Der November ist immer wieder für Überraschungen gut, das hat er auch in diesem Jahr wieder ganz toll hinbekommen. Schaut man sich die Flächenmittel bezüglich Temperatur und Niederschlag von Deutschland, der Schweiz und Österreich an, so kommt man auf die Idee, es sei ein ganz normaler November gewesen (manche Wetterdienste machen dies sogar zur Schlagzeile ihres Monatsrückblicks!). Dass es innerhalb dieser Länder jeweils deutliche Gefälle zwischen den Regionen gab, fällt bei solchen Betrachtungen völlig unter den Tisch und sind daher – obwohl bei Hobbymeteorologen sehr beliebt – in Monaten wie diesen völlig irreführend. Wir richten daher den Blick nicht nur auf das grosse Ganze, sondern zoomen in der Analyse auch gerne mal ins Detail.

Der Martinisommer war ausschliesslich einer der höheren Lagen, wie hier auf knapp 700 m südöstlich von Bern am 11.11.2021
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den November, erstellt am 31. Oktober, lautete wie folgt:
Der von uns präferierte Lauf zeigt über den gesamten Monat gemittelt ein Viererdruckfeld: Eine starke Tiefdruckanomalie über Island steht einer starken Hochdruckanomalie über Nordosteuropa gegenüber. Genau andersrum ist es im Süden: Das Azorenhoch wird stärker gerechnet als normal, über dem Mittelmeer wird hingegen eine schwache Tiefdruckanomalie gezeigt. Aus dieser Konstellation resultiert eine starke Westströmung über dem Atlantik, die jedoch über Europa häufig geblockt wird und entweder nach Norden ausweichen muss (Winkelwestlage oder Südlage), oder ins Mittelmeer austrogt (Trog West- bis Mitteleuropa, also je nach Position für uns Süd- oder Nordlage, woraus sich die eingangs erwähnte Unsicherheit ergibt). Nach dem Abtropfen von Tiefs ins Mittelmeer kann sich leicht eine Brücke zwischen Azoren- und Russlandhoch schliessen und für einige Tage stabiles Hochdruckwetter in Mitteleuropa sorgen – die Frage ist wie oft und für wie lange.
Die Temperaturabweichung ist für Nord- und Nordosteuropa eindeutig: Hier wird der November durchs Band deutlich zu mild gerechnet mit Abweichungen von 3-6 Grad. Für Mitteleuropa dürfte irgendwas bei +1 bis +2 Grad gegenüber dem langjährigen Mittel herauskommen, wahrscheinlich abhängig davon ob eher Hochdrucklagen mit Inversionen dominieren oder doch hin und wieder eine milde Westströmung durchgreift. In der Höhe ist eine deutlich positive Abweichung aber sehr wahrscheinlich. Zu kühl wird der November wahrscheinlich in Südwesteuropa als Folge der abtropfenden Tiefs, logisch ist bei dieser Konstellation auch ein deutlich zu kaltes Grönland auf der Rückseite des kräftigen Islandtiefs.
Niederschlag fällt in weiten Teilen Mitteleuropas wahrscheinlich spärlich mit Ausnahme des erweiterten Alpenraums, wozu auch der Schwarzwald und das nördliche Alpenvorland gehören. Hier geht der gerechnete Niederschlagsüberschuss wahrscheinlich fast vollständig auf die Rechung der Nordstaulage in der ersten Novemberwoche. Gut möglich also, dass es für den Rest des Monats auch im nördlichen Alpenraum über weite Strecken trocken bleibt. Hingegen zeichnet sich auf der Alpensüdseite ein deutlicher Niederschlagsüberschuss ab, was wiederum auf öfters auftretende Südföhnlagen im zweiten und dritten Monatsdrittel hinweist.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Selten so eine schlechte Prognose gesehen… Zumindest muss man sich als Meteorologin keinen Vorwurf machen, denn bei allem Variantenreichtum, den das Modell gerechnet hatte: Eine solche Lösung war nicht dabei. Es gab am 28.10. zwei Läufe mit einer Hochdruckanomalie auf dem Atlantik, der Gegenpart mit Tiefdruck im Nordosten fehlte aber auch hier. Komplettes Modellversagen also – wäre eine interessante Detektivarbeit, der Ursache auf den Grund zu gehen. Fazit: Der Buckel im Nordatlantik (atlantic ridge oder kurz ATR genannt) dominierte über weite Strecken des Monats, ganz besonders aber in der zweiten Monatshälfte, wo wir anhand nicht nur dieses Modells genau vom Gegenteil ausgehen mussten. Entsprechend traten nach den ersten zwei Tagen des Monats (Tief Britische Inseln) keine Südlagen mehr auf, stattdessen herrschte Nord und Nordwest vor. Immerhin richtig interpretiert wurde, dass mehr als die Hälfte des Monats unter dem Regime von abgetropften Tiefs im Mittelmeer und einer Hochdruckbrücke über Mitteleuropa stand.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Erstaunlicherweise ist die Prognose der Temperaturabweichung nicht so schlecht wie man sie anhand der Pleite bei der Druckverteilung erwarten müsste. Klar, der nordosteuropäische Wärmepol ist etwas nach Süden gerutscht, kein Wunder bei der Tiefdruckanomalie dort oben. Südwesteuropa wurde kälter als erwartet, auch dies bei mehr Nordwest- und Nordlagen bzw. noch mehr CutOffs als erwartet nicht verwunderlich. Sonst wurde das Muster aber recht gut getroffen, insbesondere im Raum Grönland und Nordmeer sowie im nördlichen Mitteleuropa und von den Britischen Inseln bis zur Ostsee. Markant ist das Nord-Süd-Gefälle in Mitteleuropa: Während es an der Ostsee zwei Grad wärmer war als im langjährigen Mittel, wurde in Süddeutschland und in der Nordwestschweiz sogar das 1961-90er Mittel deutlich unterschritten: Nach April und Mai immerhin bereits der dritte Monat in diesem Jahr, der in dieser Region zu kalt ausfiel. Angesichts der sonst grassierenden Temperaturüberschüsse ein interessantes regionales Phänomen, man könnte aus lokaler Sicht auch sagen: In diesem Jahr haben wir wirklich die A…karte gezogen 😉
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch hier könnte es schlechter sein als die Druckverteilungspleite erwarten lässt: Die Prognose ist in vielen Regionen erstaunlich gut. Schlecht ist sie natürlich auch hier wieder in Nordosteuropa, und der atlantische Buckel hat die erwarteten Niederschläge von den Britischen Inseln bis Island unterdrückt. Die Mittelmeer-CutOffs waren wie bereits im Oktober auch im November lästig stationär, so mancherorts wird man sich wohl denken: Irgendwann müsste es doch wirklich mal genug sein… Das sind unglaubliche Abweichungen wenn man bedenkt, dass die Klimatologie dort im Spätherbst ohnehin schon sehr nass ist. Westdeutschland und die Alpennordseite der Schweiz und Österreichs waren viel trockener, Ostdeutschland und die Ostalpen hingegen viel nasser als die grobe Karte vorgibt, man konsultiere hierzu wie immer die viel detaillierteren Analysen der Landeswetterdienste: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Trotz der negativen Temperaturabweichung waren richtig kalte Tage in diesem Monat rar, die meisten liefen eben unter dem Motto “innerhalb der normalen Schwankungsbreite leicht untertemperiert” und das summiert sich über den Gesamtmonat. Aber auch warme Tage waren selten, zumindest im nebligen Tiefland. Auch müssen zwölf feuchte Tage nicht zwingend viel Niederschlag bringen, immer wieder mal unergiebiges Getröpfel bzw. Nieselregen füllt die Regentöpfe nun mal nicht, es schlägt sich aber in der Trübnis nieder: Nur 50 % der normalen Sonnenscheindauer vielerorts im Flachland sind im ohnehin schon bescheidenen November deprimierend. Hingegen gab es einen Sonnenscheinüberschuss in erhöhten Lagen, was dem Gelb in unserem Diagramm schon eher entspricht. Immerhin war mehr als die Hälfte des Monats hochdruckbestimmt, darunter fallen 14 Tage Brücke Mitteleuropa und vier Tage Nordwest antizyklonal. Letzterer sind denn auch die beiden warmen Tage zu verdanken und nicht etwa der feuchten Südlage zu Beginn des Monats.
Die Langfristprognose für den Dezember findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.
Microwave am 3. Dezember 2021 um 21:16 Uhr
Hoi Fabienne
Wow, jetzt sehe ich zum ersten mal die neuen Karten und auch die Niederschlagsprognose im Vergleich zur Analyse.
Ich weiss es gab es schon früher, aber die vorherigen Mönate sind “untergegangen im Vulkan” bei mir, drum habe ich sie auch nie angeschaut.
Grüsse – Microwave