“Besser spät, als gar nie!” war das Motto des Winters 2017/18 und bescherte uns die tiefsten Werte, welche Ende Februar seit über 30 Jahren gemessen wurden. An manchen Bergstationen wurden gar neue Rekorde für das letzte Februardrittel registriert, und dies auch bei Messreihen, die teils über 100 Jahre zurückreichen. In den Niederungen hingegen verlief die Kälte angesichts des Potenzials der Luftmasse verhältnismässig moderat. Gründe dafür waren eine nicht überall vorhandene Schneedecke, das Fehlen klarer Nächte wegen Hochnebel und der stetig wehende Nordostwind, welcher die Bildung von ruhenden Kaltluftseen verhinderte. Abgesehen davon verlief der Monat wie erwartet relativ unspektakulär und ziemlich trocken mit Temperaturen um oder knapp unter dem langjährigen Mittel; am Alpennordrand sehr trüb, in Norddeutschland hingegen vielerorts sehr sonnig mit ebenfalls stellenweise Rekordwerten bei der Sonnenscheindauer.
Verursacht wurde die heftige Kältewelle zum Monatsende von einer sogenannten Zonalwindumkehr (in den gemässigten Breiten überwiegen Ost- statt die üblichen Westwinde), welche kontinentale Polarluft aus Nordrussland nach Europa führte. Diese Zonalwindumkehr wiederum ist die Folge einer sehr raschen Erwärmung der Stratosphäre, welche über der Arktis in über 30 km Höhe beginnt, sich allmählich nach unten durcharbeitet und dabei den Jetstream, also das starke Westwindband der gemässigten Breiten, massiv stört. Dies ist in der Meteorologie als SSW (= sudden stratospheric warming) bekannt, wobei das Wörtchen “sudden” auf die Unprognostizierbarkeit in der Langfrist hindeutet, zumal die Ursachen noch erforscht werden und immer noch nicht ganz verstanden sind. “Experten” für dieses Phänomen mögen nun darauf hinweisen, dass das SSW zum Zeitpunkt der Erstellung unserer Prognose für Mitte Februar bereits in manchen Modellen ersichtlich war. Dies ist richtig, jedoch werden solche Erwärmungen der Stratosphäre jeden Winter mehrmals gerechnet. In den meisten Fällen wird daraus aber nur ein sogenanntes “Minor Warming”, das sich auf die obere und mittlere Stratospäre beschränkt und keine Wirkung auf die unteren Luftschichten entfaltet. Nur etwa alle 5 Jahre, zuletzt 2013 und 2006 (Freunde später Wintereinbrüche schwärmen noch heute davon, was beim auf den Frühling wartenden Durchschnittsmenschen höchstens Kopfschütteln auslöst), entwickelt sich daraus ein “Major Warming”, das in der Lage ist sich wie in diesem Jahr auch auf die Troposphäre auszuwirken, also auf die Luftschicht unterhalb von ungefähr 12 km Höhe. Eine sich zwei Wochen im Voraus in den Modellen abzeichnende Stratospärenerwärmung führt also nur in den seltensten Fällen (Einteffenswahrscheinlichkeit unter 20 %) zu einem Kälteeinbruch in Europa und ist somit für die Langfristprognose ein völlig untaugliches Indiz. Darauf zu setzen, käme einem Roulette gleich. Wer sich für die Wirkungskette von der oberen Stratosphäre bis in die untersten Luftschichten interessiert, findet hier weitere Grafiken und Erklärungen zum aktuellen Fall. Um den Rahmen unserer Monatsanalyse nicht zu sprengen, beschränken wir uns hier auf die Karte mit den Temperaturabweichungen in rund 16 km Höhe zum Zeitpunkt der stärksten Erwärmung am 14. Februar:
Sehr gut ersichtlich ist hier das Zentrum der Stratosphärenerwärmung über der Arktis mit einem Ausläufer in Richtung Skandinavien-Nordmeer-Island, wo sich in der Folge das extrem kräftige Hoch bildete, das für die kalten Nordostwinde in Europa verantwortlich war.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Februar, erstellt am 31. Januar, lautete wie folgt:
Herausgepickt haben wir uns einen bereits vier Tage alten Lauf, der die von uns vermutete Zweiteilung bei der Druckverteilung aufweist: Das erste Monatsdrittel ist geprägt von hohem Luftdruck über Nordosteuropa und einer negativen Druckanomalie über Mittel- und Südeuropa. Will heissen, in dieser Zeit überwiegen bei uns die Grosswettertypen Nord bis Ost. In der Folge soll der Atlantik wieder die Regie übernehmen. Dargestellt wird dies von einem mehr als gesunden Azorenhoch und einer negativen Druckanomalie im Bereich Grönland-Island, wobei diese nicht allzu ausgeprägt gerechnet werden darf, da wir sie ja erst wieder nach dem ersten Februardrittel erwarten. Wie schnell sich die daraus entwickelnde Westlage bei uns durchsetzt und die Kaltluft verdrängt, und ob sie bis zum Monatsende durchhalten wird, sind die spannenden und daher unsicheren Fragen dieses Monats.
Über den gesamten Februar gemittelt dürfte das deutlich zu kalte erste Drittel vom milderen Rest des Monats in Mitteleuropa in etwa ausgeglichen werden, sodass hier ungefähr ein der langjährigen Norm entsprechender Monat resultieren dürfte. Wer genau hinschaut, entdeckt auf der Karte einen kleinen positiven Bereich am Alpensüdrand, der durch häufigen Nordföhn zustande kommen soll. Deutlichere Spuren wird der Kälteeinbruch wahrscheinlich in Südwesteuropa hinterlassen, wo eine negative Bilanz bis zum Ende des Monats bestehen bleiben soll. Ein deutlich zu warmer Monat wird – so paradox das klingen mag – einmal mehr in der Arktis erwartet, ebenfalls im positiven Bereich abschliessen dürfte der Februar im östlichen Mittelmeerraum.
Kalte Luftmassen aus Nord bis Ost enthalten in der Regel nur wenig Feuchtigkeit, sodass die Kältephase mit nur unergiebigen Schneefällen einhergeht. Entsprechend wird der Monat insgesamt leicht zu trocken oder ungefähr mit durchschnittlichen Niederschlagsmengen in den meisten Regionen gerechnet, wobei das meiste davon wahrscheinlich erst ab der Monatsmitte fällt. Über dem warmen Mittelmeer sorgt die einfliessende Kaltluft hingegen für viel Labilität und somit Schauer- und Gewitterbildung, was sich in der Niederschlagskarte mit entsprechend hohen Abweichungen zur Klimanorm bemerkbar macht.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendruckfelds gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die grossräumige Struktur mit dem Viererdruckfeld wurde sehr gut prognostiziert, allerdings gibt es relevante Abweichungen bei den Beträgen: Das Skandinavienhoch weist eine Abweichung von +18 statt der prognostizierten +14 hPa auf: Ein Hinweis darauf, dass das Hoch deutlich beständiger war als erwartet. Das Azorenhoch wiederum kam etwas westlicher zu liegen und hatte auch in der zweiten Monatshälfte keinen Einfluss auf Europa. Darin liegt auch der Hauptunterschied zu unserer Prognose, welcher sich auf die Temperatur massiv auswirkte. Die von uns erwartete Rückkehr zu Westlagen-Einfluss deutete sich zwar zur Monatsmitte durch eine Winkelwestlage an, wurde jedoch durch die Folgen des eingangs geschilderten SSW gleich wieder ausgebremst.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch hier ist die regionale Verteilung ähnlich wie beim Luftdruck einigermassen stimmig, das Problem liegt aber ebenfalls bei den Abweichungsbeträgen. Die Prognose war bis zum 24. Februar für Mitteleuropa noch durchaus im Lot, die extrem kalten letzten vier Tage des Monats haben aber das Monatsmittel derart weit hinuntergedrückt, dass man hier durchaus von einer Fehlprognose sprechen darf. Dass fast alle Kälteeinbrüche, welche in unseren Prognosen nicht erfasst wurden, stets zum Monatsende auftraten, muss man hingegen schlicht und einfach als Pech bezeichnen und zeigen uns die Grenzen der Langfristprognostik auf. Auf ein interessantes Detail in der Analysekarte möchten wir noch besonders hinweisen: Das normal temperierte “Loch” über der Ostsee inmitten des Kältepools zeigt uns, was überdurchschnittliche Wassertemperaturen nach einem milden Winter mit einer noch so kalten Luftmasse bodennah anstellen können. Wäre die Ostsee wie nach einem normal kalten Winter bereits weitgehend zugefroren gewesen, wäre die blaue bis violette Fläche in diesem Gebiet durchgehend geschlossen.
Auch beim Niederschlag ist die Ostsee auffällig:
Wenn kalte Luft über eine warme Wasserfläche strömt, nimmt sie von dieser Feuchtigkeit auf und wird durch die extremen Temperaturunterschiede labilisiert. Es bilden sich Schauer, welche sich Windstrom-abwärts an den Küsten ausregnen bzw. in diesem Fall ausschneien. Dieses als Lake-Effect bekannte Phänomen erklärt, weshalb der Februar an den Küsten von Schweden bis nach Norddeutschland sowie in England trotz überwiegendem Hochdruckeinfluss positive Niederschlagsabweichungen aufweist. Dasselbe geschah etwa an der Adria, wobei der gesamte Mittelmeerraum mit Ausnahme des äussersten Ostens unter überwiegendem Tiefdruckeinfluss einen deutlich zu nassen Monat erlebte.
Das bereits seit einiger Zeit bekannte Phänomen, dass selbst winterliche Grosswetterlagen des Typs Nord und Ost kaum eine deutlich unterkühlte Witterungsphase bringen, zeigt sich trotz der End-Februar-Kälte auch in diesem Monat: Anhand der GWT-Analyse hätten mindestens 15 Tage in die Kategorie “kalt” fallen müssen. In der Tat brauchte es dazu einen langen Anlauf: Die Nordlage zu Monatsbeginn brachte nur für die Jahreszeit leicht unterdurchschnittliche Temperaturen, die noch in den Normalbereich fallen. Erst zum Monatsende, als die starke Nordostströmung weiträumig zu greifen begann und Luftmassen von sehr weit weg herbeiführte, trat eine markante Kältewelle auf – die einzige dieses Winters.
Die Langfristprognose für den März findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.