In unserer Winterprognose von Ende November haben wir aufgezeigt, welche Einflüsse das Klimaphänomen El Niño auf Europa haben könnte und dabei einen milden Winter vorhergesagt, wobei kältere Phasen erst in der zweiten Winterhälfte oder sogar erst im Frühjahr auftreten sollen. Die dabei aufgestellte These der Wirkungskette hat zu angeregten Diskussionen geführt, wofür wir uns herzlich bedanken. Nun ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen und aufzuzeigen, in welchen Bereichen die Prognose zutreffend war und wo es grössere Abweichungen gab.

Mittlerer Luftdruck 01.12.2015 bis 29.02.2016
Zunächst richten wir das Augenmerk auf die mittlere Luftdruckverteilung über die drei Wintermonate Dezember, Januar und Februar auf der Nordhemisphäre von Amerika über den Nordatlantik bis Europa (Karte oben). Wir stellen fest, dass wir es mit einem ausgeprägten Subtropenhochgürtel zu tun hatten, der für die Jahreszeit aussergewöhnlich weit im Norden positioniert war. Die Tiefdruckgebiete der nördlichen Breiten (Aleutentief und Islandtief) waren sehr aktiv, das winterliche Polarhoch ebenfalls vorhanden. Über den gesamten Winter gemittelt also nicht sehr auffällig, wenn man mal vom hohen Luftdruck insbesondere in der Mittelmeerregion absieht. Das Muster mit starken Tiefs bei Island und starken Hochs über den Azoren entspricht einem typischen Winter mit positiver Nordatlantischer Oszillation (NAO+). Rufen wir uns noch mal die Vorhersage in Erinnerung, wie wir uns das Ende November ungefähr vorgestellt hatten, dann ist das grobe Muster wiederzuerkennen:

Abweichung der Wassertemperatur vom 22.11.2015 zum Klimamittel 1981-2010 (Originalquelle tropicaltidbits.com, Nachbearbeitung fotometeo.ch)
Interesssant wird es, wenn man die mittlere Luftdruckverteilung der ersten und der zweiten Winterhälfte separat betrachtet und dabei die Abweichung vom langjährigen Mittel darstellt:
Links ist die Abweichung des Luftdrucks zum Klimamittel 1981-2010 der ersten Winterhälfte, also vom 1. Dezember bis 15. Januar dargestellt. Hier wird das prognostizierte Muster noch deutlicher sichtbar. Die vorhergesagte positive Druckanomalie liegt über dem Osten des amerikanischen Kontinents, die Austrogung des Islandtiefs in Richtung der Azoren ist frappant und die daraus folgende Vorderseite mit hohem Luftdruck über Europa auch keine Überraschung mehr. Nach unserer Theorie wäre eine Schwächung der NAO in der zweiten Winterhälfte möglich gewesen, wir haben das allerdings aufgrund der Ausgangslage einer starken NAO+ Lage in Frage gestellt. Die rechte Karte zeigt die Abweichung des mittleren Luftdrucks zur Klimanorm in der zweiten Winterhälfte (16. Januar bis 25. März). Wir erkennen hier, dass das Azorenhoch wieder stärker wurde, während sich das Islandtief etwas abgeschwächt hatte. Die Tiefdruckzentren lagen nun über dem Westen Grönlands und über Skandinavien, dazwischen schob sich zeitweise ein schwacher Hochdruckkeil in den Nordatlantik. Dies sind Ansätze eines negativen NAO-Musters, es konnte sich jedoch nicht nachhaltig festsetzen. Wir können somit konstatieren, dass auch hier die Prognose eingetroffen war.
Sehen wir uns die Auswirkung dieser Luftdruckkonstellation auf die gemittelte Wintertemperatur (1. Dezember bis 29. Februar) im Vergleich zur Klimanorm 1981-2010 an:
Die aufgrund der erhöhten Tiefdrucktätigkeit im Nordpazifik verstärkte Westwinddrift und die daraus resultierende Hochdruckanomalie hat dem nordamerikanischen Kontinent den erwartet milden Winter gebracht. Die Austrogungen über dem Nordatlantik festigten die hier seit längerer Zeit negativen Abweichungen (Huhn-Ei-Frage!), während die permanenten Südwestwinde in der ersten Winterhälfte wiederum für den milden Winter in Europa besorgt waren. Also alles genau so, wie in der Prognose erwartet. Extrem ist die Abweichung in der Arktis, deren Ursachenforschung jedoch den Rahmen dieses Blogs bei weitem sprengen würde.
Bleibt bezüglich unserer Winterprognose noch die Frage zum zeitlichen Ablauf (sehr milde erste Winterhälfte, kältere Phasen in der zweiten Winterhälfte bzw. im Frühjahr) zu verifizieren. Stellvertretend für Mitteleuropa sei hier das Beispiel von Zürich aufgeführt. Im östlichen Mitteleuropa (Berlin, Wien) gab es noch eine kalte Phase Anfang Januar, im Gegenzug war hier der März durchwegs der Norm entsprechend.

Jahresverlauf der Mitteltemperatur im Vergleich zur Klimanorm 1981-2010 für den Standort Zürich (Quelle: MeteoSchweiz)
Unser Fazit ist entsprechend zufriedenstellend. Wenn man bedenkt dass es immer noch namhafte Meteorologen gibt, welche nicht müde werden zu betonen, dass eine Langfristprognose unmöglich sei, dann darf man an dieser Stelle mal dagegen halten. Es reicht eben nicht, die Ensembles (über einen längeren Zeitraum gemittelte Modellrechnungen) oder einen einzelnen Hauptlauf zu einem beliebigen Zeitpunkt herauszupicken und diese als Fakt zu verkaufen. Seriöse Langfristprognosen erfordern genau so wie Kurz- und Mittelfristprognosen eine genaue Überprüfung und Einschätzung der grossräumigen Konstellationen durch einen erfahrenen Meteorologen. Das Problem hierbei ist, dass die wenigsten Meteorologen im Tagesgeschäft die dafür notwendige Zeit aufbringen können, handelt es sich doch noch um ein weitgehend unerforschtes Feld, dessen Experimentalcharakter für eine kommerzielle Nutzung zu viele Risiken birgt. Dies öffnet Tür und Tor für jene Marktschreier, die sich nur oberflächlich mit der Materie befassen, aber jeweils sehr viel Publizität in der Boulevardpresse erhalten.
Runden wir den Winterrückblick noch mit den Niederschlägen und den Wassertemperaturen in Europa ab.
Die Karte mit den Abweichungen des Gesamtniederschlags 1. Dezember bis 29. Januar zeigt nur geringfügige Abweichungen auf dem europäischen Kontinent:
Der sehr trockene Dezember gleicht hierbei die eher nassen Monate Januar und Februar aus. Nicht erstaunlich ist der Niederschlagsüberschuss über dem tiefdruckdominierten Nordatlantik und die Trockenheit im hochdruckdominierten Mittelmeerraum.
Die letzte Karte zeigt die Abweichung der Wassertemperaturen zum langjährigen Mittel vom 1. bis 25. März 2016:
Wir stellen fest, dass die positiven Abweichungen in den Meeren rund um Europa vom November durch den ganzen Winter hindurch konserviert wurden. Ebenso kaum Veränderungen gab es bei der Kaltwasseranomalie im zentralen Nordatlantik. Hier häufen sich die Hinweise darauf, dass es sich um Schmelzwasser aus dem Grönlandeis handelt, das aufgrund des geringeren Salzgehaltes an der Oberfläche verharrt. Wenn diese Theorie stimmt, dann müsste sich die Anomalie im Sommer wieder verstärken. Die roten Areale zeigen offene Wasserflächen, wo normalerweise zu dieser Jahreszeit eine Eisbedeckung vorliegen müsste (maximale Eisausdehnung im März).
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