Wäre da nicht der Überflieger 2003, der Juni 2025 hätte einen neuen Rekord aufgestellt in der Schweiz und in Baden-Württemberg. In Österreich und Bayern landete er auf Platz 3 in der „ewigen“ Messreihe, weil da auch noch 2019 mitspielt, nach Norden hin war das Gefälle dann aber deutlich. An einigen Gipfelstationen der Alpen wurde 2003 allerdings geschlagen, so etwa am Sonnblick in Österreich (3109 m), und auf dem Jungfraujoch (3580 m) gar um 0.3 Grad. Auch in Klagenfurt im Süden Österreichs erreichte der Juni 2025 eine nie dagewesene Mitteltemperatur in der Messreihe seit 1813 (!). Mehr zur langjährigen Juni-Entwicklung im Exkurs am Ende dieses Artikels.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juni, erstellt am 1. Juni, lautete wie folgt:
Die Ausgangslage könnte kniffliger nicht sein: Bisher waren Westlagen in diesem Jahr derart dünn gesät, dass man lange nach Analogien in der Vergangenheit suchen muss. Und ausgerechnet jetzt zur statistisch unwahrscheinlichsten Zeit Ende Mai bis Mitte Juni stellt sich eine persistente Westlage ein. Dabei ist es nicht etwa so, dass es zu dieser Zeit keine Westlagen gibt, aber in der Regel dauern sie kaum länger als 5-7 Tage. Und die klassische Schafskälte, die es heute kaum noch gibt, beruhte vor allem auf Nordwestlagen und Trog Mitteleuropa. Wir betreten also im 2025 wieder mal Neuland – nicht wirklich die beste Voraussetzung für eine verlässliche Monatsprognose, zumal die von den Langfristmodellen dargebotenen Lösungen wieder mal sehr reichhaltig sind und von extremen +5 Grad zur Norm 1991-2020 bis zum Ende durchgezogen leicht unterkühlt alles anbieten.
Somit empfiehlt sich einmal mehr, dem jüngsten Modelllauf zu vertrauen in der Hoffnung, dass er die neueste Entwicklung am besten erfasst. Dieser zeigt eine kräftige negative Geopotenzial-Anomalie von Grönland bis Skandinavien, also ein starkes klassisches Islandtief. Dies wird auch vom europäischen Modell mit dem Regime NAO+ bis knapp zur Monatsmitte untermauert; eher untypisch für die erste Junihälfte, die meist eher noch meridional geprägt ist und dies vor allem nach einer sehr langen Periode blockierter Westzirkulation seit Anfang Februar mit nur wenigen kurzen Unterbrechungen. Im Gegenzug wird aber auch eine zweigeteilte, mässig positive Potenzialanomalie von Neufundland bis zum Kaukasus gerechnet. Die Kerne liegen nordwestlich der Azoren und über dem Alpenraum, dazwischen besteht eine Schwachstelle in der Brücke zwischen Irland und den Kanarischen Inseln. Sie deutet die Tröge an, welche auf ihrer Vorderseite heisse Luftmassen aus Süd bis Südwest nach Mitteleuropa verfrachten sollen – logischerweise erst nach Ende der Westlagenperiode, also in der zweiten Monatshälfte.
Die Kombination Heissluftzufuhr mit Hochdruck über Mitteleuropa zur Zeit des höchsten Sonnenstandes würde eine brachiale Hitzewelle verursachen, anders ist die Temperaturabweichung über den Gesamtmonat auch gar nicht zu erklären: Von der Iberischen Halbinsel bis ins südliche Mitteleuropa soll die Abweichung in der Höhe über zwei Grad betragen, über dem westlichen Mittelmeer sogar über drei Grad. Am Boden werden im Alpenraum und im nördlichen Alpenvorland bis zu +3 Grad gerechnet, hingegen eine ziemlich schwarze Null an Nord- und Ostsee: Der Gradient von Süd nach Nord soll also sehr ausgeprägt sein. Geringe negative Abweichungen sind in Teilen Skandinaviens, in Island, Grönland und in der Schwarzmeer-Region wahrscheinlich.
Die durchschnittlichen bis leicht überdurchschnittlichen Niederschläge von Galizien über Frankreich bis Norddeutschland sowie im westlichen Alpenraum werden abgesehen von zufälligen Gewittertreffern wohl mehrheitlich in der ersten Monatshälfte fallen. Südeuropa bleibt wahrscheinlich über weite Strecken trocken, so wie sich das für einen Sommermonat gehört. Allerdings zeigt die Karte auch hier sehr lokal begrenzte Gewitter-Hotspots, wobei an dieser Stelle wieder mal der Hinweis erlaubt sei, dass diese nicht zwingend genau dort auftreten müssen, wo sie modelliert werden.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
An Prognosegüte kaum mehr zu übertreffen! Man kann es nennen wie man will: Bauchgefühl, Erfahrung, Spürnase, oder – weil das laut einigen „Experten“ niemand kann – einfach nur Glück. Den richtigen Lauf zu erwischen, wenn das Langfristmodell alle sechs Stunden etwas anderes rechnet, macht einfach Freude. Mal geht der Eigensinn der Meteorologin völlig daneben wie im Mai, im Monat darauf haut es wieder hin. Wäre das Betätigungsfeld Langzeitprognose nicht so knifflig, die Autorin wäre ihre Existenzsorgen los. An ein paar Details gibt es trotzdem etwas herumzumäkeln: Die Hochdrückbrücke war stabiler als erwartet (mehr West-, weniger Süd- und gar keine Südwestlagen), und der mitteleuropäische Teil des Hochs persistenter als prognostiziert. Im Gegenzug war der Tiefdruckeinfluss im Nordosten Europas etwas stärker, was auf unser Wetter allerdings keinen Einfluss hatte. Perfekt gerechnet wurden Stärke und Position des Islandtiefs, genau das ist in den meisten Fällen für uns entscheidend.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Vom Baltikum bis zum Kaukasus war der Juni 2025 wegen des stärkeren Tiefdruckeinflusses unter häufiger Nordwestströmung kühler als erwartet, ansonsten wurde die Verteilung der Abweichungen nahezu perfekt modelliert. Die Wärme über Südwesteuropa war mindestens ein Grad stärker als prognostiziert: Ein Ausdruck für die Schwäche von Langfristmodellen, die weder die rasante Erwärmung noch Extreme in ihrer DNA haben. Für einmal war hier nicht Heissluftzufuhr aus der Sahara die Ursache, sondern die hausgemachte Erwärmung unter dem persistenten Hochdruckgebiet – bei Sonnenhöchststand keine Kunst, wenn alles zusammenpasst.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch beim Niederschlag manifestiert sich der stärkere Tiefdruckeinfluss über Nordosteuropa deutlich, und Südwesteuropa war unter dem persistenteren Hoch trockener als erwartet. Ansonsten darf man mit der Prognose auch hier zufrieden sein. Zentrum der Trockenheit war der östliche Alpenraum und insbesondere das gesamte nördliche Alpenvorland, was die detaillierten Karten der Landeswetterdienste wie üblich besser darstellen können: Schweiz, Österreich, Deutschland. In der Schweiz fällt die relative Trockenheit genau dort auf, wo normalerweise im Frühsommer die Gewitter im Gänsemarsch durchziehen: Die sogenannte Voralpenschiene war in diesem Juni wegen ausbleibender Südwestlagen völlig lahmgelegt, wie die Verteilung der Grosswettertypen zeigt:
Nach den ersten acht Tagen mit zyklonaler Westlage war nur noch Hochdruckwetter angesagt. Die Ostverlagerung eines Mitteleuropa-Hochs brachte noch drei Tage Süd antizyklonal hervor, womit diese GWL im dritten Jahr in Folge dazu beiträgt, dass diese bisher im Sommer extrem seltene Lage ihre Statistik aufpoliert. Der gefühlt kühle Monatsbeginn war so kühl gar nicht, kein Tag fiel unter die Standardabweichung, während fast die Hälfte (13 Tage) jene nach oben teils mehr als deutlich gerissen haben. Am 1., vom 13. bis 15. sowie vom 25. bis 28. Juni wurden vielerorts im Alpenraum neue Tagesrekorde erreicht. Darunter fällt auch ein neuer Rekord für die Nullgradgrenze an einem Junitag mit 5124 m gemessen von der Radiosonde Payerne am 28. Juni.
Die Langfristprognose für den Juli findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Exkurs: Langfristige Entwicklung der Juni-Temperatur im Alpenraum
Mit verbreitet 2.5 Grad, in den Hochlagen bis zu 4.5 Grad wärmer als im Mittel der Jahre 1991-2020 (das wiederum bereits rund 2 Grad höher liegt als 1961-1990), reiht sich der Juni 2025 bestens in die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit ein. Selbst der gefühlt kühle Juni des Vorjahres lag über der linearen Entwicklung, konkret ein halbes Grad über der Norm 1991-2020:
Speziell ist aufgrund des neuesten Trends, dass nun das gleitende 15-Jahres-Mittel erstmals über 18 °C gestiegen ist. Eine Marke, die vor 2003 gerade mal die Rekord-Junis 1877, 1930 und 1950 erreicht hatten und in den letzten zehn Jahren nur noch drei Mal unterboten wurde. Damit liegt der Erwartungswert eines durchschnittlichen Juni heute drei Grad höher als noch vor 30 Jahren. Das hat allerdings auch ein wenig damit zu tun, dass die Junis der 70er und 80er Jahre mit wenigen Ausnahmen wie etwa 1976 unter dem langjährigen (alten) Klimamittel lagen. Was in meiner Jugend ein normaler Juni mit etwa 14 °C war, würde heute als extrem grauslich empfunden, immerhin sechs Grad kühler als der heurige. Die neue Juni-Norm liegt inzwischen deutlich über dem Niveau 1961-1990 von Juli und August, ist also ein vollwertiger Hochsommermonat geworden. Noch extremer ist diese Entwicklung in den Hochlagen:
Hier wird jetzt erstmals ein gleitendes 15-Jahres-Mittel von 10.0 °C erreicht und weist somit eine zusätzliche Erwärmung von 1.1 Grad gegenüber der Norm 1991-2020 auf. Dies bedeutet, dass die grosse Schneeschmelze inzwischen in den meisten Jahren abgeschlossen ist und die Gletscher ab Anfang Juli blank liegen. Durch die höhere Albedo (dunkler Fels statt weisse Schneeflächen) heizt sich das alpine Sommerklima weiter auf. Die hohen Wassertemperaturen in den Seen und Flüssen der Niederungen sind nicht nur ein Produkt der Hitze dort unten, sondern auch auf einen Mangel an Nachschub kühlen Wassers aus der Höhe zurückzuführen. Was sich gegenseitig aufschaukelt, denn grosse Seen hatten bisher eine kühlende Wirkung auf ihre Umgebung im Sommer, was jetzt mehr und mehr wegfällt und sich nachts sogar ins Gegenteil umkehrt: Tropennächte sind für Seeanrainer inzwischen schon im Juni an der Tagesordnung. Aufgrund dieser positiven Rückkoppelung ist kaum damit zu rechnen, dass sich der Juni-Trend in den nächsten Jahren abflacht, im Gegenteil: Die Kurve zeigt immer steiler nach oben. Atomkraftwerke mit Flusswasserkühlung werden in diesen Tagen reihenweise abgeschaltet. Man denke daran, wenn man immer häufiger elektromobil unterwegs ist oder in allen möglichen Lebenslagen statt der eigenen auf eine künstliche Intelligenz vertraut, welche Unmengen an Strom frisst. Nicht zuletzt deshalb setzt die Autorin dieser Seiten bewusst auf 100 % natürliche Intelligenz.
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