Der Juli 2019 zeigte zwei völlig verschiedene Gesichter: Ein kühles und trübes insbesondere im nördlichen Mitteleuropa in der ersten Monatshälfte und ein extrem heisses zum Monatsende hin. Dabei war vor allem das Gefälle bei Sonnenschein und Temperatur von Süd nach Nord in der ersten Monatshälfte sehr auffällig – was zwar in der Prognose erwartet wurde, wenn auch nicht in dieser Ausprägung. Grund dafür war, dass statt eher westlicher Anströmung eine nordwestliche weitaus persistenter auftrat als erwartet. Nach Ende Juni bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr folgte eine Hitzewelle mit deutlichen Rekorden diesmal in Nordwesteuropa. So wurden nun auch die BeNeLux-Länder in den 40er-Club aufgenommen und in Deutschland wurden erstmals über 41 Grad gemessen.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juli, erstellt am 30. Juni, lautete wie folgt:
Nach den stark meridional geprägten Vormonaten (Nordlagen im Mai, Südlagen im Juni), stellt sich nun recht zuverlässig eine der Jahreszeit entsprechende zonale Zirkulation ein, will heissen: Die Westlagen und ihre Verwandtschaft kehren zurück. So erreichen sowohl Nordwest- wie Westlagen im Hochsommer ihr statistisches Maximum im Jahresverlauf, was den typischen, in Mitteleuropa wechselhaften Sommer ausmacht. Dass die warmen und trockenen Phasen im südlichen Mitteleuropa häufiger sind als im Norden, ist der Nähe des sommerlichen Mittelmeerhochs zu verdanken. Im Norden ziehen hingegen häufiger die atlantischen Störungen durch, während der Süden davon oft nur schwach betroffen ist. Entsprechend zeigt der von uns bevorzugte Modelllauf eine Dominanz von West- bis Nordwestlagen, hervorgerufen durch eine gemässigte Tiefdruckanomalie über Skandinavien sowie einem leicht nach Nordosten verschobenen Azorenhoch, was sich in einer leichten Hochdruckanomalie im Seegebiet vor den Westküsten Europas manifestiert, die ihre Fühler sanft in Richtung Mitteleuropa ausstreckt. Eine schwach ausgeprägte Tiefdruckanomalie wird über dem südlichen Mittelmeerraum gezeigt, was auf eine leicht nach Norden verschobene Hochdruckzone schliessen lässt.
Die regelmässige Zufuhr atlantischer Luftmassen hat zur Folge, dass in weiten Teilen Europas nur eine geringfügige Temperaturabweichung zum langjährigen Mittel gerechnet wird. Im Südwesten Europas ist die Abweichung tendenziell positiv, die Iberische Halbinsel wird wohl einen sehr trockenen und heissen Juli erleben, ebenso die Westhälfte Frankreichs. Für Mittel- und Osteuropa zeigt die Abweichungskarte in der freien Atmosphäre tendenziell etwas unterdurchschnittliche Temperaturen an, man kann aber annehmen, dass diese am Boden durch häufigen Sonnenschein zumindest kompensiert wird. Wir gehen daher für Mitteleuropa von einem normalen bis leicht wärmeren Juli gegenüber der Klimanorm 1981-2010 von ungefähr +1 Grad aus, was allerdings auch einen Wechsel zwischen kühlen Phasen und Hitzewellen mit einschliesst.
Bis auf eine nasse Zone im Westwindgürtel, der sich ungefähr von Schottland über das südliche Skandinavien bis ins Baltikum erstreckt, wird in fast ganz Europa ein tendenziell zu trockener Juli gerechnet, was mit der bereits erwähnten, nach Norden verschobenen Hochdruckzone zu erklären ist. Entsprechend ist der Mittelmeerraum – entgegen der Klimanorm – etwas anfälliger auf Gewitter. Die Niederschlagskarte sollte man allerdings nicht allzu genau nehmen, denn wo und wie heftig Gewitter entstehen können, ist zufällig und kann schlussendlich zu einer ganz anderen Verteilung der zu nassen und trockenen Gebiete führen. Der etwas zu nass gerechnete Alpenhauptkamm könnte mit häufigeren Gewittern aufgrund Hitze und der nassen Vorgeschichte mit dem schneereichen Frühling zusammenhängen. Ob sich das auch wirklich so einstellt, wird sich weisen müssen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m Höhe gegenüber dem langjährigen Mittel:
Ungewöhnlich für Juli wurde die grossräumige Zirkulation diesmal nicht sehr gut prognostiziert. Zwar wurden die Zentren der Tiefdruckaktivität über Nordwestrussland und im westlichen Nordatlantik richtig erkannt, doch sehr augenfällig ist der viel stärkere Hochdruck im hohen Norden. Das nach Nordosten verschobene Azorenhoch konnte sich mit dem arktischen Hoch verbinden und unterbrach somit den atlantischen Westwindgürtel. Statt der erwarteten Dominanz von Westlagen in Mitteleuropa resultierte in der ersten Monatshälfte eine persistente Nordwestlage. Erst nach Monatsmitte stellte sich eine antizyklonale Westlage ein, die in der Folge in ein Hoch Mitteleuropa mündete, das uns die extreme Hitzewelle bescherte. Insgesamt herrschte also statt der erwarteten zonalen eine gemischte Zirkulationsform vor. Darf hier noch erwähnt werden, dass das Langfristmodell diese Lösung nicht im Angebot hatte – am nähesten kam ihr noch dieser, zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung drei Tage alte Lauf: http://images.meteociel.fr/im/9129/cfs-3-7-2019_oxg0.png
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Allzu viele Gemeinsamkeiten findet man bei diesem Vergleich nicht, also eine klare Fehlprognose. Zu denken geben muss, dass das Resultat mit Nordwest-Dominanz die höheren Temperaturen zustande brachte als die Prognose mit überwiegend westlicher Anströmung. Man muss nur in den hohen Norden schauen, dann erkennt man den Ursprung des Übels. Müssen wir nun auf die Prognosen des Modells permanent ein bis zwei Grad draufschlagen, um zum gewünschten Resultat zu kommen? Es scheint so, und genau das haben wir in der August-Prognose umgesetzt.
Auf die Temperaturen am Boden wirkt sich das folgendermassen aus:
Auch hier wird ersichtlich – wenn auch weniger deutlich als bei der Analyse in 1500 m Höhe: warme Luft aus Nordwest. Da wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann als kalte, muss man sich auch nicht wundern, wenn bei Nordwestlagen an der Nordsee immer häufiger Trübnis vorherrscht. Für wenigstens mal ordentlich Regen reicht das dann trotzdem nicht, wenn in der Höhe die Luft noch wärmer ist als unten (auch eine zu warme Nordsee wirkt im Sommer immer noch kühlend auf die bodennahen Luftschichten) – dichter Stratus mit höchstens ein paar Tropfen ist die Folge. Südlich der Mittelgebirgsschwelle zeigt dieser Nordseestratus keine Wirkung mehr, und so resultiert bei überwiegendem Nordwesteinfluss und viel Sonnenschein bereits ein Wärmeüberschuss, dem eine fünftägige Hitzewelle noch den Deckel draufsetzt: Zwei (in Süddeutschland) bis drei Grad (in Frankreich) Abweichung zum ohnehin bereits wärmeren Mittel 1981-2010 sind die Folge. Womit wir bereits beim nächsten Thema wären: Trockenheit.
Auch in diesem Monat blieben weite Teile Westeuropas trocken, da überwiegend unter Hochdruckeinfluss. Das Tief über Nordosteuropa bescherte hingegen dem östlichen Mitteleuropa ausreichende Niederschläge, wenn auch nicht im Detail jeder Flecken gleich stark gewässert wurde. Wir verweisen an dieser Stelle wie üblich auf die höher aufgelösten Analysen der Landeswetterdienste: (Schweiz, Deutschland, Österreich). Die südlich des sich auf Abwegen befindenden Azorenhochs durchflutschenden Tiefdruckgebiete sorgten wenig überraschend für teils heftige Unwetter, namentlich in Norditalien und Nordspanien, aber auch im Südosten Österreichs.
Die prognostizierte Dominanz von West- und Nordwestlagen traf ein – allerdings mit vertauschten Rollen zwischen West und Nordwest. Auffällig ist das erneute Fehlen von deutlich zu kühlen Tagen, wobei das Kriterium für diese Einteilung etliche Male in der Gesamtfläche nur knapp verfehlt und regional – vor allem in Österreich zwischen dem 9. und 14. Juli – durchaus unterschritten wurde. Würde man das gleitende Mittel ab 1991 statt die Klimanormperiode 1981-2010 verwenden, sähe die Statistik ein wenig anders aus und ein paar „blaue“ Tage würden auftauchen. Ein Umstand, der uns nach der Umstellung auf die neue Klimanormperiode nach Empfehlung der WMO in zwei Jahren durchaus beschäftigen wird…
Die Langfristprognose für den August findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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