Der Juli 2014 war in Mitteleuropa meilenweit entfernt davon, einem „durchschnittlichen mitteleuropäischen Sommer“ wie in manchen Siebenschläfer-Prognosen angekündigt, zu entsprechen. Die Kombination von rekordverdächtig hohen Niederschlägen (im Schnitt der nasseste Juli seit 1957, an manchen Stationen sogar der nasseste seit Messbeginn) und zu hohen Temperaturen zumindest in den nördlicheren Regionen ist in der langjährigen Klimastatistik in dieser Ausprägung ein Novum. Allerdings muss man dabei auch das extreme Nord-Süd-Gefälle beachten: Sehr warm war der Juli 2014 im Norden mit bis zu 3 Grad Abweichung zur Klimanorm 1981-2010, extrem nass und dabei sogar geringfügig zu kühl im Alpenraum und noch deutlicher zu kühl südlich der Alpen. Der höchste Monatsniederschlag wurde im Nordschwarzwald mit rund 600 mm verzeichnet (Quelle: meteogroup), während der höchste Tagesniederschlag an einer WMO-genormten Wetterstation mit 158 mm am 30.07. in Podersdorf am Neusiedler See gemessen wurde (Quelle: ZAMG).
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langzeitprognose für den Juli, erstellt am 30. Juni, lautete wie folgt:
Für den Juli wird die auffälligste positive Druckanomalie für den Nordatlantik westlich von Schottland und südlich von Island berechnet, die korrespondierende leicht negative Druckanomalie westlich von Portugal bis zum Alpenraum deutet auf ein etwas geschwächtes bzw. nach Westen verlagertes Azorenhoch hin. Diese negative NAO-Lage (NAO = Nordatlantische Oszillation) hält nun bereits seit April an und bedeutet für Europa, dass die üblicherweise dominierenden Westlagen seltener als im klimatologischen Mittel auftreten. Die Druckkonstellation begünstigt eher Nordwest- bis Nordlagen. Entsprechend wird für fast das gesamte Festland Europas mit Ausnahme Skandinaviens und Russlands das Monatsmittel 1 bis 2 Grad zu kühl gegenüber dem Mittel 1981-2010 berechnet. Weitere Ausnahmen mit leicht positiver Abweichung bestehen am Nordrand der Alpen sowie nördlich der Pyrenäen, was durch kurze, aber wirkungsvolle Südwestlagen zustande kommen dürfte. Auf solche Föhnlagen deuten auch positive Abweichungen beim Niederschlag auf den Südseiten dieser Gebirgszüge (Norditalien und Nordspanien) hin, während es nördlich davon zu trocken sein soll. Ein weiteres Gebiet mit übernormalem Niederschlag wird für Frankreich und Deutschland und in noch etwas ausgeprägterem Mass für weite Teile Mittel-Osteuropas und Südosteuropas berechnet. Die Interpretation für Mitteleuropa lässt einen wechselhaften Juli mit kühlen Nord- und heissen Südlagen mit feuchten West- bis Nordwestlagen als Übergänge dazwischen erwarten, wobei die zu kühlen Witterungsphasen in der Überzahl sein dürften. Für Urlauber interessant dürfte die Information sein, dass auch für Teile Griechenlands und der Türkei ein zu nasser Juli erwartet wird, während der westliche bis zentrale Mittelmeerraum von Südspanien bis Südgriechenland für die Jahreszeit üblich so gut wie keinen Niederschlag erhalten soll.
Die Grundlage für diese Prognose stellte diese Karte des amerikanischen Langfristmodells CFSv2, dargestellt ist die über den ganzen Monat gemittelte Druckanomalie in rund 5000 m Höhe:
Zum Vergleich die Reanalyse der National Oceanic & Atmospheric Adminstration NOAA:
Wie die Kreisdiagramme am Ende dieses Artikels zeigen, sind gerade die in der Prognose besonders hervorgehobenen Nord- und Nordwestlagen völlig ausgeblieben. Auf den ersten Blick ein vernichtendes Urteil, und doch war die Prognose nicht so falsch. Denn ein kleines Detail war entscheidend: Das blockierende Hoch hatte sein Zentrum nicht wie erwartet über Nordwestrussland, sondern häufiger über Skandinavien. Die anderen Druckanomalien, insbesondere das nach Westen verschobene Azorenhoch und die Austrogungen Richtung Westeuropa und westlichen Mittelmeerraum, waren hingegen hervorragend prognostiziert. Mit einem Blockadehoch im Osten wäre die GWL Trog Mitteleuropa, welche zu den Nordlagen zählt, häufig aufgetreten. In diesem Monat war aber die GWL Tief Mitteleuropa an 14 Tagen wetterbestimmend. Den kleinen, aber feinen Unterschied stellen die zwei folgenden Karten dar. Die erste zeigt eine typische Situation für Trog Mitteleuropa (Ende Juni 2013). Der Trog wird flankiert von zwei Hochs im Westen und Osten, während er im Norden mit einem Tief verbunden ist. Kalte Luft strömt auf der Rückseite des Trogs aus Nordwest bis Nord nach Mitteleuropa, während über Osteuropa der Warmluftstrom aus Süden direkt nach Finnland zieht:
Die im Juli 2014 dominante Lage Tief Mitteleuropa kommt dadurch zustande, dass nicht nur im Westen und Osten, sondern zusätzlich auch im Norden ein Hoch sitzt. Damit wird der Warmluftstrom nördlich des Tiefs nach Westen umgelenkt und beschert so dem nördlichen Mitteleuropa überdurchschnittliche Temperaturen, aber auch heftige Gewitter. Im Tief selbst werden die beiden feuchten Luftmassen vermischt und angehoben, was zu einem Wechsel von Dauerregen und Gewittern führt:
Dieser kleine, aber wirkungsvolle Unterschied kommt auch bei der Temperaturverteilung zu tragen. Die folgenden Karten zeigen die Abweichung der Mitteltemperatur in rund 1500 m Höhe gegenüber der Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Abgesehen von der Westverschiebung des nordosteuropäischen Wärmepols war die Prognose schon fast verblüffend genau. Die oben beschriebene Wirkung der nördlich der Mitteleuropatiefs herumgeholten Mittelmeerluft lässt sich besonders von Norddeutschland bis zu den Britischen Inseln beobachten. Nicht im erwarteten Mass zu tragen kamen die Föhnlagen am nördlichen Alpenrand, die paar wenigen Hitzetage hier vermochten das Defizit durch die Abkühlung im Dauerregen nicht vollständig auszugleichen.
Besonders interessant ist bei einer solchen Lage natürlich die Auswertung der Niederschlagsverteilung:
Wie erwartet bekamen weite Teile Mittel- und Südeuropas weit überdurchschnittliche Regenmengen ab, in den Westalpen bis zur vierfachen Menge eines durchschnittlichen Julimonats. Das „Loch“ über den Zentral- und Ostalpen bedeutet nicht etwa, dass es hier trocken war. Die Karte zeigt ja die Abweichung zur Norm, und die Alpen sind nun mal besonders im Sommerhalbjahr der Schüttstein des Kontinents. Allerdings sind die inneralpinen Täler wie das Rhonetal, das Inntal oder auch der Lungau von den aus allen Richtungen aufziehenden Regenwolken abgeschirmt, sodass hier tatsächlich nur die durchschnittliche Regenmenge fiel. Nicht aufgelöst werden können in dieser Übersichtskarte die starken lokalen Unterschiede, die durch Schauer und Gewitter zustande kommen. Die überdurchschnittlichen Regenmengen in Teilen Skandinaviens mögen angesichts des dominierenden Hochdrucks erstaunen, sie kamen wohl durch konvektive Ereignisse der aus Südosten herangeführten Luftmassen zustande (Hitzegewitter über dem Land, die über dem Meer ausbleiben).
Zum Schluss die statistische Auswertung der Wetterlagen im Juli 2014: