Wenn man als Meteorologin arbeitet, ist es durchaus von Vorteil, wenn man die Entwicklungen bei den Messverfahren mitverfolgt. Damit man auch weiss, was hinter den Daten steckt, die heutzutage so einfach über das Glasfaserkabel ins Büro fliessen. Daher wird die arbeitsärmere Zeit – und dazu gehören teils wochenlange Hochdrucklagen vor allem im Herbst dazu – gerne genutzt, um sich die verschiedenen Stationen im In- und Ausland und den rasanten technischen Wandel bei der Erfassung der meteorologischen Parameter vor Ort anzuschauen und zu dokumentieren. Besonders ergiebig ist ein Ausflug nach Davos, wo nebst dem Physikalisch-Meterologischen Observatorium und dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung auch das neueste Kind des Radarverbundes vom MeteoSchweiz angesiedelt ist: das Niederschlagsradar auf dem Weissfluhgipfel. Die Bilder und Erkenntnisse dieser Exkursion möchten wir unserer interessierten Leserschaft nicht vorenthalten.
Nach der dreieinhalbstündigen Anreise von Bern nach Davos geht es sofort über drei Sektionen der Bergbahnen Davos auf den 2840 Meter hohen Weissfluhgipfel. Es ist abgesehen von ein paar Horizont-Cirren wolkenlos und die Fernsicht perfekt. Der anziehende Südwind bei gerade mal 3 Grad plus verhindert diesmal ein Gipfelpicknick im T-Shirt, trotzdem ist ein windgeschütztes, sonniges Plätzchen zwischen all den militärischen Anlagen bald gefunden und das für eine Bernerin ziemlich fremde Bündner Bergpanorama wird ausgiebigst genossen:
Nach Norden geht der Blick rechts über das Prättigau bis zum Falknis und Grauspitz, welche die Grenze zu Liechtenstein bilden. Links erkennt man das Sarganserland mit dem auffälligen Gonzen, wo sich links davon die Öffnung zum Walensee und darüber die Churfirsten zeigen. Westlich dieses Panoramas befindet sich der Weissfluhgipfel mit dem 2016 in den operationellen Betrieb aufgenommenen Niederschlagsradar:
Nimmt man eine Position genau nördlich des Radars ein, wird deutlich wieso es dieses zusätzliche Niederschlagsradar braucht:
Vor der Errichtung des Weissfluhgipfel-Radars war die Sicht der Radarstandorte Albis bei Zürich und Monte Lema im Tessin in die Alpen stark eingeschränkt. Mit dem Weissfluhgipfel-Radar konnte man die Abdeckung der inneralpinen Täler, insbesondere des Engadins und der Surselva massiv verbessern. Die hohe Lage des Gipfelradars erlaubt allerdings nicht die Detektion von tief entstehenden Niederschlägen wie zum Beispiel schwachem Schneefall oder Nieselregen aus Stratusschichten, die sich in den Tälern einnisten. Hierfür ist ein dichtes Bodenmessnetz unerlässlich, das den Niederschlag erfasst. Für die Verbesserung der Prognosen und des Nowcastings gerade im durch unzählige Täler gegliederten Graubünden wäre eine Verdichtung des Niederschlagsmessnetzes durchaus wünschenswert. Hier noch die Ansicht des Radars von Süden her:
Ein halbes Stockwerk tiefer, auf 2690 m, befindet sich das Institut für Schnee- und Lawinenforschung und darüber auf einem Schuttkegel die SwissMetNet-Station Weissfluhjoch:
Um sich die Messinstrumente näher anzusehen, war eine kleine Kraxlerei notwendig. Der Ausblick von dort oben aber unbezahlbar:
Wir sehen am Messbalken vorne links das Erfassungsgerät für die Sonnenscheindauer, gefolgt vom Pyranometer für die Erfassung von kurzwelliger Einstrahlung, dem Thygan für Lufttemperatur und -feuchte, der insbesondere im Gebirge eingesetzt wird, sowie einem Pyrgeometer für die langwellige Einstrahlung. Diese Messbalken sind immer nach Süden ausgerichtet, sodass klar ist: Der Blick geht Richtung Südwest zu den Bergen rund um Arosa. Ganz hinten links ist der ca. 54 km entfernte Pizzo Tambo westlich des Splügenpasses zu erkennen. Die folgende Aufnahme zeigt den Überblick über das Gelände rund um das Weissfluhjoch und den Blick zum Weissfluhgipfel:
Bergpanoramen und -messtechnik sind interessant, doch es wäre schade, nicht auch noch die Reize der Herbstlandschaft im Tal einzufangen. Mittendrin in dieser Farbkulisse steht das Physikalisch-Meteorologische Observatorium Davos, wo auch die SwissMetNet-Station zu finden ist. Wir nähern uns dem Gelände von Westen:
Links das Observationsgebäude, rechts das obere Messfeld der SwissMetNet-Station. Der Blick geht nach Ost-Südost zum bewaldeten Seehorn und ins Flüelatal. Die Nahaufnahme des oberen Messfeldes zeigt…
… im Vordergrund links die Temperaturfühler für die Oberflächen- und 5cm-Temperatur, darüber das Gerät zur Erfassung der Niederschlagsdauer (im Jargon auch Tropfenzähler genannt), sowie die bereits auf dem Weissfluhjoch gesehenen Instrumente. Zusätzlich hängt links noch das kugelförmige Erfassungsgerät für die thermische Ausstrahlung. Während dieses Gerät misst, wieviel Strahlung vom Erdboden zurück ins All reflektiert wird, misst der Pyrgeometer davor das, was die Wolken von dieser langwelligen Ausstrahlung wieder zurück zur Erde werfen. Diese Messkombination ist besonders wichtig, um in der Nacht das Risiko von Nebelbildung, Bodenfrost, Tau- oder Reifbildung einschätzen zu können. Das nächste Bild zeigt das Messfeld mit Blick nach Südwesten über die Stadt Davos:
Links ist das untere Messefeld zu sehen, hier der Überblick von oben:
Hier unten befinden sich in der Bildmitte die Niederschlagsmesser (Lambrecht-Pluviometer) und der Stab zur Messung von radioaktiver Strahlung (Gammadosisleistung). Das Gerät dahinter konnte nicht identifiziert werden und gehört wahrscheinlich zum WRC (mehr dazu später), links steht noch ein Lasermessgerät zur Erfassung der Gesamtschneehöhe auf der Matte im Gras. Hier noch der Überblick vom unteren zum oberen Messfeld:
Aufmerksame Kenner von Wetterstationen werden sich bereits gefragt haben: Wo ist der Windmesser? Diese Frage trieb mich auch um und das Absuchen der Umgebung, insbesondere der Dächer blieb erfolglos. Bitte nicht schon wieder so ein Debakel wie zwei Tage zuvor, wo auf dem Titlis nur die Hälfte der Messinstrumente ausgemacht werden konnte… Doch zunächst galt das Interesse diesen “Pistolen”, vor denen man sich unweigerlich duckt, wenn sie anfangen zu rotieren und auf einen zu zielen:
Möglicherweise machte sich jemand einen Spass daraus, mich beim Fotografieren zu beobachten und mittels Fernsteuerung ein bisschen zu erschrecken 😉 Dabei handelt es sich um völlig harmlose Dinger, sogenannte Sky Radiometer. Sie messen die Strahlung in verschiedenen Wellenlängen, in der Regel werden sie wie hier im Bild direkt auf die Sonne gerichtet. Am PMOD befindet sich auch der Sitz des World Radiation Center (WRC). Es hat seit 1971 den Auftrag der WMO, die Forschung der Sonnenstrahlung voranzutreiben und als besondere Aufgabe, die Messgeräte zu kalibrieren. Hier werden also die Pyranometer geeicht, damit die Daten weltweit vergleichbar sind:
Auf dem Dach des Observatoriums findet sich eine ganze Armee davon:
Und das Windrädchen sieht nicht gerade nach SwissMetNet-Standard aus…
Eine echte Rarität steht da auch noch herum:
Ein Brewer Spektrophotometer, von dem weltweit nur gerade etwas mehr als 200 Stück im Einsatz sind. Es misst die Ozonschicht und die eintreffende UV-Strahlung.
Besonders eindrücklich ist der Sonnen-Tracker des WRC mit unzähligen Instrumenten zur Erfassung der Sonnenstrahlung, welche die Forschung auf diesem Gebiet voranbringen sollen. Nur schon das Ticken der Nachführung fasziniert, was das Bild leider nicht vermitteln kann:
Die Suche rund ums Haus nach dem Windmesser eröffnete den Blick in den Talgrund, wo in rund 300 m Entfernung doch tatsächlich ein Windmast mitten in einer Kuhweide auszumachen war. Gut, dass ich ohnehin dort vorbei wollte:
Im Gegensatz zum weitaus witterungsexponierteren Weissfluhjoch, wo mit einem Ultraschall-Anemometer gemessen wird, ist hier ein Schalenkreuz montiert. Hier noch der Blick nach Nordosten zum Davosersee inklusive interessierter Zuschauerin:
Nach so viel Technik musste noch ein beschaulicher Tagesabschluss gefunden werden: Eine kurze Wanderung dem Davosersee entlang mit zutraulichen bis frechen Eichhörnchen, Meisen, Kleibern und Tannenhähern führte nach Davos-Wolfgang, wo mich der Zug in weiteren dreieinhalb Stunden nach Hause bringen sollte:
Alle besuchten Stationen sind auf unserer Wetterstations-Seite und dem integrierten Wetterstations-Atlas (interaktive Karte mit allen WMO-Standorten) dokumentiert.
Weiterführende Links:
Physikalisch-Meterologisches Observatorium Davos: MeteoSchweiz und https://www.pmodwrc.ch/
Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung: http://www.slf.ch/ueber/index_DE
Brewer MkIII Spektrophotometer von Kipp & Zonen
POM 02 Sky Radiometer von Kipp & Zonen
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Kurt Nadler am 26. Januar 2018 um 13:56 Uhr
liebe fabienne
hab wieder einmal bissl freizeit und stöbere bei dir rum.
was mich ein bissl stutzig gemacht hat, ist die laserschneemessung auf eine – auf gut österreichisch – dacke, und die noch dazu in schwärzlich. ich glaub,da brauchts bei den messwerten einen korrekturfaktor nach oben, zumindest bei transparentem geringmächtigem schnee, dens bei sonne gleich von unten auffrisst. wie ist die zeitliche frequenz der datenerhebung? 5 minuten, einmal täglich?
herzliche grüße
kurt
Fabienne Muriset am 28. Januar 2018 um 21:30 Uhr
Servus Kurt
Die Matte ist nötig, damit nicht etwa das Wachstum des Grases gemessen wird. Sie ist nicht schwarz, sondern dunkelgrün, soll wohl dem Erdboden ziemlich nahe kommen. Ich bin nicht wirklich bewandert in Lasermesstechnik, aber ich kann mir vorstellen, dass eine helle Matte andere Probleme verursachen würde. Aber die Schwierigkeiten der automatischen Schneemessung sind sowieso gänzlich anders gelagert: Es wird nur an einem bestimmten Punkt gemessen, egal ob dort der Wind gerade einen schönen Haufen zusammengetragen oder ein Fuchs eine Maus ausgegraben hat. Die tollen Geräte sollen Personalkosten einsparen helfen, aber die Qualität eines Menschen, der sich die repräsentativen Messpunkte aussucht und das Mittel aus mehreren Messungen meldet, werden sie niemals erreichen. Übliche Datenerhebung an automatischen Messstationen bei SwissMetNet ist (wie auch bei der ZAMG) 10-minütlich. Die Werte dieser automatischen Schneemessungen werden allerdings von MeteoSchweiz nicht veröffentlicht, was angesichts der oben geschilderten Probleme wahrscheinlich auch besser ist…
Liebe Grüsse
Fabienne
Kurt Nadler am 4. Februar 2018 um 23:17 Uhr
liebe fabienne
danke für die rückmeldung. tja, da fällt mir ja das viel größere niederschlagsmessproblem bei gipfelstationen ein.
komme grad von 4 tagen intensivklausur workshop pflanzen-rotlistenerstellung österreich, auch thomas z-k. war dabei, du kennst ihn von bird.at-forum. nebenbei bemerkt: du hast bei deinen fotos knifflige pflanzen im osten gut bestimmt.
demnächst stürze ich mich auf deine februarprognose. wir hatten nach mitte jänner erste schneeglöckchen, gegen monatsende erste crocusse (in blüte). jetzt ist ein wenig pause angesagt.
herzliche grüße
kurt