Der Sommer 2016 bestätigte wieder einmal die häufige Beobachtung, dass der Spätsommer einen durchzogenen Hochsommer durchaus zu kompensieren vermag. Der September 2016 war in weiten Teilen Mitteleuropas extrem warm und landete in der Reihe der modernen Wetteraufzeichnungen temperaturmässig fast überall in den Top 3, nur sehr knapp hinter 2006 und gleichauf mit 1947 (regional auch 1999, 1961 und 1949). An etlichen Stationen von Nord- über Ostdeutschland bis nach Niederösterreich wurde gar der wärmste September verzeichnet. Die absoluten Tagesmaximalwerte aus dem Jahr 1947 wurden zwar nicht übertroffen, lagen aber am 12. September mit bis zu 34.4 Grad in Bernburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) nicht allzu weit entfernt. Beachtlich ist auch der Überschuss an Sonnenscheinstunden gegenüber dem langjährigen Mittel: Im deutschsprachigen Raum wurde das Soll überall erreicht oder übertroffen, am extremsten in der Mitte Deutschlands mit bis zu 60 %.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den September, erstellt am 31. August, lautete wie folgt:
In den Höhenkarten werden zwei für Europa wichtige Druckzentren berechnet: Einerseits eine starke negative Druckanomalie über dem Nordatlantik mit Zentrum knapp südlich Islands, die bis nach England reicht. Den Gegenpol stellt eine starke positive Druckanomalie mit Zentrum über Nordosteuropa, das mit einer Brückenbildung zum Azorenhoch auch Mittel- und Südwesteuropa beeinflusst. Eine schwächere negative Druckanomalie wird über Südosteuropa berechnet. Diese Konstellation lässt eine starke Westwindzirkulation auf dem Atlantik erwarten, wo bereits die ersten herbstlichen Sturmtiefs auftreten. Durch die Blockade des osteuropäischen Hochs können die atlantischen Tiefs jedoch nur selten bis auf den Kontinent vordringen, wir verbleiben sehr häufig unter Hochdruckeinfluss und in sehr warmen Südwest- bis Südströmungen. Kälteeinbrüche dürften daher eher spärlich auftreten und nur von kurzer Dauer sein.
Der Hochdruckeinfluss auf dem Kontinent hat auch einen sehr trockenen September in fast ganz Europa zur Folge, insbesondere im Osten. Überdurchschnittlich nass durch die Westwinddrift werden die britischen Inseln, während Gewittersysteme von Spanien über Frankreich bis nach Mitteleuropa für überdurchschnittliche Regenmengen sorgen können, die sich jedoch auf wenige Tage beschränken. Unter häufigem Tiefdruckeinfluss ist mit überdurchschnittlicher Gewittertätigkeit im zentralen und östlichen Mittelmeerraum zu rechnen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des 500-hPa-Geopotenzials gegenüber dem langjährigen Mittel:
Braucht man dazu noch etwas zu sagen? Wenn man unbedingt das Haar in der Suppe suchen möchte, kann man darauf hinweisen, dass das Zentrum der Hochdruck-Anomalie leicht nach Westen verschoben ist und die Tiefdruck-Anomalie im östlichen Mittelmeer nur als neutraler Bereich in der Analyse erscheint. Auch war die Hochdruckbrücke im Bereich der Azoren etwas stabiler als erwartet. Ansonsten gilt nur festzustellen: Das war die beste Prognoseleistung des Modells seit langem.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Nicht viel anders präsentiert sich die Analyse der Luftmassen-Anomalie in 1500 m Höhe: Die Wärmeblase ist zusammen mit dem Hochdruck etwas nach Westen verschoben. Statt über dem Baltikum lag der Hitzepol in Mittelschweden. Dasselbe Phänomen treffen wir im Mittelmeerraum an, wo das Zentrum der Kälte etwas westlicher eintraf als berechnet. Am Boden wiederum zeigt sich folgendes Bild:
Typisch für sehr sonnige Monate des Sommerhalbjahres zeigt sich hier, dass die Erwärmung am Boden über der Landmasse noch ausgeprägter war als in der Höhe. Mit einer Abweichung von regional über vier Grad gegenüber der Klimanorm hat das Modell nicht gerechnet. Dazu muss man wissen, dass sich Langfristmodelle schlecht für das Erkennen von Rekorden eignen, wie schon der Dezember 2015 gezeigt hat (und – Vorsicht, Spekulation! – möglicherweise der Oktober 2016 in die gegenteilige Richtung zeigen wird). Der Trend wurde aber unübersehbar erkannt. Einen Unterschied vom Boden zu den Luftmassen in der Höhe erkennt man auch über dem Mittelmeer: Hier wurde die Höhenkaltluft durch das warme Wasser in den untersten Luftschichten neutralisiert.
Auch die Niederschlagsverteilung ist mit ein paar lokalen Abweichungen der Prognose gefolgt:
Verbreitet resultiert ein deutlich zu trockener Monat in weiten Teilen Mitteleuropas, etwas akzentuiert im Osten. Auffällig ist die positive Anomalie im nördlichen Alpenvorland, welche auf die viertägige Nordstau-Episode vom 16. bis 19. September zurückzuführen ist. Es war dies die einzige tiefdruckbestimmte Phase des Monats, welche von uns anlässlich des GordonBennett-Rennens ausführlich dokumentiert wurde. Wie gut abgesehen von diesem Intermezzo die Blockade der Westwinddrift vom Atlantik her funktioniert hat, erkennt man an der deutlich zu nassen Zone, die vom Atlantik auf Irland zusteuert und dann scharf nach Norden umbiegt.
Die statistische Witterungsanalyse bestätigt eindrücklich das oben beschriebene:
Nur 10 von 30 Tagen waren nass, 18 warme Tage stehen einem einzigen kalten gegenüber. An 21 Tagen herrschten die als dominant vorhergesagten Witterungstypen West bis Süd und Hoch. Selten findet man Monate, in dem die meisten Windrichtungen (ausser Nordwest) so gleichmässig vertreten sind. Eigentlich könnte auch der GWT Tief Mitteleuropa mit drei Tagen vertreten sein, wir haben diese jedoch als Südost zyklonal dem GWT Ost zugeteilt – ein Grenzfall. Details dazu liefert unser Wetterlagenkalender.
Die Langfristprognose für den Oktober findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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