Wettermoderatoren in Radio und Fernsehen werden gerne humoristisch als “Wetterfrösche” bezeichnet. Im Deutschschweizer Radio DRS verkörperte der ursprüngliche Chemiker Mario Slongo ein Vierteljahrhundert lang diese Rolle mit einer wöchentlichen Wettersendung am Samstagmorgen, bis er 2012 in Pension ging. Berufsmeteorologen hingegen empfinden diese Bezeichnung eher als abwertend. Doch wie kommt man überhaupt dazu, Meteorologen als Wetterfrösche zu bezeichnen?
Der Begriff Wetterfrosch geht auf die Eigenschaft des Europäischen Laubfrosches zurück, ein guter Kletterer zu sein. Man beobachtete schon früh, dass Laubfrösche bei sonnigem und warmem Wetter auf Bäume klettern, sich bei nassem Wetter hingegen eher in Bodennähe aufhalten. Der Grund dafür ist trivial: Die Frösche halten sich vorzugsweise dort auf, wo sie am meisten zu fressen finden. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Laubfrösche zu knapp der Hälfte von Fliegen und Mücken ernähren. Da diese sich bei Regenwetter, Nebel und Wind in schützender Bodennähe aufhalten, haben die Frösche bei garstigen Verhältnissen am Boden leichtes Spiel. Bei Sonnenschein, Trockenheit und wenig Wind steigt warme Luft jedoch auf (Thermik) und zieht auch leichtes Geflügel mit nach oben – die Frösche finden am Boden nur noch weniger beliebte Speisen wie Spinnen und Käfer, also steigen sie auf die Bäume, um dort besser an ihre Leibspeise zu gelangen. Dasselbe machen übrigens auch die Schwalben: Sie fliegen bei sonnigem windschwachem Wetter höher, um nach Fluginsekten zu jagen.
Nun ist es eine sehr menschliche Eigenschaft, Tieren und Pflanzen aufgrund des beobachteten Verhaltens auch gleich noch Prognoskünste anzudichten, die bei näherer Betrachtung nicht standhalten. Aus diesem Grund meinte man, die Frösche würden schönes Wetter anzeigen, wenn sie in die Höhe klettern. Man hielt sie in Gläsern mit einer Leiter, auf der sie entsprechend ihrem natürlichen Verhalten hoch und runter klettern konnten. Blieben sie am Boden des Glases, deutete man dies als Schlechwetterzeichen, kletterten sie auf die Leiter, war schönes Wetter angesagt. So hat sich ein humoristisches Klischee bis ins digitale Zeitalter gehalten. Da heute das Bewusstsein für artgerechte Tierhaltung gestiegen ist, käme allerdings niemand mehr auf die Idee, ein solches “Barometer” in der Wohnung zu halten.
Die Bezeichnung “Wetterfrosch” wird heutzutage von Berufsmeteorologen eher als abwertend empfunden. Es gibt allerdings eine spezielle Gattung dieses Berufszweiges, auf die die Bezeichnung durchaus zutrifft: Sie halten sich dort auf, wo es am meisten zu fressen gibt. Mit Dramaturgie und fetten Schlagzeilen spielen sie virtuos die Klaviatur der Boulevardpresse, die sich inzwischen ins Internet im Allgemeinen und auf Videokanäle im Speziellen verlagert hat. Hunderttausende von Followern geben ihnen Recht, dass man mit der alljährlichen Ankündigung von Strengwintern, “Russenpeitschen”, Bombentiefs mörderischen Hitzewellen seine Existenz sichern kann. Und natürlich darf alljährlich auch die Ankündigung von weissen Weihnachten bereits ab Ende November nicht fehlen.
Berufsmeteorologen, welche im stillen Kämmerlein auf mehreren Bildschirmen auch (und vor allem) an Wochenenden und mitunter nächtelang das Wetter in Echtzeit beobachten, die Modelle auf ihre Richtigkeit überprüfen und Prognosen entsprechend zeitnah anpassen, sind jedoch eine ganz andere Spezies. Den Leuten bei der Ausübung ihres Sports oder ihrer Arbeit Sicherheit zu gewähren oder Veranstaltungen im Freien zu überwachen und rechtzeitig vor nahenden Gewittern zu warnen, ist mit viel Leidenschaft fürs Wetter und Idealismus verbunden. Reich kann man damit nicht werden, denn würde man den Arbeitsaufwand in Stundentarifen abrechnen, hätten insbesondere kleinere Anlässe gar nicht die finanziellen Möglichkeiten, diese Betreuung zu bezahlen. Daher sei an dieser Stelle wieder mal ganz herzlich allen gedankt, welche durch ihre kleinen und grossen finanziellen Zuwendungen die Existenz dieser Dienstleistungen auch für die Zukunft sichern. In ruhigeren Zeiten wird mit Blogbeiträgen zu Wetter und Natur, Klima und Grundlagenwissen gedankt – hoffentlich noch möglichst lange. Mit dem Dasein als Wetterfrosch, der ganz simpel nur dort möglichst laut quakt, wo am meisten zu holen ist, hat dies rein gar nichts zu tun.
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Mathias Kielholz am 10. September 2024 um 15:48 Uhr
Toll geschrieben, wie immer!
Mathias (Uster)