Der Winter hat – mal abgesehen von seinem Blitzbesuch zwischen Weihnachten und Neujahr – lange auf sich warten lassen. Nun ist er da und bereits fragen sich Winterliebhaber wie auch -hasser, wie lange er bleiben mag. Zum Glück ist demnächst Lichtmess-Tag (2. Februar), ein wichtiger Lostag für den weiteren Verlauf des Winters oder für die Ankündigung des nahenden Frühlings. Doch ob er uns auch in diesem Jahr eine klare Antwort gibt?
Die Wetterkarte vom 2. Februar 2015 zeigt uns ein lehrbuchmässiges Atlantik-Blocking mit korrespondierender Troglage über Europa. Das Drehzentrum befindet sich über Skandinavien, um das herum sich im Gegenuhrzeigersinn Randtiefs vom stark nach Süden bis nach Nordafrika ausbuchtenden Jetstream angetrieben werden. Da sich die Trogachse über Mitteleuropa befindet, wird die Grosswetterlage als “Trog Mitteleuropa” klassifiziert. Der Trog ist dabei von aussergewöhnlicher Mächtigkeit und entspricht einer auf dem Kopf stehenden Omegalage. Solche Grosswetterlagen sind in der Regel extrem beständig: Diese hier wird das erste Februardrittel, wenn nicht gar die gesamte Monatshälfte prägen. Welche Witterung im für die Lichtmess-Regel massgeblichen Zeitraum in Mitteleuropa vorherrschend sein wird, darüber bestehen also keine Zweifel: Es stürmt und schneit wiederholt.
Wie die Lichtmessregel auszulegen ist und welche Bedeutung sie in der Vergangenheit hatte, darüber haben wir vor einem Jahr in diesem Blog berichtet. Für das weitere Verständnis der diesjährigen Prognose kann es sich lohnen, hier nachzulesen. 2015 soll es an Lichtmess, bzw. an den Tagen davor und danach stürmen und schneien, ein klarer Fall für Regel-Auslegung 1. Damit könnten wir jetzt das Thema abschliessen und folgern: “… ist der Frühling nicht mehr weit!”. Doch so einfach ist es leider nicht, denn im Beitrag vom Vorjahr wurde nicht erwähnt, dass auch Fall 1 eine andere Ursache als die wechselhafte West- bis Nordwestlage haben kann. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass diese eine Ausnahme darstellt und relativ selten auftritt. Im bis 1881 zurück reichenden Grosswetterlagen-Katalog von Hess & Brezowsky sind nur 4 % aller Tage im Januar und Februar von der Lage “Trog Mitteleuropa” (TRM) betroffen, und diese müssen nicht unbedingt zum Monatswechsel bzw. Anfang Februar auftreten. Mit anderen Worten: Die Lichtmess-Regel 2015 taugt so gut wie gar nichts. Da hilft nur noch die Suche nach Analogie-Fällen im Archiv.
Gesucht wurde nach ausgeprägten, also nicht nur wenige Tage anhaltenden TRM-Lagen im Zeitraum von Ende Januar bis Anfang Februar, wobei ein Übergang im ersten Februardrittel in eine verwandte Nord- oder Nordostlage, so wie wir das in den nächsten Tagen erwarten, Voraussetzung war. Gefunden wurden fünf entsprechende Fälle: 2005, 1999, 1971, 1956 und 1901. Wir können es vorweg nehmen: Der Frühling liess in diesen fünf Wintern noch eine Weile auf sich warten… Die Jahre 1901 und 1971 wurden jedoch aussortiert, da die Vorgeschichte des Winters eine ganz andere als die diesjährige war, haben wir doch bisher einen sehr milden Winter erlebt. Übrig geblieben sind also die Fälle 1956, 1999 und 2005.
1956 war ein Extremfall, der nach seinesgleichen sucht. Nach mildem Dezember und Januar stürzte die Temperatur zum Monatswechsel Januar/Februar in nur zwei Tagen um 20 Grad in den Keller und verblieb mehr oder weniger den ganzen Februar auf rekordtiefem Niveau. Das ganze Jahr war (wie schon das Vorjahr 1955) ein Kaltjahr mit einer negativen Abweichung der Jahresmitteltemperatur von mehr als zwei Grad gegenüber dem Klimamittel (grafisch am Beispiel der Station Zürich Fluntern in diesem PDF von MeteoSchweiz nachzusehen). Dieses Szenario passt somit auch nicht in die derzeit rekordwarme Phase (2014 war in weiten Teilen Mitteleuropas das wärmste Jahr seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen) und kann als interessante Anekdote, aber kaum als Hilfe für die diesjährige Prognose herhalten.
Bleiben also noch die Jahre 1999 und 2005, die schon deutlich besser in die moderne Klimaphase passen. Der Februar 1999 ging als Lawinenwinter in die Klimageschichte des Alpenraums ein. Nach einer sehr kalten und schneereichen ersten Februarhälfte normalisierte sich die Witterung zum Ende des Monats und es folgte ein durchschnittlicher, wechselhafter Frühling mit milden und kalten, aber nicht extremen Phasen. 2005 war von Ende Januar bis Mitte März mit nur kurzen Unterbrechungen kalt, aber eher trocken. Mitte März schlug die Witterung aber schlagartig um und es folgte eine dreiwöchige warme und sonnige Phase. Der April war dann gewohnt launisch mit einigen Kälterückfällen, aber keinesfalls extrem.
Nun können wir Goethes Fazit ziehen: “Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so schlau als wie zuvor”. Denn: Zwei Analogfälle mit erst noch unterschiedlichem Ausgang können zwar einen Hinweis auf das Ende des Winters 2015 geben, sind aber klar zu wenig um ein festes Fundament zu bilden. Wir dürfen also zur Kenntnis nehmen, dass die Lichtmessregel zwar in etwa zwei Dritteln aller Jahre eine zuverlässige Richtung angibt, in diesem Jahr sollten wir uns jedoch nicht zu sehr darauf verlassen.
Damian Isenschmid am 31. Januar 2015 um 08:22 Uhr
Hallo Fabienne
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, ein Genuss zu lesen.
Gruess