Dass ein Monat nahezu sommerlich beginnt und winterlich endet ist völlig normal – im Herbst. Wenn der April derartiges anstellt, dann ist manchereine(r) noch nachsichtig gestimmt und tut dies als normale Aprilkapriole ab. Bestätigt darin fühlt man sich, wenn man dann auch noch die Durchschnittstemperatur des Monats zur Kenntnis nehmen darf, die nur wenig vom langjährigen Mittel abweicht. Da selbiges für weite Teile Mitteleuropas auch für die Sonnenscheindauer und für die Niederschlagsmenge gilt, fällt die Bilanz für den April 2016 unter die Kategorie „völlig normal“. Dabei ist aber schon festzuhalten, dass weder frühsommerliche Temperaturen zum Anfang (24.9 Grad in Vaduz am 3. April, 27.2 Grad im burgenländischen Lutzmannsburg am 5. April) noch eine derart lange und intensive Kältewelle zum Ende die Regel sind. Immerhin hat es einen ähnlichen Verlauf letztmals im Jahr 1991 gegeben. Als „normal“ bezeichnen solche Aprilkapriolen also hauptsächlich Leute, die bereits die Hälfte ihrer Lebenserwartung überschritten und/oder die Klimaveränderung des letzten Vierteljahrhunderts noch nicht ganz verinnerlicht haben.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den April, erstellt am 31. März, lautete wie folgt:
Der von uns bevorzugte Modell-Lauf ist eine mittlere Variante ähnlicher, aber sich im Detail unterscheidenden Läufe. Bei den steuernden Druckzentren ist als erstes ein überdurchschnittlich starkes, aber leicht nach Westen verschobenes Azorenhoch auffällig. Die Tiefdruckaktivität und somit die Westwinddrift über dem Nordatlantik ist für die Jahreszeit ebenfalls sehr ausgeprägt und erstreckt sich von der Südspitze Grönlands bis nach Westeuropa, um dort regelmässig in Richtung Süden über die Iberische Halbinsel nach Nordwestafrika abzutropfen. In Nord- und Osteuropa herrscht übernormaler Hochdruck vor, der diese Blockierung hervorruft und den beschriebenen Abtropfvorgang über Südwesteuropa erzwingt. Dies bedeutet für uns häufige Südlagen mit Präferenz „Trog Westeuropa“, wobei die Tröge zeitweise auch bis nach Mitteleuropa vorrücken können. Die Folge davon sind in Mitteleuropa häufig warme Witterungsphasen mit Luftmassen aus südlicher Richtung, welche von nass-kühlen Abschnitten mit polaren Luftmassen nordwestlicher bis nördlicher Herkunft unterbrochen werden. Insofern eine recht April-typische Verteilung.
Die permanente Zufuhr atlantischer Luftmassen aus einem Gebiet, das grossräumig unterdurchschnittliche Wassertemperaturen aufweist, bewirkt in weiten Teilen Westeuropas wie bereits im März einen kühlen Monat, wobei sich die negative Abweichung mit jedem Kilometer landeinwärts abschwächt. Bereits ab etwa einer Linie Holland-Ostfrankreich wird die Abweichung zum langjährigen Mittel positiv, und in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas dürfte der April deutlich wärmer (weil auch sonniger) als im Schnitt ausfallen. Der Wärmepol liegt aufgrund häufiger Südföhnlagen am Alpennordrand mit Abweichungen von etwa 4 Grad zum Mittel 1981-2010, kommt also nahe an einen durchschnittlichen Mai heran. Nach wie vor abnorm ist die Wärme über Grönland und der europäischen Arktis, was sich bis nach Nordskandinavien hinein auswirkt.
Dank häufiger Hochdruck- und Südlagen wird der April 2016 in weiten Teilen Mitteleuropas trockener als im langjährigen Schnitt. Mehr Niederschlag als üblich wird von den Britischen Inseln über Frankreich bis in den westlichen Mittelmeerraum erwartet, auch die Alpensüdseite bekommt mit Stauregen bei Föhnlagen wohl etwas überdurchschnittliche Mengen ab. Da die Feuchtigkeit überwiegend aus südlichen Gefilden stammt, liegt die Schneefallgrenze in den Alpen oft relativ hoch, Mittelgebirgslagen dürften nur noch selten Neuschnee zu sehen bekommen, der jeweils auch rasch wieder verschwindet. In den Niederungen dürften Schneeflocken in diesem Monat eine absolute Ausnahmeerscheinung sein, hingegen ist bei dieser Konstellation mit einem frühen Beginn der Gewittersaison zu rechnen, was sich ja bereits in den letzten Märztagen abgezeichnet hat.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des 500-hPa-Geopotenzials gegenüber dem langjährigen Mittel:
Diesmal braucht man gar nichts schönzureden: Da passt überhaupt nichts zusammen. Mit etwas Goodwill kann man konstatieren, dass der hohe Luftdruck über Südosteuropa und die negative Anomalie vor den Westküsten Europas annähernd erkannt wurden, doch mit dem eingetroffenen grossräumigen Muster hat die Prognose gar nichts gemeinsam. Nicht gänzlich daneben griff hingegen unsere Annahme, dass weite Strecken des Monats durch Tröge bestimmt werden, die mal über West-, mal über Mitteleuropa verharren und somit für einen Wechsel sehr milder und recht kühler Abschnitte verantwortlich sind. Der Hochdruckeinfluss für Mitteleuropa wurde in der Prognose aber deutlich überschätzt. Wäre noch abzuklären, ob ganz einfach der falsche Modelllauf gewählt wurde. Nein, denn bei der Durchsicht des Modellarchivs vom 28. bis 30. März ist kein Lauf zu finden, der das richtige Druckmuster annähernd prognostiziert hat. Für einmal dürfen wir also dem Modell „die Schuld geben“. Es bestätigt damit unsere Erfahrung, dass die Modellqualität im Frühjahr besonders niedrig ist und die ohnehin schwierigen Langfristprognosen zu dieser Jahreszeit nahezu unmöglich sind. Das soll uns allerdings nicht daran hindern, dranzubleiben und weitere Erfahrungen zu sammeln.
Nicht ganz so schlecht fällt die Bilanz bei der Verteilung der Temperaturen aus, was uns lehrt, dass eine verfehlte Druckanomalieprognose nicht zwingend auch zu einer falschen Temperaturprognose führen muss.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Der unterkühlte Nordatlantik ist uns auch in diesem Monat treu geblieben und hat wie erwartet seinen Einfluss auf West- und besonders Südwesteuropa geltend gemacht. Als Gegenpol dazu steht der überdurchschnittlich warme Osten mit dem Höhepunkt in Südosteuropa, etwas östlicher als in der Prognose erwartet aber vom Betrag her recht stimmig. Würden wir übrigens die Bilanz per 23. April ziehen, wäre die Prognose sehr genau. Der Kaltlufteinbruch ab dem 24. April hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, und der ist auf der Karte gut zu erkennen: Vom überraschend kalten Nest in der sonst deutlich zu warmen Arktis schlägt sich eine Schneise über das Europäische Nordmeer und die Nordsee bis nach Mitteleuropa. Dies war genau der Zugweg der arktischen Luft, die uns in der letzten Aprilwoche die winterliche Phase beschert und die Monatsmitteltemperatur noch unter die Klimanorm gedrückt hat.
Die Abweichungen bei der Druckverteilung wirken sich aber üblicherweise stark auf die Niederschlagsverteilung aus, das ist auch diesmal nicht anders:
Das relativ nasse Westeuropa korrespondiert noch mit der Prognose, das war’s dann aber auch schon. In allen anderen Regionen Europas traf ziemlich das Gegenteil dessen ein, was prognostiziert wurde, besonders stark wirkt sich die Fehlprognose in Südosteuropa aus, wo ein trockner Monat vorhergesagt war. In Mitteleuropa sind die Abweichungen weniger deutlich. Allerdings blieben die von uns prognostizierten Niederschläge auf der Alpensüdseite mehrheitlich aus, während es nördlich der Alpen nicht zuletzt wegen der überraschenden Schneefälle in der letzten Aprilwoche nasser wurde als erwartet.
Die statistische Witterungsanalyse zeigt uns eine typische Aprilverteilung mit fehlenden Westlagen:
Spannend ist hier der Widerspruch zwischen einem Übergewicht von nördlichen gegenüber südlichen Wetterlagen von 16:13 zur Unterlegenheit kalter gegenüber warmen Tagen von 7:11. Die Ursache liegt darin, dass die kurzen Nord- und Nordwestlagen in den ersten zwei Dritteln des Monats noch durchschnittlich temperierte Luftmassen zu uns brachten, wie es bereits im März der Fall war. Erst der letzte Kaltlufteinbruch zum Monatsende brachte dann wirklich kalte Tage, was die Besonderheit dieses Monatsverlaufs unterstreicht.
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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