Durchschnittlicher hätte ein Monat in Mitteleuropa gar nicht ausfallen können: Über die gesamte Fläche gesehen sind die Abweichungen von Mitteltemperatur, Sonnenscheindauer und Niederschlag von den langjährigen Mitteln nur gering. Lokale Abweichungen gibt es selbstverständlich immer, denn auch im September sind häufig noch konvektive Niederschläge mit im Spiel, die nicht für eine flächig gleichmässige Verteilung sorgen. Allerdings wies der September durchaus kühle und sehr warme wie auch trüb-nasse und sonnig-trocken Phasen auf, die sich unter dem Strich in etwa die Waage hielten. Grob kann man den Monat in drei Phasen unterteilen: Weitgehend nasses und kühles erstes Drittel, Altweibersommer in der Mitte und mit Umstellung auf Westlage ein unbeständiges bis nasses, wenn auch vor allem durch milde Nächte überdurchschnittlich temperiertes letztes Drittel, in das im Alpenraum föhnbedingt auch einzelne sehr warme Tage eingebettet waren. Von irgendwelchen Rekorden war man in diesem Monat allerdings recht weit entfernt, was wiederum für seine “Normalität” spricht.

Sonnige und spätsommerlich warme Tage hab es nicht wenige (Lenzerheide, Graubünden, 04.09.2019, hier allerdings mit einem recht frischen Nordwind)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den September, erstellt am 31. August lautete wie folgt:
Die Mehrheit der Modellläufe sieht ganz im Sinne der langjährigen Statistik einen Trend zunehmend meridionaler Zirkulation, wobei dies im aktuellen Fall bedeutet, dass sich über dem Nordatlantik ein blockierendes, nach Norden verschobenes Azorenhoch einnistet und die Westwindzirkulation über weite Strecken abwürgt. Ein weiteres Hoch soll sich über Russland etablieren, folglich bleibt Europa dazwischen nur Tiefdruckeinfluss. Dessen Zentrum soll sich häufig über dem Nordmeer und der Nordsee aufhalten und zu Austrogungen über Mitteleuropa neigen. Dominierende Wetterlagen werden somit Nordwest bis Nord, Trog Mitteleuropa und möglicherweise sogar Tief Mitteleuropa sein.
Unter solchen Umständen kann ein Monat, vor allem wenn diese Zirkulationsform bereits in der eigentlich wärmeren Monatshälfte beginnt, nur eine negative Abweichung aufweisen. Stellt sich nur noch die Frage des Betrages, abhängig von der Dauer dieser nördlichen Anströmung und ob sich gegen Ende des Monats noch der statistisch ebenfalls häufig auftretende Altweibersommer durchsetzen kann und die Gesamtbilanz etwas abmildert. Wir haben uns mal für einen solchen Lauf entschieden, es muss ja nicht gleich die extremste Rechnung mit Abweichungen von bis zu -5 Grad zur langjährigen Norm eintreffen… Wie man der Karte entnehmen kann, ist die Grenze zur warmen, vom Hochdruck beeinflussten Zone im Osten nicht allzu weit entfernt, doch auch hier gibt es unterschiedliche Rechnungen. Wir haben uns für den Mittelweg entschieden.
Häufiger Tiefdruckeinfluss mit Wind aus nordwestlicher bis nördlicher Richtung soll auch für reichlich Niederschlag sorgen. Für die Vegetation kommt dieser zwar zu spät, doch ausgetrocknete Gewässer und tiefe Grundwasserspiegel zum Auffüllen hat es vor allem im nördlichen und östlichen Mitteleuropa genug. Für Sonnenanbeter bleibt da wenig Hoffnung, denen bleibt nur die Flucht nach Portugal, Südspanien oder Griechenland. Wenn sich die Tiefs nicht gerade direkt über uns einnisten, können die Windfesten unter uns aber auch auf der Alpensüdseite einige sonnige Tage unter Nordföhneinfluss geniessen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Das grossräumige Zirkulationsmuster mit weitgehend meridionaler Ausrichtung wurde grundsätzlich nicht schlecht getroffen. Allerdings sind die für Mitteleuropa massgeblichen Druckanomalien in der Analyse allesamt etwas nach Osten bzw. Nordosten verschoben. Der Schwerpunkt des Tiefdrucks lag statt erwartet über der Nordsee und Mitteleuropa hauptsächlich über Skandinavien. Das Azorenhoch kam näher am Kontinent zu liegen und – für uns am relevantesten: Über dem zentralen Mittelmeerraum war ein zweiter Hochdruckkern aktiv, die befürchtete Austrogung war weniger persistent und zeigt sich einzig in einer kleinen Tiefdruckanomalie über der Strasse von Gibraltar, dort allerdings mit verheerenden Auswirkungen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Wie schon häufiger in den letzten Monaten bekundete das Modell grosse Mühe und sah negative Anomalien auf grösseren Flächen, die so nicht auftraten. So wurde die negative Anomalie auf dem Atlantik gar ins Gegenteil verkehrt, und die Kälte über Osteuropa war weitaus weniger ausgeprägt als prognostiziert. Man muss sich allmählich fragen, worin der Ursprung dieser permanent zu kalten Prognosen liegt, denn so grundsätzlich falsch waren ja die Druckverteilungen (siehe oben) nicht gerechnet. Unsere Vermutung, dass das Modell mit der fortschreitenden Klimaerwärmung nicht zurecht kommt, erhärtet sich mehr und mehr.
Die Unterschiede am Boden gegenüber der freien Atmosphäre sind im ausgeglichenen September erwartungsgemäss eher klein:
Hier zeigt sich die “Normalität” des Monats in Mitteleuropa deutlich. Sehr warm war der September hingegen in Südeuropa unter nahezu permanentem Hochdruckeinfluss, hier herrschten noch weitgehend hochsommerliche Verhältnisse. Rekordverdächtig warm war es in der Nordhälfte Grönlands, Schnee und Eis mussten hier noch mal arg Federn lassen. Deutlich negative Abweichungen von der langjährigen Norm 1981-2010 sucht man hingegen vergeblich, was bei diesem Zirkulationsmuster zu denken geben sollte: Wenn im Frühherbst aus nord- nordwestlicher Richtung keine Kaltluft mehr nach Europa findet, woher dann sonst?
Wie bereits im August war es auch im September in Nordeuropa und im Baltikum sehr nass. In Mitteleuropa hingegen blieben die reichlichen Niederschläge aus der Prognose weitgehend aus. Immerhin war es nur noch regional zu trocken, wie die detaillierten Karten der Landeswetterdienste zeigen: (Schweiz, Deutschland, Österreich). Um die seit letztem Jahr aufgelaufenen Defizite in tieferen Bodenschichten und in vielen Gewässern auszugleichen, reichten auch durchschnittliche Niederschlagsmengen allerdings nicht aus. Auffällig ist das nasse Gebiet in Südostspanien, das auf das bereits erwähnte Tiefdruckgebiet zurückzuführen ist, das zur Monatsmitte relativ ortsfest verharrte und diesen normalerweise im September noch trockenen Regionen 200-300 mm Niederschlag innerhalb weniger Tage bescherte. Mancherorts wie z.B. in Murcia sind 300 mm die durchschnittliche Jahresmenge! Die daraus folgenden Überflutungen waren denn auch in unseren Nachrichten präsent.
Die eingangs erwähnte Dreiteilung des Monats widerspiegelt sich bei den Grosswettertypen: Ein Drittel des Monats war von Nordwest- bis Nordlagen (Trog Mitteleuropa) geprägt, ein Drittel nahm die Grosswetterlage “Brücke Mitteleuropa” ein, die dem GWT Hoch zugehörig ist, und in der letzten Septemberwoche setzte sich eine Westlage durch. Die Ausgeglichenheit zeigt sich auch beim fast hälftigen Verhältnis von trockenen zu nassen Tagen sowie in den 6 kühlen und 8 warmen Tagen, während 16 Tage normal temperiert waren.
Die Langfristprognose für den Oktober findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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