Die Wundertüte Februar wurde ihrem Ruf wieder einmal mehr als gerecht. Wer erinnert sich noch an den Februar letzten Jahres, als stürmische Westlagen fast den gesamten Monat dominierten? Heuer das genaue Gegenteil: Luftmassen aus der Arktis und aus der Sahara sorgten für die markanten Wetterereignisse dieses Monats. Zwar nahmen Westlagen immerhin ein Drittel des Monats ein, es waren aber “Murks-Westlagen”, südliche Westlage und Winkelwest, wo die milden atlantischen Luftmassen (vorerst) vergeblich gegen die polaren Luftmassen im Norden und Osten ankämpfen. Erst die Südwestlage im letzten Monatsdrittel sorgte dann für klare Verhältnisse und schickte den Winter endgültig zurück nach Russland. Dabei kam es ganz dicke: In Göttingen wurde der extremste Temperaturanstieg festgestellt, der jemals innerhalb einer Woche in Deutschland gemessen wurde: 41.9 Grad beträgt die Differenz zwischen der Tiefsttemperatur am 14. und der Höchsttemperatur am 21. Februar. Und in den Alpen gehört der Februar 2021 zu den fünf wärmsten der Messgeschichte, an manch föhnigen Standorten wurde sogar der Rekord aus dem Vorjahr eingestellt.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Februar, erstellt am 31. Januar, lautete wie folgt:
Der von uns bevorzugte Modelllauf zeigt eine bananenförmige Tiefdruckanomalie von den Azoren bis nach Mitteleuropa mit der stärksten negativen Abweichung über Irland. Dem gegenüber steht normaler Luftdruck im Mittelmeerraum und eine stark ausgeprägte positive Anomalie über ganz Nordeuropa. Die Polarfront und die durchschnittliche Zugbahn der Tiefs liegt auf einer Linie von Irland über Norddeutschland nach Weissrussland. Die bananenförmige Krümmung des Tiefdruckeinflusses zeigt einerseits ein starkes Gewicht von Westlagen, auf der anderen Seite eine Austrogungstendenz bei den Azoren, was bei uns Südwestlagen zur Folge hat. Etwas seltener sind in dieser Konstellation Nordwestlagen zu erwarten und Tiefs über Mitteleuropa. Hochdrucklagen haben einen schweren Stand, ebenso Nord- und Ostlagen.
Durch den neu gerechneten Einfluss milder Luftmassen aus Südwest wird die Luftmassengrenze allmählich nach Norden verschoben. Im Schnitt sollte die Linie normaler durchschnittlicher Monatstemperaturen zonal durch die Nord- und Ostsee verlaufen. Alles nördlich davon wird einen zu kalten Februar erleben mit den stärksten Abweichungen in Mittelschweden, alles südlich einen zu milden Monat mit den höchsten Abweichungen in Südosteuropa. Trifft diese Variante ein, dürfte der Alpenraum bei etwa +2 Grad Abweichung zur Norm 1981-2010 zu liegen kommen, Norddeutschland bei etwa +0.5 Grad.
Nach dem Januar dürfte auch der Februar in den meisten Regionen Mitteleuropas zu nass werden, noch nasser soll es allerdings in Westeuropa sowie an der Nord- und Ostsee werden. Im Hochgebirge ist mit weiteren massiven Neuschneezuwächsen zu rechnen, in den tiefen Lagen des Alpenvorlands kann sich Schnee jeweils nur kurz halten, weil er bald darauf wieder vom Regen weggespült wird. Der mittlere und nördliche Teil Skandinaviens sowie Island und die Ostküste Grönlands befinden sich meist unter östlicher Anströmung und somit in trockenen Luftmassen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Schwierig. Das grobe Muster wurde zwar erkannt, aber die Konzentration des Tiefdrucks permanent auf den zentralen Nordatlantik hat die Prognosequalität für den europäischen Kontinent reduziert, der viel stärker unter Hochdruckeinfluss geriet. Wie wir noch sehen werden, hatte der deutlich geringere Hochdruckeinfluss über Grönland markante Auswirkungen auf die dortigen Temperaturen, denn anstelle von Nordostwind war hauptsächlich Südostwind auf Island und Grönland gerichtet. Auch in Mitteleuropa war die Südkomponente durch das westlicher positionierte Tief stärker ausgeprägt als erwartet.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur am Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Ein regelrechtes Desaster war die Temperaturprognose für den Hohen Norden als Folge des permanenten Warmlufttransports durch das Tief über dem zentralen Nordatlantik. Dadurch wurde auch die prognostizierte Kälte für Skandinavien nach Osten abgedrängt. Die Luftmassengrenze über Mitteleuropa verlief nicht stabil wie prognostiziert in zonaler West-Ost-Ausrichtung, sondern nahm ab Monatsmitte einen deutlichen Gradienten von Nordost nach Südwest ein. Dennoch kann man für Mitteleuropa von einer gelungenen Temperaturprognose sprechen: Wie erwartet gab es durch die pendelnde Luftmassengrenze extreme Temperaturunterschiede sowohl in zeitlicher wie räumlicher Aufösung, wobei die Kältewelle umso kürzer und zahmer verlief, je weiter sie nach Südwesten vorankam. Dabei war eigentlich alles für eine Rekord-Kältewelle angerichtet, gescheitert ist sie am zu kleinen Kaltluftreservoir in der Arktis: Ein Umstand, auf den wir bereits bei der Winterprognose Ende November hingewiesen hatten.
Wie erwartet wurde der Februar in Westeuropa deutlich zu nass, nicht aber an Nord- und Ostsee, wo der Tiefdruckeinfluss dafür fehlte. Mitteleuropa sieht auf obiger Karte ziemlich “normal” aus – um die starken regionalen Unterschiede zu erkennen, lohnt sich aber wie so oft die Konsultation der weitaus besser aufgelösten Karten der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland. Kurzum: An Nord- und Ostsee sowie in den oft föhnigen Alpen war es deutlich zu trocken, hingegen war es in der Mitte Deutschlands sehr nass, weil dort die Luftmassengrenze in der ersten Monatshälfte recht stationär für viel Niederschlag und teils rekordverdächtige Schneefälle sorgte.
Die erwartete Dominanz von West- und Südwestlagen traf ein, während die übrigen Grosswettertypen ebenfalls wie prognostiziert einen schweren Stand hatten. Sie nehmen zwar insgesamt etwas mehr als ein Drittel des Monats ein, waren aber für sich alleine immer nur kurz und konnten gerade knapp die Mindestanforderung der Dauer von drei Tagen erfüllen. In den Südwestlagen sind auch drei Tage enthalten, die man zusätzlich zum GWT Süd hätte zuordnen können: Vom 21. bis 23. herrschte streng genommen eine antizyklonale Südlage (die übrigens eine weitere Ladung Saharastaub über die Alpen führte), dann allerdings wären davor und danach je zwei Tage Südwestlage übrig geblieben, was für sich alleine nicht für die Definition der Grosswetterlage ausreicht. Und so wurde die Südlage ganz pragmatisch von der Südwestlage “geschluckt”. Dieses Beispiel zeigt: Bei Grosswetterlagen-Klassifikationen sind aufgrund dieser Dreitage-Regel nicht selten (schlechte) Kompromisse nötig. Obwohl die Kältewelle die Wetterschlagzeilen in den Medien dominierte, war sie im südlichen Mitteleuropa doch eher ein Kältewellchen, die vier zu kalten Tage nehmen sich gegenüber den 18 zu warmen geradezu mickrig aus. Unterstrichen wird dieser Extrem-Monat durch die Tatsache, dass gerade mal sechs Tage als “normal” gelten können. Würde man das Diagramm allerdings für Norddeutschland erstellen, sähe die Sache wieder komplett anders aus.
Eine Analyse zum Gesamtwinter folgt separat, hat doch die spezielle Konstellation dieses Winters mehr als nur eine Randnotiz in diesem Blog verdient.
Die Langfristprognose für den März findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.
Microwave am 4. März 2021 um 14:02 Uhr
“gescheitert ist sie am zu kleinen Kaltluftreservoir in der Arktis”
Hahaha. Diesen Satz konnte man vor 20 Jahren auch noch nicht unbedingt lesen 🙂 .
Nicht schön, aber ja, Kältewellen waren einmal.
Was ich auch nicht verstehe ist die geradezu Umkehrung von der Temperaturprognose zum Resultat.
Warum berechnen die Modelle die Arktis nicht endlich mal auch zu warm?
Das ist ja so eine gewaltige Abweichung, begreift das niemand dass man da mal neu parametrieren müsste?
Grüsse – Microwave