In den letzten Tagen hatten sie wieder Hochkonjunktur: Zweijährige, zehnjährige, ja örtlich sogar hundertjährige Hochwasser. Überall wurden sie in Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen angekündigt. Von Leuten, die zur Ausübung ihres Berufs eigentlich durch eine strenge sprachliche Schule gehen mussten: Meteorologen, Hydrologen, Journalisten, Nachrichtensprechern. Sollte man zumindest meinen…

Das Hochwasser im Berner Mattequartier vom 24. August 2005 müsste noch heute bestehen, ginge es nach einigen “Sprachspezialisten”
Deutsch ist eine schwere Sprache, das ist unbestritten. So schwer, dass sich selbst Berufsleute, für deren Daseinsberechtigung ausgezeichnete Sprachfertigkeiten eigentlich Voraussetzung sein müssten, damit schwer tun. Mit dem Hochwasser ist es so eine Sache. Ein Wasser ist ein Wasser, mehrere Wasser sind auch Wasser. Nicht Wässer, so zumindest will es der Duden wissen. Hochwässer sollte es eigentlich gar nicht geben, denn sie treten zwar an Gewässern auf, aber auch ein einzelnes Gewässer ist ein Gewässer und nicht ein Gewasser. Aber lassen wir die i- oder besser gesagt die ä-Tüpferl-Reiterei. Denn das mit den mehrjährigen Hochwassern ist vielmehr dazu geeignet, die Leute zu erschrecken.
Dann nämlich, wenn nach der Tagesschau ein Meteorologe mit tief gefurchter Stirn und erster Stimme mal wieder ein “zehnjähriges Hochwasser” ankündigt. “Wie jetzt, bleibt das Wasser in meinem Keller nun zehn Jahre lang stehen?”, wird sich die geneigte Zuhörerschaft fragen. Jene, die in der Schule im Fach Deutsch keine Niete gezogen haben, werden es allerdings rasch merken: Nee, der erzählt Unsinn. Ein Hochwasser kann nicht zehn Jahre lang dauern, unmöglich! Und damit haben sie recht, es sei denn, ein neues Staudammprojekt wird vor ihre Haustür gebaut. Doch was meinte der Meteorologe, der es doch eigentlich auch wissen müsste, mit dem “zehnjährigen Hochwasser”?
Gemeint war mit Bestimmtheit ein Hochwasser, das mit einer statistischen Wiederkehrperiode von zehn Jahren auftritt. Also im Schnitt alle zehn Jahre oder fünf Mal in 50 Jahren. Fachleute bezeichnen ein solches Hochwasser mit HQ10. (Q steht für Abfluss, H für Hochwasser, die Zahl für Wiederkehrperiode in Jahren. MQ bezeichnet den mittleren Abfluss eines Gewässers). Eine solche Wiederkehrperiode wird in korrektem Deutsch als Jährlichkeit bezeichnet. Ein Hochwasser, das statistisch also im Schnitt alle zehn Jahre auftritt, ist ein 10-jährliches Hochwasser. 100-jährliche Hochwasser, also HQ100, werden umgangssprachlich auch als Jahrhunderthochwasser bezeichnet.
Die grossräumige Wetterlage wird vermutlich in diesem Sommer noch einige Male die sprachlichen Fertigkeiten mancher Medienleute auf die Probe stellen. Wenn Sie also wieder mal einem solchen Spezialisten begegnen, dann dürfen Sie diesem oder der betreffenden Redaktion zwecks Deutsch-Nachhilfe gerne den Link zu diesem Blogartikel schicken. Denn wie heisst es so schön: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.