So einfach wie es im Titel klingt, war es allerdings nicht. Was sich in der Prognose bereits abzeichnete, bewahrheitet sich nun in der Analyse: Dieser Monat war ein schwieriger. Mit wilden Sprüngen, Streifschüssen an den Rändern des deutschen Sprachraums und regionalen Ausreissern ist der Oktober 2019 für ein gesamt-mitteleuropäisches Bild schwer zu fassen. Nur eines lässt sich verallgemeinern: Dieser Monat war überall wärmer als im langjährigen Mittel, im Alpenraum sogar deutlich. Dabei wurden vielerorts noch mehrere Sommertage registriert, und in Graz (wo seit 125 Jahren gemessen wird) reichte es am 21. mit 27.2 °C gar für einen neuen Oktoberrekord. Diese Gegend war denn auch die trockenste Region – einmal mehr, muss man sagen, denn seit Anfang des Jahres fehlt im Süden der Steiermark immer noch ein Drittel des Gesamtniederschlags und 2019 könnte dort – wenn nicht in den letzten beiden Monaten noch kräftig nachgewässert wird, eines der trockensten Jahre überhaupt werden.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Oktober, erstellt am 30. September, lautete wie folgt:
Wenn das Langfristmodell auch noch einen Tag vor Beginn des neuen Monats in seinen letzten 40 Läufen für grosse Teile Europas eine Übereinstimmung von unter 30 % ausweist, dann sollte man sich gleich mit Grausen abwenden und gar nicht erst versuchen, aus dem wilden Mix an dargebotenen Szenarien eines heraussuchen zu wollen, das einem irgendwie vertrauenswürdig erscheint. Somit könnte man diesen Beitrag an dieser Stelle beenden, denn wenn man ehrlich ist muss man sagen: Keine Ahnung, wie dieser Oktober verlaufen wird. Es gibt nicht mal einen Ansatz von Trend, denn ab Tag 7 beträgt die Streuung z.B. für den Gitterpunkt Bern bereits 12 Grad, und ab Tag 10 bricht das völlige Chaos aus. Von Spätsommer bis Wintereinbruch ist alles enthalten, was die Phantasie eines Wettermodells im Oktober hergeben kann. Und so bleibt einem nichts übrig als sich einen Lauf herauszupicken, der zumindest die relativ sichere erste Woche noch irgendwie im Monatsmittel abbildet.
Die Zirkulationsform ist überwiegend zonal geprägt, in der Höhendruckkarte zeigt sich eine negative Anomalie von Neufundland bis zu den Britischen Inseln und in abgeschwächter Form weiter bis nach Nordwestrussland, während die gesamte Arktis eine Hochdruckanomalie aufweist. Ungstört soll die Westzirkulation allerdings nicht sein, denn auch vom westlichen Mittelmeer bis Tunesien wird unterdurchschnittlicher Druck gerechnet, was auf einige abtropfende Tiefs hinweist. Zwei Hochdruckzonen bilden sich je zwischen Azoren und Portugal sowie in der Schwarzmeerregion ab. Dominierende Grosswetterlagen sind in einem solchen Fall West, Trog Westeuropa (in den Alpen Südföhn verursachend), Trog Mitteleuropa mit Kaltluftausbrüchen in Richtung westliches oder zentrales Mittelmeer sowie die Brücke Mitteleuropa, die sich nach einem Abtropfprozess eines Tiefs im Mittelmeerraum einstellt. Das verspricht einen sehr wechselhaften Oktober mit sowohl deutlich zu warmen wie zu kühlen und vor allem auch nassen Phasen. Wie es da noch Platz haben soll für ein typisch herbstliches und stabiles Hoch, fragt man sich angesichts dieses Potpourris zu Recht.
Wie bereits im September zeigt die Temperaturanomaliekarte viel Kälte, die wahrscheinlich in diesem Ausmass auch diesmal nicht eintreffen wird. Am ehesten gesichert ist der kalte Nordosten, möglicherweise auch ein etwas unterkühltes Westeuropa, aber wohl kaum mit Abweichungen bis -3 Grad wie in der Karte über den Pyrenäen gezeigt. Deutlich zu warm wird nur die hochdruckbestimmte Schwarzmeerregion gerechnet. In Mitteleuropa soll entsprechend wohl ein ziemlich durchschnittlich temperierter Monat rausspringen, wobei es nach Osten tendenziell in die positive, im Westen in Richtung negative Abweichung geht.
Viel Westwind mit starken Temperatursprüngen bringen Mitteleuropa auch reichliche Niederschläge, die sich insbesondere an den Gebirgen ausgeprägt zeigen. Sehr nass wird es auch im Mittelmeerraum mit den abgetropften Tiefs. Ob der Schwerpunkt des Niederschlags dann tatsächlich wie in der Karte gezeigt westlich Italiens liegt oder doch eher in der Adria- und Balkanregion, wird sich zeigen müssen. Auch Schweden soll reichlich nass werden. Der blaue Streifen, der sich auf dem Atlantik westlich der Azoren von Südwest nach Nordost erstreckt, bildet die Spur des eingangs erwähnten Hurrikans “Lorenzo” ab.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Mit dem Zentrum des Hochdrucks über Südosteuropa und der über Nordeuropa verlaufenden Tiefdruckrinne wurde das grossräumige Zirkulationsmuster einigermassen richtig erkannt. Allerdings lag die stärkste Tiefdruckaktivität statt im Raum Britische Inseln bis Nordsee weiter östlich über Skandinavien und Nordwestrussland. Das Azorenhoch kam ebenfalls östlicher zu liegen und verhinderte so die erwarteten häufigen Austrogungen ins westliche bis zentrale Mittelmeer. Es gab deren nur zwei, nämlich um den 7. und um den 24. Oktober, wobei den abgetropften Tiefs nur ein kurzes Leben gegönnt war. Auffällig ist der hohe Druck über Grönland/Island, was eine für die Jahreszeit frühe Südverlagerung der atlantischen Tiefdruckgebiete zur Folge hatte, die durch das blockierende Hoch über Osteuropa nach Skandinavien gelenkt wurden. Entsprechend war die überwiegende Strömung West bis Südwest mit warmen, aber häufig auch sehr feuchten Luftmassen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Typisch für den Herbst, wenn die Meere noch warm und die Kontinente noch nicht ausgekühlt sind, ist die nahezu perfekte Deckung der warmen Gebiete mit dem Hochdruck und der kalten Gebiete mit dem Tiefdruck. Entsprechend findet man die wärmsten Luftmassen über Südost- und die kältesten über Nordosteuropa, was die Prognose übrigens nahezu perfekt getroffen hatte. Wie erwartet weniger gut war die Prognose in der Westhälfte Europas: Die gerechneten flächigen negativen Anomalien fielen weitaus kleiner bzw. milder aus – gut, dass wir diesem Modell-Bias mittlerweile auf die Schliche gekommen sind! Beeindruckend ist auch der durch die häufigen Südwestlagen verursachte Temperatugradient, der quer durch Mitteleuropa verläuft – ein Resultat der stabilen Instabilität. Mit einer solchen ist auch im November zu rechnen, halten sich doch die im Oktober eingefahrenen Zirkulationsmuster in der Regel recht hartnäckig.
Am Boden unterscheidet sich das Muster im Oktober nur wenig von jenem in 1500 m Höhe:
Das Hauptaugenmerk darf auf die kalte Fläche im Atlantik gerichtet werden, ist sie doch oft ein Fingerzeig, wie sich die Verhältnisse in Richtung Winter entwickeln könnten. Dieses Muster ist typisch für milde Winter mit häufigen Südwestlagen, ganz so extrem ausgeprägt wie Ende 2015 ist es allerdings (noch) nicht.
In Europa ist die Auswirkung der von Südwest nach Nordost gerichteten Tiefdruckrinne erwartungsgemäss gut in den Niederschlagssignalen zu erkennen. Westeuropa war teils deutlich zu nass, während Südosteuropa weitgehend trocken blieb. Die Grenze verläuft genau durch Mitteleuropa, wie die detaillierten Karten der Landeswetterdienste zeigen: (Schweiz, Deutschland, Österreich). Auffällig sind auch die starken Niederschlagssignale über dem Atlantik, welche auf die starke Hurrikan-Saison mit aussergewöhnlichen Zugbahnen und östlichen Entstehungsgebieten zurückzuführen sind.
Die Dominanz von West- und Südwestlagen ist augenfällig, vereinnahmten diese Grosswettertypen doch zwei Drittel des Monats. Ausgeblieben sind in diesem Herbst aufgrund der aussergewöhnlich südlich verlaufenden Frontalzone die stabilen Hochdrucklagen, welche sonst eine goldene Oktoberphase zumindest über eine Woche hinweg garantieren. So blieben solch goldene Tage in den West- und Zentralalpen rar gesät und waren mehr das Ergebnis von Südföhn- als von Hochdrucklagen. Einen guten Kompromiss stellt das Resultat von je hälftig trockenen und feuchten Tagen dar: Im Osten waren die trockenen Tage deutlich in der Überzahl, im Westen waren es die feuchten Tage. Das Diagramm repräsentiert daher wie so oft am besten die Mitte, also etwa den Raum Tirol-München-Salzburg. Das Verhältnis von 15:4 von warmen zu kalten Tagen muss man nicht mehr kommentieren, ist es doch mittlerweile ein gewohntes Bild…
Die Langfristprognose für den November findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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