Mehr Spannung, Abwechslung und Rekorde am Laufmeter als der Juli 2015 kann ein Sommermonat in Mitteleuropa gar nicht bieten. Da war einerseits die Hitze und Dürre, die im südlichen Mitteleuropa mancherorts neue Ausmasse erreichte (neuer Deutschland-Rekord mit 40.3 Grad im Nordbayerischen Kitzingen, 39.7 Grad in Genf als neuer Rekord auf der Alpennordseite der Schweiz, mancherorts 24 niederschlagsfreie Tage am Stück bei gleichzeitig viel Hitze und zusätzlich austrocknendem Wind). Doch auch in Norddeutschland wurden um den 5. Juli herum neue Stationsrekorde gemessen, hier allerdings war die Hitze nur ein kurzer Gast und vielmehr verblüffte der Rest des Monats durch eine nahezu stationäre und scharfe Luftmassengrenze, die sich quer durch die Mitte Deutschlands zog. In der letzten Juliwoche wiederum sorgte ein Kaltlufteinbruch für Morgenfrost in Mittelgebirgslagen. Vorausgegangen war ein Sturm mit Windspitzen, die in einem Juli noch nie gemessen wurden (121 km/h in IJmuiden / Niederlande, 159 km/h auf dem Brocken, hier zudem Spitzen von über 90 km/h an sechs aufeinander folgenden Tagen).

So wie hier am 14. Juli 2015 in der Nähe von La Sarraz (Westschweiz) sieht es vielerorts im Flachland Mitteleuropas aus.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Juli, erstellt am 29. Juni, lautete wie folgt:
Über den Gesamtmonat gemittelt zeigt die Höhendruckkarte eine stark ausgeprägte positive Anomalie über fast ganz Nord- und Mitteleuropa mit Zentrum über der Ostsee. Der korrespondierende Bodenhochdruck hat sein Zentrum über dem Baltikum, bedeckt aber ebenfalls fast den gesamten Kontinent. Eine leicht negative Druckanomalie ist von Grönland über Island bis zu den Azoren sowie über dem zentralen Mittelmeer zu finden. Dies bedeutet eine ausgeprägte Blockade der Westwinddrift über Europa. Das Muster entspricht einer Omega-Lage, bei welcher westlich des Hochdruckzentrums (also über Westeuropa) sehr warme Luftströmungen aus vorwiegend südlichen Richtungen vorherrschen, während an der Ostflanke des Hochs über Westrussland kühlere Luft in Richtung östliches Mittelmeer vorstösst. Atlantische Störungen erreichen den Kontinent nur selten, womit sich Europa unter Hochdruckeinfluss und viel Sonnenschein seine Hitze selbst produziert.
Bei dieser Konstellation ist ein heisser Juli in fast ganz Europa zu erwarten, insbesondere im Westen, im Zentrum und im Norden. Mit einer Abweichung gegenüber dem langjährigen Mittel von 3-4 Grad rückt der Juli 2015 in Mitteleuropa in die Nähe der wärmsten bisher gemessenen Monate überhaupt (je nach Region Juli 2006 oder August 2003). Kühler als üblich wird der Juli wahrscheinlich nur in Südosteuropa und in der Osthälfte des Mittelmeerraums.
Der überwiegende Hochdruckeinfluss bringt auch eine ausgeprägte Trockenheit in weiten Teilen Europas mit sich. Ausnahmen bilden die Gebirge, wo sich regelmässig Hitzegewitter entladen können. Die Gefahr von wiederholt heftigen Gewittern besteht in der Südwestströmung von Spanien über Frankreich bis nach Nordwesteuropa. Die in der Karte extrem roten Gebiete im zentralen und östlichen Mittelmeerraum sind nicht überzubewerten: Im normalerweise trockenen Hochsommer können bereits einzelne Gewitter sehr schnell das doppelte bis mehrfache eines üblichen Monatsniederschlags bringen. Die Niederschlagskarte zeigt auch, dass der nasse Westwindgürtel sehr weit nördlich, nämlich zwischen Island und Nordskandinavien verläuft.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
Erstmals seit langem muss man dieser Prognose wieder mal das Prädikat “völlig daneben” austeilen. Der zu Monatsbeginn von Mitteleuropa bis nach Skandinavien aufsteilende Hochdruckkeil entpuppte sich als Strohfeuer, bereits nach wenigen Tagen stellte sich die zonale Struktur mit Südwest-, West- und Nordwestlagen wieder ein und hielt sich bis zum Monatsende. Grund dafür war eine für die Jahreszeit aussergewöhnliche Tiefdruckproduktion über dem Nordatlantik, die zudem die Tiefs reihenweise nach Skandinavien schickte. Einzig das südliche Mitteleuropa und der Mittelmeerraum profitierten vom beständigen Hoch, das in der Prognose viel weiter nördlich gerechnet wurde. Die Karten nur wenige Tage zuvor, auf die sich unsere Siebenschläfer-Prognose stützte, waren noch um ein Vielfaches besser gewesen und hatten diese Entwicklung eines Achterbahnsommers deutlicher gezeigt. Es erstaunt daher kaum, dass auch die Temperaturprognose für den Grossteil Europas falsch waren:
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur (oben Prognose, unten Analyse):
Es zeigt sich ein ähnliches Bild wie bereits im Juni: Sehr hohe Abweichungen im südlichen Mitteleuropa und im Mittelmeerraum mit stellenweise dem heissesten Juli in der Geschichte der modernen Wetteraufzeichnungen, insbesondere im Streifen von Ostfrankreich über die Alpensüdseite bis zum nördlichen Balkan mit Abweichungen zur Klimanorm von teilweise deutlich über 3 Grad. Die Erhaltungsneigung des zu kühlen Westwindgürtels von Neufundland über den gesamten Nordatlantik hinweg bis nach Nordeuropa ist bemerkenswert. Auf die Gründe dieser aussergewöhnlichen Temperaturverteilung werden wir in der Analyse zur Siebenschläfer-Prognose detaillierter eingehen, da sich auch für den August keine wesentliche Änderung abzeichnet. Wie schon in den vorangegangenen Monaten Mai und Juni müssen wir zugestehen, dass die Prognose für den Alpenraum zwar perfekt war, man den Rest aber ungeschminkt in die Tonne kloppen kann.
Dass sich die Fehlprognose auch bei der Niederschlagsverteilung zeigt, erstaunt daher wenig:
Zwar wurde die Fortsetzung der Trockenheit im Flachland von Süddeutschland bis nach Osteuropa richtig erkannt und auch die Gewitter in den Alpen sind eingetroffen. Nordeuropa war deutlich nasser als erwartet, während Frankreich nicht von den Gewittern aus Spanien profitieren konnte und eine ebenso schlimme Dürreperiode erlebt wie Osteuropa.
Die Statistik über die Wetterlagenverteilung im südlichen Mitteleuropa präsentiert sich wie folgt:
Die Dominanz von West- und Südwestlagen auf Kosten der prognostizierten Hochdrucklagen ist frappant, wenn auch insgesamt 18 Tage antizyklonal geprägt waren. Meridionale Grosswettertypen (Nord, Ost und Süd) blieben wie erwartet völlig aus, immerhin diesbezüglich kann ein kleiner Pluspunkt als Trostpreis verbucht werden.
Die Langfristprognose für den August findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.