Unsere Winterprognose vom 24. November konnte gar nicht anders, als auf überdurchschnittliche Hochdrucklagen zu setzen, was in Mitteleuropa zwangsweise nicht zu einem Supermildwinter, aber trotzdem zu einem Temperaturmittel über der Klimanorm 1991-2020 führen würde. Selten war die Ausgangslage so klar, und wir wurden nicht enttäuscht. Die Überraschungen blieben weitgehend aus: Echte winterliche Phasen waren jeweils nur von kurzer Dauer, und die teils wochenlangen extrem milden Abschnitte der vergangenen Jahre waren diesmal wesentlich kürzer. Dieser Winter dürfte in der Statistik der nächsten Klimanormperiode 2021-2050 somit ziemlich unauffällig bleiben.

Klare Sicht bei tiefem Nebel während der antizyklonalen Westlage an Silvester. Wesentlich häufiger waren jedoch Hochnebellagen, bedingt durch die GWT Ost und Hoch
Einen schnellen Überblick verschafft uns die Statistik zur Verteilung der Witterungstypen und Grosswettertypen im südlichen Mitteleuropa:
Anders als in den letzten Jahren hielten sich diesmal die milden Wetterlagen der Sektoren West bis Süd und die eher kalten Lagen aus den Sektoren Nord bis Ost und Hoch ziemlich genau die Waage. Bemerkenswert dabei ist, dass trotz des hohen Potenzials an kältebringenden Lagen sehr kalte Tage fast gänzlich ausblieben: Gerade mal vier Tage ritzten auf der Alpennordseite der Schweiz die Kälteschwelle, in der nachfolgenden Grafik der Station Zürich / Fluntern erkennbar an den blauen Balken, die knapp die untere gestrichelte Linie der Standardabweichung unterschreiten. Wie in der Prognose georakelt, blieb im südwestlichen Mitteleuropa der Wintereinbruch mit teils Rekordschneefall und der eisigen Nacht auf den 22. November der strengste und fiel somit noch in den klimatologischen Herbst. Je weiter (nord-)östlich, umso später liegt der Zeitpunkt der Tiefsttemperatur dieses Winterhalbjahres, wie diese Grafik hier zeigt.
Ebenso gut zu erkennen ist, dass auf der Gegenseite die einzelnen Ausreisser nach oben bis in die Rekordbereiche vorstossen und viel mehr Tage die Standardabweichung überschreiten, je nach Region ungefähr 20 an der Zahl. Es ist dieses Ungleichgewicht, das schlussendlich trotz gefühlt „kaltem“ Winter dafür sorgt, dass der Mittelwert in den Niederungen der Alpennordseite 0.9 Grad über der Norm 1991-2020 bilanziert und immerhin noch 0.6 Grad über dem aktuellen gleitenden 30-jährigen Mittel. Deutlich höher fällt die Abweichung aufgrund der vielen Hochdruck- und Inversionslagen im Gebirge aus: 1.5 Grad steht hier der Gesamtwinter zu 1991-2020 im Plus, wobei in den Messreihen seit 1864 der vergangene Winter auf dem Säntis und dem Grossen St. Bernhard auf Rang 8 landet, in Grächen im Wallis sogar auf Rang 7.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen der 2m-Temperatur des Gesamtwinters (Dez-Feb):
Bei der Temperaturprognose am besten abgeschnitten hat diesmal das französische Modell, das als einziges den neutralen Winter zur Klimanorm in Frankreich gesehen hat, wenn auch in der Fläche zu gross berechnet. Das deutlich zu warme Nordeuropa war in allen Modellen drin (wobei 4 bis 8 Grad im Plus eben auch wie modelliert > 2.0 sind, eine Anpassung der Skala täte Not), auch hatten die meisten die kleine negative Abweichung im Bereich Island-Nordmeer erkannt. Die enorme Abweichung in Russland erklärt, weshalb in Mitteleuropa trotz häufiger Ostlagen keine Strengwinter-Kälte aufkommen konnte. Die von einigen Langfrist“experten“ alljährlich in den Prognosen bemühte „Russenpeitsche“ hat definitiv ihren Schrecken verloren…
Bei den Niederschlägen hat kein Modell geglänzt (oben Prognose, unten Analyse):

Prognose Niederschlagsanomalie gemittelt über die Monate Dez24-Feb25, Ensemble-Mittel von 8 Langfristmodellen
Zwar wurde der relativ trockene Alpenraum von vielen Modellen erkannt, in anderen Regionen lagen aber die meisten Modelle mal hier, mal dort völlig falsch. Am auffälligsten sind das fast durchwegs zu nass modellierte Südnorwegen und die zu trocken modellierte Biskaya. Insgesamt bestätigt sich auch in diesem Jahr der Eindruck, dass die Niederschlagsmodellierung deutlich schwieriger ist als die Temperaturprognose.
Völlig konträr zu seinem Vorgänger präsentierte sich dieser Winter in Sachen Druckabweichung:
Damit erklären sich die vielen Ost- und Südostlagen wie auch Hochdruckbrücke Mitteleuropa von selbst. Auch hier hatten die Langfristmodelle keine Sternstunde, wurde doch die Hochdruckanomalie mehrheitlich auf dem Atlantik gerechnet, also starkes Azorenhoch mit Ausläufer nach Mitteleuropa, sowie eine Tiefdruckanomalie über dem Nordmeer und Nordskandinavien, die deutlich nach Osten gerutscht ist. Wie bereits in den letzten zwei Wintern zogen die Atlantiktiefs häufig auf südlicher Zugbahn, wurden aber diesmal vom starken Hochdruckblock über Osteuropa ausgebremst (Frontenfriedhof westliches Mitteleuropa, daher auch die Trockenheit in den Ostalpen und noch weiter östlich). Nicht viel verändert hat sich hingegen beim Energiepotenzial (Wärme und Feuchte), wenn eben diese südlich ziehenden Tiefdruckgebiete Luftmassen aus dem subtropischen Atlantik oder in Einzelfällen gar aus den Tropen anzapfen:
Es macht nun nicht gerade den Eindruck, als ob sich diese riesigen Gebiete massiv überwärmter Ozeane in naher Zukunft abkühlen werden, folglich werden wir mit den daraus resultierenden Folgen leben müssen. Exemplarisch sehen wir gerade im Mittelmeerraum, dass sich die sonst für den Herbst üblichen Starkniederschläge inzwischen auch zur statistisch kühlsten Zeit der Meerestemperatur entladen. Der relativ ruhige Spätwinter bzw. Frühling in dieser Region wäre somit auch nicht mehr garantiert, was sich selbstverständlich auch auf den Alpensüdhang auswirkt, sind Südstaulagen doch im Frühling ebenso häufig wie im Herbst.
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