Lässt man die Berichte über das Wetter im März in den Medien oder in Wetterforen vor dem inneren Auge passieren, so stechen vor allem die Stichworte “kalt und winterlich” hervor, ja selbst der Begriff “Märzwinter” wurde inflationär bemüht. Schaut man sich die Statistiken an, so kommt bei der Mitteltemperatur in weiten Teilen Mitteleuropas im Vergleich zur Klimanorm 1981-2010 ein 0.5 bis 1 Grad zu kühler März heraus, beim Vergleich zur alten Norm 1961-90 sogar eine schwarze Null, im östlichen Mitteleuropa ein leicht überdurchschnittlich temperierter Monat. Ein völlig normaler März also, suggerieren uns die Zahlen. Doch solche Statistiken sagen meist nur die halbe Wahrheit, und diesem Fall nicht mal dies. Denn mit “Normalität” hatte der März 2016 mit seinem permanenten Herumdümpeln um oder leicht unter dem langjährigen Temperaturmittel recht wenig zu tun. Ein normaler März ist geprägt von einem Wechsel milder und winterlicher Abschnitte, wobei es mitunter noch mal strenge Fröste geben kann. Typisch für den März ist auch ein starker Tagesgang mit klaren, frostigen Nächten und sonnigen, warmen Tagen. Genau dieser Witterungstyp fehlte jedoch in diesem Monat fast völlig.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Richtig winterlich präsentierte sich dieser Monat nur an einzelnen Tagen, wie hier in Muri bei Bern am Morgen des 8. März
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den März, erstellt am 29. Februar, lautete wie folgt:
Bis vor wenigen Tagen ging das Langfristmodell CFS noch von einem starken Azorenhoch und einer permanenten Troglage über West- und Mitteleuropa aus, die neuesten Läufe zeigen nun aber total verschiedene Varianten bis hin zum anderen Extrem mit einer negativen Druckanomalie von den Azoren bis ins Mittelmeer. Unsere Wahl fiel daher auf eine Kompromisslösung, welche diese beiden Trends in sich vereinigt: Das Azorenhoch ist stärker als im langjährigen Schnitt, aber nicht extrem. Gleichzeitig etabliert sich eine positive Druckanomalie über Nordeuropa und Westrussland. Von Mitteleuropa bis ins zentrale Mittelmeer erstreckt sich eine Zone mit leicht unternormalem Druck. Anhand der bereits jetzt verfügbaren Mittelfristprognosen kann man davon ausgehen, dass die erste Monatshälfte überwiegend von Nordwestlagen geprägt sein wird, wobei die Tiefdruckgebiete immer wieder über Westeuropa in den westlichen bis zentralen Mittelmeerraum abtropfen. In der zweiten Monatshälfte dürfte sich das Azorenhoch abschwächen, die atlantische Westwinddrift kommt zum erliegen. Unter dem Regime eines Skandinavienhochs überwiegen dann wahrscheinlich Ostlagen.
Dieses Szenario bedeutet, dass uns das Azorenhoch zunächst die „kalte Schulter“ zeigt: An deren Nordostflanke bringen atlantische Tiefdruckgebiete wiederholt mässig kalte Polarluft nach Westeuropa und in den westlichen Mittelmeerraum, wo die Höhenkaltluft über dem relativ warmen Wasser neue Tiefdruckbildungen verursacht. Auf deren Vorderseiten wird immer wieder sehr warme Luft aus Süden nach Osteuropa geführt, was dort für einen übernormal warmen März sorgt. Die maximalen Abweichungen gegenüber der Klimanorm liegen bei etwa vier Grad mit Schwerpunkt in Südosteuropa. West- und Mitteleuropa dürfte hingegen einen leicht kühleren März als im Schnitt erleben. Die Abweichungen gegenüber dem langjährigen Mittel liegen hier bei ungefähr -1 Grad für den Gesamtmonat, wobei die erste Monatshälfte deutlich zu kühl, die zweite hingegen eher wieder etwas wärmer als üblich ausfallen dürfte. Denn die zweite Märzhälfte soll ja unter den Einfluss von eher warmen Luftmassen aus östlicher Richtung zu liegen kommen. Osteuropa erwärmt sich schneller als sonst im Frühling, da dort die übliche Schneedecke zur Gänze fehlt und die zunehmende Sonnenenergie statt in den Schmelzprozess direkt in die Erwärmung von Boden und Luft einfliessen kann. In Skandinavien sorgt hingegen die Ostströmung für Zufuhr kalter Luftmassen aus dem immer noch schneebedeckten Nordrussland, wodurch hier die Monatsmitteltemperatur etwas unter dem langjährigen Mittel zu liegen kommen dürfte. Das völlig eisfreie Europäische Nordmeer wiederum sorgt weiter für extreme positive Abweichungen von teils über zehn Grad zwischen Grönland und Spitzbergen.
Mit der Nordwestströmung in der ersten Märzhälfte setzt sich in West- und Mitteleuropa das überwiegend trübe und nasskalte Wetter der letzten Februartage fort. In den Niederungen fällt zeitweise Schnee, der jedoch mangels klarer und kalter Nächte und dank kurzen Einschüben milderer Atlantikluft nie lange überlebt. In Mittel- und Hochgebirgslagen wächst die Schneedecke hingegen auf für die Jahreszeit übernormale Werte an. In der zweiten Monatshälfte steigt auch hier die Wahrscheinlichkeit für längere trockene Phasen. Die Tiefdruckgebiete sorgen im westlichen und zentralen Mittelmeer für Unwetter mit starken Regenfällen und eingelagerten Gewittern, mitunter kann es auch mal Schnee bis auf Meereshöhe geben. Ein eher trockener März wird für das nördliche Mittel- und Osteuropa sowie Skandinavien erwartet.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des 500-hPa-Geopotenzials gegenüber dem langjährigen Mittel:
Auch in dieser Prognose wurde die räumliche Verteilung der Druckanomalien recht gut getroffen. Das Azorenhoch war etwas stärker als im langjährigen Mittel, hier stimmt sogar der Betrag der Abweichung (6 dam in der Prognose entsprechen 60 m in der Analyse) recht gut, und auch die Brücke im Atlantik zum Hochdruck im Norden wurde richtig erfasst. Dieser jedoch hatte seinen Schwerpunkt etwas westlicher als erwartet, nämlich von Island bis zum Nordmeer statt über Nordskandinavien. Die Tiefdruckanomalie über Südwesteuropa ist fast richtig plaziert, erfolgte aber deutlich stärker als prognostiziert. Ein Blick auf den Wetterlagenkalender zeigt, dass die Umstellung von Nordwestlagen (TRM wird zwar statistisch unter Nordlagen geführt, ist aber meist ein Zwischending aus Nordwest und Nord) auf Ostlagen nicht erst zur Monatsmitte, sondern bereits nach dem ersten Drittel erfolgte. Vier Tage Nordwest gab es noch mal ab dem 21. März für vier Tage, bevor dann die endgültige Umstellung über Winkelwest zu Trog Westeuropa (=GWT Süd) mit einer deutlichen Erwärmung vollzogen wurde.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Recht genau wurde der Schlauch mit negativer Abweichung von Neufundland über den zentralen Nordatlantik hinweg bis nach Westeuropa getroffen. Die Kälte war über der Iberischen Halbinsel ausgeprägter als erwartet: eine Folge des permanenteren Tiefdrucks in dieser Region. Wichtig für uns ist, dass Betrag und Grenze zwischen unter- und überdurchschnittlichem Temperaturmittel über West- und Mitteleuropa sehr genau getroffen wurde, auch der Wärmepol über Südosteuropa traf wie erwartet ein. Nicht mehr stimmig ist die Temperaturprognose in Skandinavien. Durch das nach Westen verschobene Hochdruckzentrum lag Nordeuropa nicht unter dem Einfluss kalter Luft aus Nordrussland, sondern von wärmerer (!) Luft aus der Arktis.
Die Wahl des Modelllaufs mit der richtigen Druckverteilung hat auch die Niederschlagsprognosen bestätigt:
Die zu nasse Zone von Westeuropa bis in den Mittelmeerraum ist wie erwartet eingetroffen, sie war allerdings über Nordspanien und Südfrankreich nicht sehr ausgeprägt, denn dies hätte die nasseste Region werden sollen. Nordeuropa war wie erwartet trockener als üblich, der Schwerpunkt der Trockenheit lag aber analog zur Druckanomalie nicht über Skandinavien, sondern über dem Nordmeer. Fazit hier: Das grobe Muster stimmt, die regionalen Abweichungen sind dem langen Zeitraum entsprechend aber nicht ausgeblieben.
Die statistische Witterungsanalyse gaukelt uns die eingangs erwähnte “Normalität” vor:
Nur je drei zu kalte und zu warme Tage sind für einen März aussergewöhnlich wenig. Besondere Diskrepanz ruft die Tatsache hervor, dass drei Viertel des Monats unter dem Einfluss polarer Luftmassen (Grosswettertypen Nordwest, Nord und (Nord-)Ost) standen. Bei einer normalen winterlichen Vorgeschichte wäre der März unter diesen Gegebenheiten brutal kalt geworden, vergleichbar mit 2013 oder 2006. Angesichts des extrem milden Winters ohne dauerhafte Schneedecke über weiten Teilen Nord- und Osteuropas und einer extrem warmen Arktis war aber in diesen Regionen schlicht keine echte Kaltluft vorhanden. Statt klarer Nächte mit strengem Frost über einer Schneedecke lieferten die Luftmassen aus Nord bis Ost Hochnebelgesupp mit schwachem Tagesgang knapp über dem Gefrierpunkt. Kein Märzwinter, sondern tristes Dauergrau ohne nennenswerte Niederschläge. Dennoch war diese Witterung dazu in der Lage, den noch im Februar deutlichen Vegetationsvorsprung einzubremsen und den Blühbeginn z.B. der Birke auf den Zeitpunkt der langjährigen Norm hinauszuzögern.
Die Langfristprognose für den April findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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