Nur wenig hat gefehlt, und der April 2020 wäre in der Schweiz der wärmste seit Beginn der modernen Wetteraufzeichungen geworden. Verhindert hat das in erster Linie der kalte Start mit den Frostnächten. Rekorde gab es hingegen beim Sonnenschein, wobei auch hier – wie auch bei der Temperatur – regional der April 2007 oder jener von 2011 die Nase vorne behielt. Weit vom Rekord entfernt, trotz der seit Mitte März herrschenden Trockenheit, ist der April 2020 bezüglich Niederschlag, denn die letzten drei Tage schenkten insbesondere im nördlichen Alpenvorland ordentlich ein, sodass doch noch verbreitet etwa ein Drittel bis zur Hälfte des üblichen Regens fiel. Unbestritten bleibt, dass die Häufung der frühsommerlich anmutenden Aprilmonate in letzter Zeit (2007, 2009, 2011, 2014, 2018 und jetzt eben 2020) auffällig ist. Der April läuft dem Mai in Sachen Wonnemonat zunehmend den Rang ab.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den April, erstellt am 31. März, lautete wie folgt:
Der Austausch der Luftmassen zwischen Polargebieten und Subtropen läuft bereits seit zwei Wochen ganz ordentlich, wobei wir mal in der warmen Süd-, mal in der kalten Nordströmung zu liegen kommen. Mit dieser Wechselhaftigkeit muss auch im April gerechnet werden, und bereits die erste Woche zeigt uns dies deutlich: Der Start ist kalt mit verbreiteten Frösten, die den Obstbäumen das Blühen auch dort austreibt, wo dies nicht bereits in den letzten Tagen geschehen ist. Doch bereits zum ersten Wochenende dreht die Lage komplett und es geht steil bergauf mit der Temperatur, um in der Karwoche im frühsommerlichen Bereich zu landen. Die Frage, die sich nun stellt: Wie lange dauert diese warme Phase an? Nach den aktuellsten Modellläufen wohl ziemlich lange (etwa zwei Wochen), denn die Karten zeigen einen deutlich zu warmen Monat in Mitteleuropa (während sie vor ein paar Tagen noch auf unterdurchschnittlich gepolt waren – so viel zur Verlässlichkeit derzeit). Verursacht wird diese Wärme zunächst durch ein Hoch über Osteuropa (Süd- bis Südwestlage), später soll der Hochdruck schwerpunktmässig über Mittel- oder Westeuropa zu liegen kommen, was eher wieder nördlichere Anströmung begünstigt. Eine weitere Spätfrostphase in der zweiten Aprilhälfte würde daher nicht völlig überraschen, zumal weiterhin Hochdruck dominieren soll und somit klare Nächte nicht ausbleiben. Die Karte mit den Druckabweichungen zeigt eine positive Anomalie von Grönland über die Britischen Inseln bis nach Osteuropa, während im äussersten Nordosten Europas sowie im Bereich der Azoren deutliche Tiefdruckanomalien gerechnet werden.
Die Mitteltemperatur des Gesamtmonats soll in West-, Mittel- und Nordeuropa etwa zwei Grad über der Klimanorm 1981-2010 zu liegen kommen, ein Klimaerwärmungszuschlag von einem weiteren halben bis ganzen Grad würde nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre allerdings auch nicht erstaunen (dies für den Fall, dass ein weiterer Kälteeinbruch ausbleibt). Eher unterdurchschnittlich wird es bei häufigem Nordwind am östlichen Rand Europas und im östlichen Mittelmeerraum sowie an den Küsten des Europäischen Nordmeers. Die warme Zunge in Schweden und Finnland dürfte bei dieser Anströmung durch Föhneffekte durch das Skandinavische Gebirge zustande kommen.
Das Gebirge verdeutlicht auch die Wetterscheide auf der Niederschlagskarte, wo die norwegische Küste deutlich überdurchschnittliche Niederschläge erwartet, während es im föhnigen Schweden häufig trocken bleibt. Trockenheit wird auch in weiten Teilen des Kontinents ein Thema, was bei Dauerhochdruck nicht weiter erstaunt. Dieser fehlt im Mittelmeerraum, daher werden dort durchschnittliche bis überdurchschnittliche Niederschlagsmengen erwartet, die aufgrund der durch Kaltluftvorstösse aus Norden herbeigeführten Labilität beim zunehmend hohen Sonnenstand bereits häufig in gewittriger Form zustande kommen werden. Kein verregneter Monat also auch dort, aber mit hohen Niederschlagsmengen in recht kurzer Zeit.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Dieses Beispiel ist gut dazu geeignet, dem April den Ruf als Prognostikerschreck zu nehmen. Nicht nur die Zirkulationsform wurde nahezu perfekt gerechnet, sogar Lage und Betrag der positiven Druckabweichung von Grönland bis Südosteuropa stimmten sehr genau. Über einen gesamten Monatszeitraum ist das eine hervorragende Leistung (wenn auch nur dieses einen Modelllaufs in einer vielfältigen Auswahl; den besten herauszupicken ist die Kunst der Meteorologen, die sich überhaupt an diese Disziplin wagen). Weniger gut getroffen wurde die Stärke der negativen Druckanomalie über dem zentralen Nordatlantik, schlussendlich war dies für die Witterung in Europa aber nicht von Belang.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur am Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch die Temperaturverteilung wurde in Europa sehr gut berechnet. In Westrussland wurde es (erstmals seit dem vergangenen Herbst) kälter als erwartet, ebenso im zentralen Nordatlantik, ansonsten kann man die Prognose als nahezu perfekt bezeichnen, insbesondere was den Schwerpunkt der Wärme in West- und Mitteleuropa betrifft. Man darf dabei nur nicht auf die vermeintliche lokale Genauigkeit der Prognosekarte hereinfallen – aus diesem Grund wechseln wir von Mai bis Oktober für die Prognose wieder auf die flächig ausgeglicheneren Temperaturkarten des 850 hPa-Niveaus, die im Sommerhalbjahr aussagekräftiger sind als im von Inversionen geprägten Winter.
Keine grossen Überraschungen auch beim Niederschlag:
Die nasse Zone Südwesteuropas kam den Alpen etwas näher als berechnet, dafür waren die letzten drei Tage des Monats verantwortlich. Insgesamt entspricht die Verteilung der Analyse aber weitgehend der Prognose. Ausgeblieben sind die ergiebigen Niederschläge in Norwegen, wo die Prognose doch ein deutliches Plus gezeigt hatte. Noch waren die lokalen Unterschiede, wie sie durch Gewitterregen im Sommerhalbjahr zustande kommen, nicht so stark ausgeprägt, dennoch wollen wir auf den Blick zu den Auswertungen der nationalen Wetterdienste nicht verzichten: (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Die Diskrepanz zwischen Grosswettertypen und ihren Auswirkungen auf die Witterung fällt anhand der Farbgebung einmal mehr auf: Obwohl während zwölf Tagen nördliche und nordwestliche Strömungen vorherrschten, resultierten nur zwei kalte Tage. Etwas anders würde es aussehen, wenn man für das Witterungsdiagramm nicht die Tagesmitteltemperatur, sondern die täglichen Tiefstwerte berücksichtigen würde: (Boden-)Frostnächte gab es nämlich etliche. Aufgrund der Hochdruckdominanz und des nahezu uneingeschränkten Sonnenscheins gab es jedoch einen ausgeprägten Tagesgang, sodass die frühsommerlichen Nachmittagstemperaturen die Bilanz massiv nach oben drückten.
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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