Der November 2020 war in Mitteleuropa vor allem von einem geprägt: Hochdruckwetter und Temperaturumkehr (Inversion). Während die Abweichung zur Klimanorm 1981-2010 in den Niederungen um +1 Grad herumpendelt, beträgt sie in höheren Lagen etwa +3 Grad, im Hochgebirge sogar bis zu +5 Grad. Im Schnitt war dieser November im Gebirge der drittwärmste seit Beginn der modernen Aufzeichnungen, an einzelnen Messstationen mit langer Messreihe (z.B. Grächen im Wallis und Jungfraujoch) war es sogar der wärmste. Absolut neue Temperaturrekorde wurden aber auch abseits der Föhngebiete in den Niederungen gemessen, nämlich mit zügigem Südwestwind am 2. November auf der Alpennordseite und am 3. November mit Westföhneffekten im Süden und Osten Österreichs. Entsprechend war der November überall deutlich zu trocken und mit Ausnahme einiger Nebellöcher wie dem Klagenfurter Becken, der Donauregion sowie im Nordosten Deutschlands sonniger als normal.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den November, erstellt am 31. Oktober, lautete wie folgt:
Nach dem über weite Strecken tiefdruckbestimmten Oktober hat sich in den letzten Tagen eine allmähliche Umstellung angedeutet, die sich in der Kurzfrist weiter manifestieren soll. Der Atlantik schläft allmählich ein und über Europa stellt sich immer häufiger Hochdruck ein – was nun allerdings nicht bedeuten muss, dass dieser permanent anhält. Aber wesentlich ruhiger und trockener als im Vormonat wird die Witterung zumindest in der ersten Monatshälfte und im Alpenraum schon. Je weiter nördlich, umso häufiger ist der Einfluss atlantischer Luftmassen, die den Weg über Skandinavien suchen.
Wir haben uns aus dem reichhaltigen Menü des Langfristmodells (bedeutet: die zweite Monatshälfte wird unsicher!) einen Lauf ausgesucht, der eine deutliche und umfangreiche Hochdruckanomalie über dem zentralen Nordatlantik berechnet, die bis nach Mittel- und Südeuropa reicht. Gegenpart spielt eine gemässigte Tiefdruckanomalie über dem Nordmeer und Skandinavien. Die Westwinddrift zielt somit von Island über Norwegen nach Nordrussland und tangiert den Alpenraum nur noch selten. Weitere, eher schwache Tiefdruckanomalien werden im östlichen Mittelmeerraum und über den Kanaren gerechnet. Der Grosswetterlagenmix wird also ziemlich das Gegenteil von jenem im Oktober sein: Häufige Hochs oder zumindest Hochdruckbrücken über Mitteleuropa, aber auch Nord- bis Ostlagen werden wieder mehr zum Thema. Büxt doch mal ein Tief über östlichen Atlantik nach Süden aus (eine Schwächezone in der gerechneten Hochdruckbrücke deutet das an), stellt sich in den Alpen eine jahreszeittypische Südföhnlage ein – diese dürften aber weitaus weniger dominant auftreten als in den Novembern der letzten Jahre.
Temperaturmässig wird fast ganz Europa deutlich über dem langjährigen Schnitt liegen, am ausgeprägtesten Nordosteuropa. Hier macht sich die rekordtiefe Eisbedeckung der europäisch-asiatischen Arktis bemerkbar, während Nordamerika und Grönland stärker auskühlen – ein Muster, das sich in den letzten Jahren immer stärker ausgeprägt zeigt und wohl wieder wegweisend für den Winter werden dürfte – doch dazu bei anderer Gelegenheit mehr.
Weite Teile Mitteleuropas und vor allem der Alpenraum und die Alpensüdseite dürfen oder – je nach Sichtweise – müssen mit einem recht trockenen November rechnen. Wie das Modell anhand der Druckverteilung auf die leicht zu nassen Gebiete in Frankreich und im östlichen Mitteleuropa kommt, ist ein Rätsel. Hingegen erscheint das zu nasse Skandinavien logisch, allerdings müsste man eine stärkere Akzentuierung des Niederschlags auf die Westküste Norwegens erwarten – da es dort aber sowieso immer schüttet bzw. in höheren Lagen schneit, ist die Abweichung zur langjährigen Norm wohl nicht so ausgeprägt. Die Rechnungen des Modells lassen Unwetter im Nahen Osten und auf den Kanarischen Inseln erwarten.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Sehr gut getroffen wurde die weit nach Norden verschobene Westwindzone. Das Hochdruckzentrum über Mitteleuropa war zu schwach prognostiziert (der Hochdruck hielt eben doch mehr oder weniger den ganzen Monat durch), und der Tiefdruck beherrschte den ganzen Norden, nicht nur Skandinavien. Das Muster zeigt lehrbuchhaft, dass eine positive Nordatlantische Oszillation (NAO+, Tiefdruck über Island und Hochdruck über den Azoren) nicht zwingend auch Westwindwetter in Mitteleuropa bedeuten muss. Interessant ist auch der Umstand, dass die Prognose die relativ geringen negativen Druckabweichungen bei den Kanaren und im Nahen Osten sehr gut erkannt hat. Insgesamt also eine sehr gute, wenn auch nicht perfekte Prognose.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Über die deutlich zu warme Arktis und das überwärmte Nordosteuropa konnte es keine Zweifel geben, ebenso wenig über den zu kalten Nordatlantik. Sogar die Kälte in der Nordtürkei wurde perfekt prognostiziert. Auch auf dem europäischen Festland war die Prognose weitgehend stimmig, einzig das vom Dauernebel geprägte Flachland Osteuropas fiel ein wenig kälter aus als erwartet. Hier sieht man schön, was Dauerhochdruck im Winterhalbjahr aufgrund der negativen Strahlungsbilanz anrichtet. Kein Luftaustausch = permanente Auskühlung auch ohne Schneedecke.
Die nassen Flecken der Prognose in Frankreich und Osteuropa wurden von uns zu Recht angezweifelt, der breite Streifen quer durch Europa war fast durchgehend zu trocken, während das nasse Skandinavien gut prognosziert wurde. Die Kanaren-Region war wie erwartet zu nass, unwetterartige Regenfälle verfehlten aber die Inseln. Dasselbe gilt für die Küstengebiete im Nahen Osten – das war knapp. Die Abweichungen des Niederschlags in Mitteleuropa im Detail: (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Genau die Hälfte des Monats war deutlich zu warm, nur ein einziger Tag unterschritt das zu erwartende Mittel signifikant und nur sechs Tage konnten als feucht klassifiziert werden, wobei dies nicht alle Regionen gleichzeitig betraf. Wie erwartet waren antizyklonale Lagen dominant, die meisten davon aus dem Südwest-Sektor, aber auch die drei Tage des GWT Ost gehen auf das Konto von Südost antizyklonal. Etwas speziell sind gleich drei Tage innerhalb eines Monats, die keiner Grosswetterlage zugeordnet werden können. Dies geschieht meist dann, wenn sich die grossräumige Zirkulation (wie Ende November) markant umstellt und die Übergangstage nicht ausreichen, um eine eigene GWL zu bilden, die nach Definition mindestens drei Tage andauern muss. Der einzelne Tag des GWT Nord war dann auch der letzte des Monats, die fehlenden zwei Tage werden erst in der Dezember-Statistik auftauchen.
Zum Schluss möchten wir noch alle Nebelgeplagten mit ein paar Bildern verwöhnen, die in dieser aussergewöhnlichen zweiten Herbsthälfte gesammelt wurden (Klick ins Bild öffnet die Bildergalerie):
Die Langfristprognose für den Dezember findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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