Besonders Pollenallergiker werden es in den letzten Tagen gemerkt haben: Aufgrund der seit Wochen ausbleibenden Niederschläge ist die Belastung besonders hoch. Aber auch weniger empfindliche Menschen stellen überall – und sei es nur auf ihren Balkonen – eine auffällig gelbe Staubschicht fest. Der permanente trockene Wind bläst die Pollen überall hin, aber auch sonstiger Feinstaub wird nicht mehr aus der Luft gewaschen und setzt sich überall ab. Heute kommt noch ein weiterer Staublieferant hinzu: Die Sahara. Wie häufig im April holt nämlich ein Mittelmeertief weit im Süden Luft und verfrachtet sie bis nach Mitteleuropa.
Jeweils in den frühen Morgenstunden, wenn die Sonne noch flach auf die Wolken scheint und sich deren Oberfläche besonders plastisch darstellt, kann man Saharastaub in grosser Höhe “von blossem Auge” detektieren. Es handelt sich hierbei um Warmfrontbewölkung, die typischerweise aus Eiskristallwolken besteht, je nach Jahreszeit in einer Höhe zwischen 7000 und 10000 Metern. Normalerweise stellt sich eine solche Oberfläche glatt dar, man nennt sie daher auch Schleierwolken. Ist die Luft jedoch durch Saharastaub angereichert, fördern die Staubpartikel die nächtliche langwellige Ausstrahlung an der Wolkenoberfläche. Das hat damit zu tun, dass Staub eine andere Struktur aufweist als reine Eiskristalle oder Wassertröpfchen. Ähnliche Unterschiede findet man übrigens auch am Boden: So kann es sein, dass man am Morgen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf der Autoscheibe Eis kratzen muss, während das Gras nebenan taunass ist. Kühlt die Wolkenoberfläche ab, entstehen dadurch kleinräumige Labilitäten. Oben wird es kälter, unten ist die Luftmasse vergleichsweise warm, dadurch beginnt die sonst waagrecht fliessende Luft sich auch vertikal zu bewegen; es bilden sich ähnliche Strukturen wie in einer Quellwolke. Aus dem glatten Cirrostratus wird über Nacht eine Wolkenschicht, die an grob gemusterten Altocumulus stratiformis erinnert. Im Gegensatz zu Altocumuli, die zu einem grossen Teil aus unterkühlten Wassertröpfchen und nur wenigen bis gar keinen Eiskristallen bestehen, handelt es sich beim gezeigten Wolkenteppich aber nach wie vor um reine Eiskristallwolken.
Die Modellierung der Universität Athen zeigt denn auch die Zufuhr von Saharastaub in höheren Luftschichten:
Da Saharastaub der feuchten Luft in der Höhe zusätzliche Kondensationskeime liefert, wird die Wolkenbildung gefördert. Aus dünnen Eiskristallwolken kann rasch ein dichter Altostratus entstehen, der die Sonne nicht mehr durchlässt. So sah denn auch das Wolkenbild auf der Alpennordseite und inneralpin heute Morgen vielerorts aus:

Bildquelle und zeitlicher Verlauf: https://www.foto-webcam.eu/webcam/innsbruck-uni/2020/04/21/0840
Die Wettermodelle haben diesen Prozess nach wie vor nicht im Griff, sodass viele Meteorologen bei jeder solchen Wetterlage immer wieder “überrascht” werden. So mussten auch heute wieder einige zugeben, dass die Wolken heute morgen dichter sind als am Vortag prognostiziert. Aufgrund des seit Jahren belegten, oben beschriebenen Prozesses kann man diesbezüglich nur von einer markanten Lernresistenz sprechen. Es ist eine Folge der zunehmenden Modellgläubigkeit einer Zunft, in welcher die Vollblutsynoptiker (Synoptik = Gesamtschau, also möglichst Einbezug aller möglicher Faktoren bei der Wetterprognose) zusehends am Aussterben begriffen sind. Die allgemeine VerAPPelung der Menschheit fördert diesen Prozess leider noch weiter.
Alljährlich besonders im April, daher auch nicht selten über die Ostertage (z.B. 2019) tritt dieses Phänomen auf und sorgt nicht selten für geharnischte Reaktionen der Wetterprognose-Konsumenten. Nicht ganz zufällig, denn gerade im Frühling treten meridionale Lagen im Jahresverlauf statistisch am häufigsten auf. Dabei bricht die Westwindzirkulation in den gemässigten nördlichen Breiten weitgehend zusammen und es findet ein reger Austausch der Luftmassen zwischen Nord und Süd statt. Dabei bilden sich gerne diese Mittelmeetiefs, welche die riesige Staubquelle in Nordafrika anzapfen. Man kann also risikolos viel Geld darauf verwetten, dass auch im nächsten und übernächsten und überübernächsten… Jahr so manch angekündigter sonnige Tag dicht verschleiert beginnt.
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