Soll bloss niemand behaupten, Bauernregeln seien von vorgestern. Unsere Altvorderen haben sich anhand von Beobachtungen durchaus etwas überlegt, auch wenn sie die grösseren Zusammenhänge damals noch nicht kennen konnten. Wir müssen heute nur die Fixierung auf einzelne Lostage aufgeben und die Regeln ins heutige Klima umformulieren. Das gilt ganz besonders für den Lichtmess-Tag, laut heute gültigem Kalender am 2. Februar. Da wir den genauen zeitlichen Ursprung der Bauernregel nicht genau kennen, dieser aber ganz bestimmt noch vor der Kalenderreform liegt, umfasst der Zeitraum ungefähr die erste Februarwoche bis allerspätestens 12. Februar.

Perfektes Lichtmess-Hudelwetter: Der Regen spült den gestern auf dem 850 m hohen Gurten bei Bern gefallenen Schnee gleich wieder runter
Ein Missverständnis müssen wir vorab aber noch ausräumen: Die Lichtmess-Regel, die im Original lautet: “Ist’s an Lichtmess hell und rein, wird ein langer Winter sein. Wenn es aber stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit.”, sagt nichts über den kommenden Frühling aus, der in der Meteorologie die Monate März bis Mai umfasst. Er ist lediglich für eine Einschätzung gedacht, wie der Winter endet, also was uns im Februar noch erwartet.
So präsentiert sich heute der Jetstream:
Das Starkwindband in der Höhe zieht genau über die Alpen. In der potenziell kältesten Zeit des Jahres müsste man eigentlich bei Nordest- bis Nordwind winterliche Verhältnisse auch im Flachland erwarten, doch diese Zeiten sind vorbei: Der Atlantik ist mittlerweile so warm, dass er die unterste Luftschicht um ein bis zwei Grad stärker erwärmt als noch etwa vor 50 Jahren. Was zur Folge hat, dass die Schneefallgrenze um 200 bis 300 Meter höher liegt: Das reicht dann abseits des Alpenstaus unterhalb von 600 m in der Regel nicht mehr für nachhaltigen Schneefall, sondern so wie gestern Dienstag gerade mal für etwas Stundenpflotsch.
Nun kommt für die nächsten Tage ein weiterer Faktor hinzu: Wie wir an obiger Grafik sehen, stammt die Luftmasse, die nördlich um das Atlantikhoch geführt wird, nicht aus der Polarregion, sondern aus den Subtropen. Gleichzeitig flacht der Hochdruckrücken ab und die Strömung zielt zum Ende der Woche direkter aus West nach Europa:
Nimmt die Luft nicht mehr den Umweg über den Norden, kühlt sie noch weniger ab als ohnehin schon. Die klassische Westlage des Mildwinters ist zurück – fragt sich nur: wie lange?
Nun: Um eine einmal etablierte winterliche zonale Zirkulationsform umzubiegen, braucht es in der Regel einen Impuls aus der Stratosphäre, ein sogenanntes Sudden Stratospheric Warming (SSW), das eine Zonalwindumkehr verursachen kann. Schauen wir uns den aktuellen Zustand und die Prognose des Stratosphärenwirbels an:

Quelle und stetig aktualisierte Version: http://www.atmos.albany.edu/student/hattard/realtime/u_65N_10hpa.png
Der westliche Zonalwind ist wie schon den ganzen Winter stark und soll sich im Lauf der nächsten zwei Wochen sogar noch verstärken. Entsprechend bleibt der Wirbel bis zum Ende der Vorhersagekarten kugelrund und macht keinerlei Anstalten, unserer Westwindzirkulation irgendwie in die Suppe spucken zu wollen, wie das etwa 2021 und ganz extrem 2018 der Fall war:
Vielmehr verstärkt sich der westliche Höhenwind auf der atlantisch-europäischen Seite sogar noch. Unter solchen Umständen wird es schwer, hierzulande noch eine ordentliche winterliche Phase zu etablieren. Wer es also gerne verschneit und knackig kalt mag, muss sich gedulden: Im Normalfall bei dieser Ausgangslage auf den nächsten Winter oder – man kann es nicht völlig ausschliessen – allenfalls noch im kommenden März. Aber der gehört wie bereits eingangs erwähnt nicht mehr zum meteorologischen Winter und kann daher auch nicht Gegenstand der Lichtmess-Prognose sein 🙂
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Microwave am 2. Februar 2022 um 22:29 Uhr
Danke für deinen Betrag, Fabienne.
Jaa, ist jetzt nicht grad so erfreulich für Schneeliebhaber wie mich, aber wenigstens war es bis jetzt schon besser als es (gefühlt) im ganzen Winter 2019/2020 war.
Grüsse – Microwave