Ob es das schon mal gegeben hat? Der wärmste Tag des Monats war der 1. April, mancherorts sogar mit einem Sommertag – und dann kam fast nichts mehr ausser Kälte. Ätsch, April, April! Das schlechtestmögliche aller Frühlingsdrehbücher wurde Realität: In den Lagen unterhalb von etwa 600 m öffneten viele Obstbäume ihre Blüten, um wenige Tage später zu erfrieren. Im Schweizer Mittelland wurden je nach Lage 10 bis 17 Frosttage registriert, an mehreren Tagen fiel Schnee bis in die Niederungen. Ein paar wärmere Tage zum Ende des Monats bewirkten, dass hier nur der kälteste April seit 2001 verzeichnet wurde. Weiter nördlich wurde es der kälteste seit 1980, in einem Streifen von Nordrhein-Westfalen bis Sachsen-Anhalt seit 1977. Nachdem der April in den letzten Jahrzehnten von allen Monaten die stärkste Erwärmung erfuhr, hätte man dies kaum noch für möglich gehalten. Nur wenigen ist bewusst, dass bis in die 80er-Jahre ein April solchen Kalibers nichts Aussergewöhnliches war – es kam im Schnitt etwa alle fünf Jahre vor.

Ein schlechter Scherz: Am aussergewöhnlich warmen 1. April öffneten die Kirschbäume in den Tieflagen ihre Blüten – überlebt haben das die wenigsten
Eine Verifikation der Prognose wie in den letzten Jahren üblich ergibt wenig Sinn. Die Prognose musste anhand eines Ensemble-Mittels aus drei Tagen erstellt werden, es standen keine Karten mit Einzelläufen des Langfristmodells zur Verfügung. Das ist etwa so, wie wenn man für den täglichen Wetterbericht von allen verfügbaren Modellen der letzten drei Tage ein einziges Mittel bilden würde. Wir beschränken uns daher auf die nüchterne Analyse:
Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Ein derart blockiertes Muster über dem Nordatlantik sieht man über einen ganzen Monat gemittelt selten, es herrschten überwiegend Ostwinde vor. Durch den tiefen Luftdruck über Nordosteuropa lag Mitteleuropa fast permanent in einer nördlichen Anströmung. Insgesamt lag der Trog häufiger weiter östlich als erwartet, dadurch konnten sich Südlagen nur zwei Mal während drei Tagen durchsetzen (Trog Westeuropa vom 9. bis 11. und ab dem 28. April), das prognostizierte heftige Auf und Ab der Temperaturen in Mitteleuropa fiel somit stark zu Gunsten der tiefen Werte aus.
Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010:
Als Folge der permanenten Nordströmung wurden anhaltend polare bis arktische Luftmassen über das Nordmeer auf den europäischen Kontinent geführt. Gesamtnordhemisphärisch gesehen ist das kalte Gebiet relativ klein, aber es zeigt eindrücklich was passiert, wenn eine blockierte Zirkulation quasi den ganzen Monat beherrscht und die kältestmögliche Luftmasse in das immer gleiche Gebiet geführt wird. Wer also glaubt, der kalte April bei uns sei ein Beweis gegen die Klimaerhitzung, liegt komplett falsch: Die Persistenz von grossräumigen Strömungsmustern, wie sie in den letzten Jahren gehäuft auftreten, ist eben genau eine Auswirkung des Klimawandels als Folge des stetig schrumpfenden Arktis-Eises und der daraus folgenden schwächeren Westströmung, die bei uns für rasche Abwechslung bei den Luftmassen sorgt. Im April (und auch Mai) 2018 lagen wir die ganze Zeit auf der warmen Seite der Strömungsmuster, 2021 ist das genaue Gegenstück dazu. Wahrscheinlich müssen wir damit leben lernen, dass die Extreme in beide Richtungen zunehmen, wobei die warmen Ausreisser (2007, 2009, 2011, 2014, 2018, 2020) doppelt so häufig sind wie die kalten (2001, 2008, 2021).
Abweichung der Monatsmitteltemperatur am Boden zur Klimanormperiode 1981-2010:
Hier fällt auf, dass die negativen Abweichungen am Boden etwas milder ausfallen als in der Höhe. Der Grund dafür ist im bereits relativ hohen Sonnenstand zu finden. In Süddeutschland, der Schweiz und in Westösterreich war der April sehr sonnenscheinreich (120-160 % des langjährigen Mittels), d.h. die tageszeitliche Erwärmung konnte die kalten Nächte teilweise ausgleichen. Anders sieht es im eingangs erwähnten breiten Streifen in der Mitte Deutschlands und in Ostösterreich aus: Hier lag die Sonnenscheindauer um die Norm, im Osten sogar darunter, was auch die Tageshöchsttemperaturen tief hielt. Der permanente Hochdruck über dem Nordatlantik half mit, die negative Anomalie der Wassertemperatur etwas abzumildern. Diese war ja in jüngster Vergangenheit ein Indikator für Hitzesommer in Europa, man darf also auf die weitere Entwicklung im Mai gespannt sein.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010:
Es ist eigentlich schon fast völlig egal, ob in Mitteleuropa der April zu warm oder zu kalt wird: Ziemlich sicher fällt er zu trocken aus. Dieser Trend setzt sich also auch 2021 fort, mit den entsprechenden Folgen für die Vegetation während der Wachstumsphase. Die grobe Karte kaschiert so manch regionale Extremabweichung, daher verweisen wir wie üblich auf die detaillierten Karten der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland.
In der Verteilung der Witterungstypen kommt die Trockenheit nicht so sehr zur Geltung: Je die Hälfte der Tage war trocken oder feucht. Hier wird deutlich, wie wenig Feuchtigkeit kalte Luftmassen mit sich führen: Es ist zwar an vielen Tagen trüb und gelegentlich fällt sogar etwas Niederschlag, aber eben in viel zu geringen Mengen oder nur punktuell als Schauer. Das ist so ziemlich das unnützeste Wetter für die Natur im Frühling. Bei den Grosswettertypen wird die Übermacht der nördlichen Anströmung deutlich: Der GWT Ost ist ausschliesslich durch Nordostlagen repräsentiert.
Zum Schluss noch ein direkter Vergleich, der die Gegensätzlichkeit zwischen dem April 2020 und 2021 verdeutlichen soll. Die Aufnahmen stammen aus dem Emmental, links ein Apfelbaum auf 660 m, rechts der Weiler Benzenberg auf 730 m mit dem knapp 2200 m hohen Hohgant im Hintergrund (für grössere Ansicht ins Bild klicken):
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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