Über den Juli 2017 lässt sich unter Wetterbegeisterten trefflich streiten. Die einen fanden ihn einen tollen Sommermonat, die andern reihen ihn unter die Tonnenmonate ein. Die einen klagten über die schwüle Hitze, die andern über fehlende Sonnenstunden. Während mancherorts die Himmelsschleusen so weit geöffnet waren, dass es zu Hochwasser und Überflutungen kam, beklagt man andernorts die fortdauernde Trockenheit. Und nur wenige Kilometer neben jenen Gebieten, die fast täglich von Gewittern getroffen wurden, gibt es Gewitterfans die über den gewitterärmsten Sommer seit langem lamentieren. Nun, dass das Wetter es nie allen recht machen kann, ist nicht neu. Da man bekanntlich mit Statistiken fast alles beweisen oder widerlegen kann, zieht man am besten die gemittelte Monatstemperatur heran und kommt zum Schluss: ein völlig normaler Juli. Wirklich?

Nicht nur den Menschen macht die schwüle Hitze zu schaffen: Vom Jungspatz bis zur Sonnenblume macht im Juli 2017 alles schlapp
Die orniwetter.info/fotometeo.ch-Prognose für den Juli, erstellt am 30. Juni, lautete wie folgt:
In der Karte der steuernden Druckgebilde in höheren Luftschichten wird ein relativ stabiles und durchgehendes Band von Tiefdruckanomalien von Neufundland über den Nordatlantik hinweg nach Schottland und Skandinavien gezeigt. Der subtropische Hochdruckgürtel von den Azoren zum Mittelmeer wird normal berechnet, es gibt eine schwache positive Abweichung über dem Atlantik vor Portugal und eine etwas stärkere über Südosteuropa. Zwischen diesen Bändern stellt sich somit eine gesunde, relativ straffe Westströmung ein, wobei die Frontalzone im Schnitt auf der Höhe Irland-Dänemark-Baltikum zu liegen kommt. Westlagen werden somit den Juli 2017 deutlich dominieren, für andere Grosswettertypen ausser kurzen Phasen der gemischen Zirkulation (Nordwest, Südwest, Hoch, Brücke und Tief Mitteleuropa) wird da kaum viel Platz sein.
Weite Teile Europas und der angrenzenden Meere werden normal bis leicht unterdurchschnittlich temperiert berechnet (wobei die Karte unten nicht die Abweichung am Boden, sondern in 1500 m Höhe zeigt: In den tiefen Luftschichten wird aufgrund der überdurchschnittlichen Wassertemperaturen auch eine positive Anomalie im Nordmeer erwartet). Nur in den erwähnten Gebieten mit überdurchschnittlichem Hochdruck in Portugal und Südosteuropa weisen die Berechnungen eine leicht positive Temperaturanomalie auf. Mitteleuropa wird ungefähr im langjährigen Schnitt landen, wobei es ein leichtes Südost-Nordwest-Gefälle gibt: Ein leicht wärmerer Juli ist somit – unterstützt durch Föhneffekte – im östlichen Alpenraum und auf der Südseite wahrscheinlich, während in Nordseenähe ein leicht unterkühlter Monat resultieren dürfte, der ungefähr der älteren Klimanorm 1961-90 entspricht.
Aufgrund der Westlagendominanz werden weite Teile Mitteleuropas mit einem niederschlagsreichen Juli rechnen müssen. Insbesondere die West- bis Nordwestflanken von Alpen und Mittelgebirge werden wohl in den Genuss (aufgrund des aufsummierten Niederschlagsdefizits des ersten Halbjahres sei diese Wertung ausnahmsweise erlaubt) eines deutlich zu nassen Monats kommen. Keine Entlastung in Sachen Trockenheit kann man östlich und südlich der Alpen erwarten, da diese sich bei Westlagen häufig im Regenschatten befinden. Auf der Niederschlagskarte unten kann man auch sehr schön die durchschnittliche Zugbahn der Tiefdruckgebiete über den Nordatlantik nach Skandinavien erkennen. Die tiefroten Flecke im Mittelmeerraum sind wie immer im Sommer nicht als Alarmzeichen, sondern als mögliche, nicht geografisch präzis gerechnete Gewitter zu deuten, welche punktuell rasch zu hohen Abweichungen gegenüber der langjährigen Norm führen können und wahrscheinlich nicht die hier gezeigte Ausdehnung aufweisen werden.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds (5500 m) gegenüber dem langjährigen Mittel:
Auch in diesem Monat wurde das zonale Zirkulationsmuster bestens prognostiziert. Das Azorenhoch war allerdings stärker als erwartet, und die Tiefdruckaktivität war etwas mehr auf Nordeuropa konzentriert als auf den Nordatlantik. An der westlagendominierten Witterung in Mitteleuropa änderten diese Details allerdings kaum etwas. Interessant ist die Erkenntnis, dass Mitteleuropa in der Weder-Fisch-noch-Vogel-Zone zu liegen kam. Als ob sich die Druckgebiete nicht entscheiden konnten, uns unter zyklonalen oder antizyklonalen Einfluss zu setzen, spreizt sich genau hier der neutrale Bereich auf. Was irgendwie zu diesem abnormal normalen Hochsommermonat passt.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
In den ergänzenden Kommentaren zur Temperaturprognose in den Wetterforen wurden die unplausibel erscheinenden negativen Abweichungen auf derart grosser Fläche diskutiert. In der Tat sieht die Analyse weitaus weniger dramatisch aus. Man muss zum Schluss kommen, dass die Langfristmodelle mit den veränderten klimatischen Verhältnissen insbesondere in der Arktis nicht mehr zurecht kommen und immer häufiger zu tiefe Werte prognostizieren. Jedenfalls ist der Gürtel mit positiver Abweichung in der Südhälfte Europas zum langjährigen Mittel beachtlich, wobei die Prognose die Konzentration der Hitze auf den Südosten gut getroffen hat. Im Norden stimmt die Verteilung überhaupt nicht, am extremsten sind die Differenzen in Grönland und über dem Nordmeer, wo die Abweichungen geografisch genau vertauscht sind. Die stärkere negative Abweichung im Raum Südskandinavien-Baltikum ist auf die dort stärkere Tiefdruckaktivität zurückzuführen. Das für Mitteleuropa prognostizierte Süd-Nord-Gefälle ist eingetroffen, mit der Lokalbrille betrachtet war die Prognose diesmal nahezu perfekt.
Noch deutlicher tritt dieses Süd-Nord-Gefälle in der Analyse der Bodentemperaturen zutage. Während an der Ostsee die Abweichung zur Klimanorm 1981-2010 bis zu -2 Grad beträgt, liegt sie am Süd- und Ostrand der Alpen bei +1 Grad. Einen ausgeprägten Hitzemonat erlebten die Länder Süd- und insbesondere Südosteuropas.
Besser als die Temperaturen (gesamteuropäisch betrachtet) wurde die Niederschlagsverteilung prognostiziert:
Wenig erstaunlich anhand des Zirkulationsmusters ist der nasse Westwindgürtel vom Nordatlantik bis nach Mitteleuropa hinein. Die Trockenheit setzte sich wie erwartet östlich und südlich der Alpen fort (auch der Nordosten Österreichs blieb trocken, hier spielt uns die grob aufgelöste Analysekarte wieder mal einen Streich). Die drei bis knapp fünf Millimeter zusätzlichen Regen pro Tag gemittelt ergeben in weiten Teilen Mitteleuropas einen Monatsüberschuss von 100 bis 150 mm, was der doppelten bis dreifachen Menge eines üblichen Juliniederschlags entspricht. Dies zeigt sich auch in der Analyse der Witterungstypen:
22 nasse Tage stehen nur gerade neun trockenen gegenüber. Auffällig ist der hohe Anteil eines Monatsdrittels des Typs feucht-warm. Mehr als die Hälfte des Monats war von Westlagen geprägt, und diese wurden wie prognostiziert hauptsächlich von Typen der gemischten Zirkulation unterbrochen. Die überwiegend feuchte Witterung ist auf das Fehlen von hochdruckgeprägten Wetterlagen zurückzuführen: Die drei Tage des GWT Hoch gehen auf eine wacklige Hochdruckbrücke zurück, die im Sommer so gut wie nie für stabile Verhältnisse zu sorgen vermag. Auch die fünf Tage des Typs Süd sind nicht etwa einer trockenen Föhnlage zuzuschreiben, sondern der ausgeprägt feuchten GWL Tief Britische Inseln, die unter langsamer Ostverlagerung in die GWL Tief Mitteleuropa mündete und vor allem der Mitte und dem Norden Deutschlands und in der Folge auch lokal dem Alpennordrand Rekordniederschläge bescherte.
Die Langfristprognose für den August findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.