Die Schlagzeile machte bereits eine Woche vor Monatsende die Runde: Der Januar 2017 ist der kälteste seit 30 Jahren, zumindest im südlichen Mitteleuropa. Daran wollen wir auch gar nicht rütteln, nur eines müssen wir klarstellen, da viele diese Meldung missverstanden hatten: Es war keineswegs nie mehr seit 30 Jahren so kalt wie in den letzten Wochen. Vergleichbare Kältewellen gab es in den letzten 30 Jahren mehrere, und jene von Ende Januar bis Mitte Februar 2012 war sogar noch deutlich extremer. Nur fielen diese nicht gänzlich in den Januar, überhaupt war der Januar in letzter Zeit häufig mild oder wies nur kurze und gemässigte Kältewellen auf. Verglichen mit Strengwintern des letzten Jahrhunderts ist und bleibt auch der Winter 2017 ein zahmes Kind, so viel kann man bereits heute trotz noch unsicheren Prognosen für den Februar ohne allzu grosses Risiko behaupten. Das mediale Eiszeit-Tamtam der letzten Wochen verdeutlicht aber, wie sehr wir uns an milde Winter gewöhnt haben, an echte Strengwinter kann sich bereits die Hälfte der heute lebenden Menschen in Mitteleuropa gar nicht mehr erinnern.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Januar, erstellt am 31. Dezember, lautete wie folgt:
Der von uns favorisierte Modell-Lauf zeigt uns im Bodendruckfeld eine kräftige negative Anomalie, die sich vom zentralen Nordatlantik über die Azoren bis nach Mitteleuropa erstreckt. Hingegen liegt eine ausgesprochen deutliche positive Anomalie über der gesamten Zone nördlich des 55. bis 60. Breitengrades. Diese Verteilung ist typisch für eine leicht negative Nordatlantische Oszillation (NAO-). Die absolute Druckverteilung ist aber nicht derart extrem, dass im Norden nur Hoch- und im Süden nur Tiefdruck herrschen würde. Vielmehr gibt es Hinweise darauf, dass sich das Azorenhoch immer etwas mehr nach Norden verschiebt, also ins Seegebiet zwischen Schottland und Island zu liegen kommt. Das begünstigt einerseits Austrogungen aus Nordwest bis Nord über der Osthälfte Europas, welche nach den aktuellen Mittelfristprognosen die erste Monatshälfte dominieren dürften, andererseits aber auch das Unterlaufen des Hochs durch atlantische Tiefs, was eine südliche Westlage in der zweiten Monatshälfte erwarten lässt.
Die Verteilung der Temperaturanomalien lässt ein deutlich zu kaltes Nord- und Nordosteuropa erwarten. Mitteleuropa liegt in einer Zone mit leicht negativer Abweichung. Nun kommt es stark auf die Persistenz der Wetterlagen an. Die von uns ausgewählte Karte lässt erwarten, dass eine durchaus knackige, aber nicht allzu lange (4-6 Tage) dauernde Nordlage in einem ansonsten relativ normal temperierten Monat das Monatsmittel unter die langjährige Norm drückt. Der weitere (unsichere) Verlauf des Monats wird darüber entscheiden, wie viel bis zum Ende von diesem Minus noch übrig bleiben wird oder am Schluss vielleicht doch wieder mal eine schwarze Null dabei herausschaut. Soll zuletzt nicht der Hinweis darauf fehlen, dass Grönland und die Arktis weiterhin zu warm bleiben, wenn auch nicht mehr so extrem wie noch in den letzten Monaten.
Die Verteilung der Niederschläge ist entsprechend der unsicheren Lage nicht einfach einzuschätzen. Wie die Karte zeigt, gehen wir von einem zu nassen Südeuropa aus, was der oben erwähnten südlichen Westlage in der zweiten Monatshälfte geschuldet ist. In Mitteleuropa ist ein durchschnittlicher, regional leicht zu trockener Monat zu erwarten. Für die Alpen werden ungefähr 120 mm Niederschlagssumme erwartet, was in den Hochlagen um 2 Meter Neuschneesumme ergibt. Die bisherige Schneearmut dürfte also bald kein Thema mehr sein. In den Niederungen wird der Kälteeinbruch etwas Schnee liegen lassen, bei Südlicher Westlage wird es hingegen erfahrungsgemäss im Januar wegen des milden Atlantiks eher knapp mit nachhaltigem Schnee in den Tieflagen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendruckfelds gegenüber dem langjährigen Mittel:
Hatten wir im letzten Monat noch den richtigen Riecher, indem wir den einzig richtigen Modell-Lauf von zehn Läufen herauspicken konnten, ging genau dasselbe Verfahren für den Januar völlig schief. Auch hier gab es nur einen Lauf, der dem schlussendlich eingetroffenen Szenario sehr nahe kam, es war der 00z-Lauf vom 28. Dezember. Das von uns gewählte Szenario war in der Mehrheit, eine starke Minderheit zeigte extrem kalte Lösungen mit einem noch stärkeren Nordatlantikhoch und permanenter Nordostlage, die wir (zu Recht) verworfen hatten. Das Problem ist offensichtlich: Die Hochdruck-Anomalie lag deutlich südlicher als erwartet, nämlich auf der Achse Britische Inseln bis Baltikum statt über dem Nordmeer. Die von uns prognostizierte Umstellung auf mildere westliche Strömungen in der zweiten Monatshälfte kam in den letzten zwei Januar-Tagen deutlich zu spät, um die Prognose noch zu retten. Die Abfolge der Grosswetterlagen mit Nordwest bis Nord mit verbreiteten Schneefällen, gefolgt durch eine beständige Hochdruckbrücke über Mitteleuropa, war perfekt für die Produktion von bodennaher Kaltluft. Dieses Beispiel zeigt, dass wir keineswegs auf den Import von „sibirischer“ Luft aus Osten angwiesen sind, um einen ordentlichen Kernwinter zu erhalten.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die Differenzen zwischen Prognose und Analyse bei der grossräumigen Temperaturverteilung sind eklatant. Die Extreme liegen in Skandinavien, wo der Januar schlussendlich bis zu zwölf Grad wärmer wurde als vorhergesagt, aber auch in Südeuropa mit einem rund sechs Grad kälteren Monat als erwartet. Mitteleuropa kam mit einer Differenz von einem bis drei Grad noch relativ glimpflich davon, lag es doch in der Prognose am Südrand der Kälte. Interessant ist der Umstand, dass die extremste Kälte dort verzeichnet wurde, wo bereits im Dezember Kälte und Schnee für die deutlichsten Abweichungen gesorgt hatten. Dies zeigt die Wichtigkeit des Vorhandenseins einer beständigen Schneedecke für die weitere Produktion von bodennaher Kaltluft auf und wie schwierig es wird, einmal vorhandene strenge Kälte wieder auszuräumen. Man darf somit davon ausgehen, dass auf dem Balkan auch der Februar deutlich zu kalt ausfallen wird.
Weniger stark wirkte sich die Fehlprognose bei den Niederschlägen aus:
Das deutlich zu nasse Südeuropa wurde recht gut erfasst, wenn auch die dafür ursächlichen Wetterlagen andere waren als erwartet. Mitteleuropa wurde wie prognostiziert durchschnittlich bis leicht zu trocken. Im Alpenraum gibt es eine starke Differenz zwischen fast normal beschneitem Norden und einem sehr trockenen Süden, wobei sich die Niederschläge auf nur drei Ereignisse zu Beginn, zur Mitte und zum Ende des Monats konzentrierten. Schlecht war die Prognose für Nordeuropa, kein Wunder wenn das für dort prognostizierte Hoch zu südlich lag und stattdessen mit Westwinden permanent sehr milde und feuchte Meeresluft direkt nach Skandinavien geführt wurde.
Die Analyse der Witterungstypen bestätigt das Empfinden mit nur zwei zu warmen Tagen gegenüber 17 zu kalten. Auch die trockenen Tage sind mit 19 deutlich in der Mehrheit. Die Grosswettertypen-Analyse zeigt die Fortsetzung einer gemischten Zirkulation in diesem Winter, unterstrichen durch das Fehlen von Ostlagen und nur einem Tag mit Westlage. Auch hier wird die weitläufige Meinung widerlegt, dass nur meridionale Winter für ordentliche Kältewellen sorgen können.
Die Langfristprognose für den Februar findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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