Gemeinsamkeiten zwischen Prognose und Analyse suchen, und man findet sie tatsächlich, wenn man geographisch etwas grosszügig ist. Die negative Anomalie über dem zentralen Nordatlantik wurde wie das Tief an dieser Stelle erkannt und hat einen Totalflop bei der Prognose gerade noch verhindert. Die Kälte über Nordwestrussland wurde nach Osten verdrängt und das Hoch über Osteuropa hat die Wärme über ganz Europa bis weit in den Norden verteilt. In Mitteleuropa war die Prognose weniger schlecht, als sie auf den ersten Blick aussieht: Wir hatten ja im Prognosetext darauf hingewiesen, dass die Kälte zu stark gerechnet wird. Die Analyse zeigt also ziemlich genau das, was wir erwartet hatten, der Hitzewelle zum Monatsende sei Dank aber mit noch mal einem halben Grad Aufschlag.
Auf die Temperaturen am Boden wirkt sich das folgendermassen aus:
Wie schon in den Vormonaten wird deutlich, wem wir die aktuelle Druck- und Temperaturverteilung zu verdanken haben: der Kaltwasser-Anomalie im Atlantik nördlich der Azoren. Kein Wunder graben sich Tiefs und Tröge immer wieder dort ein und bescheren uns die warme Vorderseite mit Anströmung aus südlichen Richtungen. Entgegen der Temperaturanalyse in 1500 m fällt auf, dass es am Boden auf der Alpensüdseite kühler war als in der Umgebung. Auch eine Folge der häufigen Südwestlagen, bei denen sich die Feuchte staut und für viele Wolken und Niederschlag sorgt. Auf der Alpensüdseite wurden nur etwa 90 % der üblichen Sonnenscheindauer erreicht, im Gegensatz zur Alpennordseite, wo das langjährige Mittel fast überall erreicht oder übertroffen wurde. Der Südstau zeigt sich auch in der Niederschlagskarte:
Tatsächlich wurde in Norditalien und in Teilen des Tessins die doppelte Regenmenge als üblich gemessen. Nach Osten nimmt die Abweichung deutlich ab, und anders als es die grobe Europa-Karte vorgaukelt, war es in weiten Teilen Österreichs deutlich zu trocken, ebenso mit Ausnahme weniger Landstriche in Deutschland. Wer es genauer wissen möchte: (Schweiz, Deutschland, Österreich). Man erkennt auch deutlich, wie der nasse Westwindgürtel durch das blockierende Hoch nach Norden umgelenkt wurde: Während Skandinavien ordentlich gewässert wurde, kam in Osteuropa mal wieder fast nichts an. Die reichlichen Niederschläge durch Gewitter an einzelnen Stationen z.B. im Erz- und Riesengebirge werden auf der Karte wie üblich zu sehr in die Breite gewalzt. Von einem Ende der Trockenheit kann also im Flachland Mittel- und Osteuropas keineswegs die Rede sein.
Die angesprochene Dominanz von Südwestlagen zeigt sich auch in der Analyse der Grosswettertypen. Sie hielt mit einem viertägigen Unterbruch durch West zyklonal vom 5. bis zum 20. August an. Im Auswertungszeitraum 1881-2008 machten Südwestlagen im August gerade mal 3.7 % aus, inzwischen sind sie fast alljährlich auffällig häufig, wie unser Wetterlagenkalender zeigt. Offenbar geht dies zu Lasten der Westlagen, die im August normalerweise knapp 33 % erreichen sollten. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass der massive Rückgang der arktischen Eisfläche im Sommer den Jetstream ins Schlingern bringt und statt einer durch das nördliche Mitteleuropa bzw. Nord- und Ostsee verlaufenden Westwindzone so ziemlich alles an Grosswetterlagen auftischen kann, bevorzugt aber eben Südwestlagen, so lange die Kaltwasser-Anomalie im Nordatlantik bestehen bleibt.
Die Langfristprognose für den September findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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