Der Dezember 2016 ist beinahe eine perfekte Kopie seines Vorgängers 2015. Es gibt nur einen wesentlichen Unterschied: Statt über Italien lag der Schwerpunkt des Hochdrucks diesmal genau über Mitteleuropa. Die windschwachen Verhältnisse sorgten am Boden statt für Milde bei Südwestwind für permanente Inversionen: In den tiefsten Lagen hielt sich recht hartnäckig ein Kaltluftsee mit Nebel. Die Weihnachtstage zeigten wie es geht, wenn sich das Hoch nur wenig nach Süden zurückzieht: Der Druckgradient zwischen dem starken Hoch im Süden und den Tiefs im Norden sorgt für kräftigen Wind und zweistellige Tagestemperaturen sowie frostfreie Nächte. Und so war auf das Weihnachtstauwetter auch in diesem Jahr wieder Verlass, auch wenn es nur lokal etwas zu tauen gab.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Dezember, erstellt am 30. November, lautete wie folgt:
Die Bodendruckkarte des von uns ausgewählten Laufs zeigt eine deutlich positive Anomalie, die den ganzen europäischen Kontinent bedeckt. Der Schwerpunkt liegt mit einer Abweichung von 10 hPa gegenüber dem langjährigen Mittel über dem nördlichen Mitteleuropa. Negative Druckanomalien sind zwischen der Südspitze Grönlands und Island sowie von den Azoren bis nach Westafrika auszumachen. Dies deutet auf ein deutliches Übergewicht der Grosswetterlagen Hoch Britische Inseln bis Hoch Mitteleuropa hin, auch Ostlagen sind möglich. Der Betrag der Abweichung ist allerdings nicht so extrem, dass man von einer ganzmonatigen Dauerhochdrucklage ausgehen kann. Vermutlich stellt sich die Wetterlage in der zweiten Monatshälfte um, die Karte lässt allerdings keine Interpretation zu, in welche Richtung es gehen könnte. Sollte sich allerdings die Normalisierung des Polarwirbels wie in unserer Winterprognose zum Kernwinter hin tatsächlich einstellen, ist mit dem typischen Weihnachtstauwetter (milde Luftmassen vom Atlantik her) zu rechnen.
Häufiger Hochdruck im Winter bewirkt aufgrund der fehlenden Winde eine starke Inversionslage. In den höher gelegenen Gebieten ist es oft sonnig und mild, am Boden herrscht hingegen bei teils nebligen Verhältnissen Dauerfrost. Die Temperaturkarte zeigt dies mit einer leicht negativen Abweichung vom langjährigen Mittel im Flachland weiter Teile Mittel- und Südeuropas, während die Alpen als eine Insel mit positiver Abweichung von etwa 2 Grad aufscheinen. Die blockierende Wirkung des Hochs versperrt arktischen Luftmassen (die derzeit ohnehin viel zu warm sind) den Weg nach Europa. Entsprechend wird von einem deutlich zu warmen Dezember in Nordeuropa ausgegangen. Kaltluftausbrüche nehmen den Weg westlich von Grönland in Richtung Atlantik.
Diese Lage lässt in weiten Teilen Europas unterdurchschnittliche Niederschläge erwarten. Die Alpen südlich des Hauptkamms könnten sogar gänzlich trocken blieben, während auf der Nordseite ungefähr ein Fünftel des langjährigen Mittels gerechnet wird, dies entspricht je nach Region 10 bis 20 mm Niederschlag über den ganzen Monat verteilt. Für die Nordalpen und die südlichen Mittelgebirge bedeutet dies nach dem schneefressenden Föhn von Mitte November vermutlich Schneearmut bis nahe an Weihnachten. Bei einer (unsicheren) Umstellung auf Westlage zu den Feiertagen dürften zumindest die höheren Lagen einen Neuschneezuwachs erwarten.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendruckfelds gegenüber dem langjährigen Mittel:
Besser kann eine den ganzen Monat umfassende Druckfeldprognose kaum sein. Die Abweichung im Kern der positiven Anomalie wurde geringfügig zu schwach und ein wenig östlicher gerechnet. Ausserdem trat die negative Druckanomalie im Bereich der Kanarischen Inseln nicht auf, was ohnehin keinen Einfluss auf das mitteleuropäische Wetter gehabt hätte – das war es aber auch schon. An dieser Stelle darf wieder mal darauf hingewiesen werden, dass wir zum Ende des Vormonats jeweils die neuesten 8 bis 10 Modell-Läufe auf ihre Plausibilität prüfen und den uns für die Monatsprognose am besten erscheinenden auswählen. Es gab in einer riesigen Auswahl an Lösungen genau eine, welche das Szenario Hochdruck über Mitteleuropa zeigte, was nicht wirklich für das Modell, aber umso mehr für den nutzenden Menschen spricht 😉
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die Temperaturprognose ist auf dem Atlantik, in der Arktis und in Nordeuropa stimmig. Die grösste Abweichung zwischen Prognose und Analyse weisen der Südosten Europas und die Türkei auf, was auf den etwas weniger weit nach Osten ausgreifenden Hochdruck zurückzuführen ist. Am Ostrand des Hochdruckgebiets wird Polarluft nach Süden geführt, diese Nordostströmung hätte nach der Prognose etwas weiter östlich stattfinden sollen. Wenden wir uns dem für uns wichtigen Mitteleuropa zu: Der Unterschied zwischen Prognose und Analyse bei den Temperaturen bei einer nahezu perfekten Druckfeldprognose muss zu denken geben. Ein Teil lässt sich durch die Auflösung der Analysekarte erklären: Die gemessenen positiven Abweichungen in mittleren und höheren Lagen (ab ungefähr 600-700 m) überdecken in den Nordalpen und im Alpenvorland die kalten Täler und Becken, wo die meisten Menschen leben. Hier gab es durchaus viele Orte, welche eine knapp negative Anomalie von ungefähr 0.5 Grad gegenüber der Klimanorm aufweisen. In der Prognose war es andersrum dargestellt: Flächige Kälte mit den Gebirgen, die als Wärmeinseln herausragen. Für das norddeutsche Tiefland, das weitgehend flache Westeuropa sowie Nordostspanien und Norditalien greift diese Erklärung allerdings nicht. Hier kann über die Gründe für die zu tiefe Temperaturprognose nur gemutmasst werden: Möglicherweise wurde die Mächtigkeit der Inversion überschätzt und diese häufig tagsüber von der Sonne weggeheizt, was im Monat mit dem tiefsten Sonnenstand aber wenig wahrscheinlich erscheint. Vielmehr dürften die Gründe in der Tatsache liegen, dass das Modell die Kälte generell überschätzt (Analysen zeigen dies für die Nordhalbkugel im Dezember flächig), das Modell also mit der geringen Eisfläche und den viel zu warmen Meeren in der Arktis nicht zurande kommt. Bereits im letzten Winter haben wir festgestellt, dass Wetterlagen mit Luftmassenzufuhr aus dem Nordsektor nicht die erwartete Kälte bringen.
Die Prognose der Niederschlagsverteilung war sehr gut. Die deutlichste Differenz trat in der Adria auf, wo der stärker als erwartete Hochdruckeinfluss die gerechneten Niederschläge unterband:
Der leicht nach Westen verschobene Hochdruck sorgte auch dafür dass Irland sehr trocken blieb, hier lag die Prognose auf der eher feuchten Seite. Der zu nasse Steifen von Neufundland bis Island war zudem wesentlich ausgeprägter als erwartet. Die Trockenheit in Mitteleuropa sorgte für die wenig überraschende Schneearmut in den Alpen. Das von uns erwartete Weihnachtstauwetter brachte zumindest den östlichen Nordalpen, aber auch dem Erzgebirge und den Bayerischen Wald eine ordentliche Portion Neuschnee, weiter westlich fiel das erhoffte Weisse Gold maximal in homöopatischer Dosierung, in Teilen der Westschweiz beispielsweise fiel den ganzen Monat über gar kein Niederschlag.
Die Analyse der Grosswettertypen zeigt das erwartete Übergewicht der Hochdrucklagen, doch auch die Typen West, Nordwest und Nord waren ausnahmslos in Mitteleuropa überwiegend antizyklonal, also ebenfalls hochdruckbestimmt. Einen Grenzfall zu West zyklonal gab es über die Weihnachtstage, die in Norddeutschland stürmisch verliefen. Allerdings war dieser Sturm auch zu einem grossen Teil dem Hoch im Süden geschuldet, das durch seine Nähe und vor allem Stärke den Druckgradienten verschärfte. Die Analyse der Witterungstypen zeigt auffällig wenige Tage im zu warmen und zu kalten Bereich. Diese “Normalität” gilt allerdings nur für die Niederungen. Würde man die mittleren und höheren Lagen stärker berücksichtigen, würde das rote Segment auf Kosten des gelben stark zunehmen.
Die Langfristprognose für den Januar findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Jahresbilanz 2016
Zum Schluss noch ein paar Karten zum gesamten Jahr 2016:
Im Unterschied zum Vorjahr haben sich die Extreme zwischen kaltem Nordatlantik und warmem Kontinent markant reduziert. Verzeichnete man in weiten Teilen Mitteleuropas im Vorjahr noch das wärmste Jahr seit Messbeginn vor ungefähr 150 Jahren, so liegt 2016 je nach Region “nur” auf den Rängen vier bis acht. Bedenklich ist die weitere Erwärmung der Arktis, wo die Skala gesprengt wird: Auf dem auf der Karte sichtbaren Teil liegt die Abweichung bei fünf bis sechs Grad, weiter nördlich besonders östlich von Spitzbergen sogar noch höher. Auf die weitere Entwicklung dort und die Folgen daraus darf man gespannt sein.
Anders als im Vorjahr zeigt die Abweichung der Niederschlagsverteilung gegenüber dem Klimamittel 1981-2010 einen deutlich zu nassen Streifen von Portugal über das südliche Mitteleuropa hinweg bis nach Osteuropa. In Mittleuropa ist diese Abweichung auf das extrem nasse erste Halbjahr zurückzuführen, das zweite Halbjahr verlief wiederum zu trocken. Der nasse Streifen vom Westatlantlik bis nach Island und an die Ostküste Grönlands ist auf zwei Ereignisse zurückzuführen: Zum einen auf die oben gezeigte Anomalie im Dezember, aber auch auf die aussergewöhnliche Zugbahn des Hurrikans NICOLE Anfang Oktober, dessen Odyssee eben an der Ostküste Grönlands endete. Die zu trockenen Flächen an der Nordsee und im Nordmeer zeigen, dass wir es 2016 mit einer Häufung von gemischter Zirkulation zu tun hatten. Womit wir bei der Analyse der Grosswettertypen wären:
Der Grosswettertyp West lag mit 27 % genau im langjährigen Soll (Referenzperiode 1881-2008 nach Hess & Brezowsky). Deutlich übervertreten sind die Typen Nordwest mit 15 % (Norm: 8 %), Südwest mit 9 % (5 %) und Süd mit 11 % (8 %). Dies ging vor allem auf Kosten der Typen Hoch (nur 8 statt 17 %) und Ost (11 statt 15 %). Die Aufholjagd der Hochdrucklagen im Dezember begann also viel zu spät, blieben diese doch in den ersten vier Monaten des Jahres völlig aus.
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