Man nehme zwei bis drei sehr warme Tage jeweils am Anfang und Ende des Monats und fülle den grossen Rest mit viel kühler Luft auf, und schon hat man einen temperaturmässig völlig durchschnittlichen Mai. Dieses Rezept funktionierte für die Schweiz, Westösterreich und den grössten Teil Deutschlands ganz gut. Der im Schnitt völlig unauffällige Mai 2025 wird somit bald vergessen machen, dass er durchaus von extremen Wetterlagen geprägt war.

„Hochrandlage“ war fast ein Dauerzustand in den Alpen: Während weiter nördlich extreme Trockenheit herrschte, wuchsen hier täglich irgendwo Gewitterwolken wie über Thun am 11. Mai – ein typisches Quellungsgebiet bei Bise
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Mai, erstellt am 1. Mai, lautete wie folgt:
Der herausgepickte Lauf, der zwar auch nicht perfekt erscheint, aber zumindest in die Nähe meiner Vorstellungen kommt, zeigt nur schwache Abweichungen zur langjährigen Norm im Höhendruckfeld. Eine positive Anomalie soll sich von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien erstrecken und findet einen Fortsatz über dem Atlantik westlich der Azoren. Negative Abweichungen liegen nordwestlich und südlich dieser Hochdruckbrücke, die für uns relevante hat den Kern über der Iberischen Halbinsel und reicht gerade bis ins südliche Mitteleuropa. Unter diesen Gegebenheiten sind Nord- bis Ostlagen in der Überzahl. Die schwachen Abweichungen deuten aber darauf hin, dass die Hochs und Tiefs nicht für längere Zeit persistent über einem Gebiet verharren, sondern ständig ein bisschen ihre Position ändern. Ein weiterer Grund für das „Verwaschen“ ist die sehr warme Lage zu Beginn des Monats und womöglich wieder eine solche am Monatsende – am Schluss kommt dann eben wieder mal Mittelmass heraus.
Dasselbe gilt auch für die Temperatur: Mehr als ein bis zwei Grad Abweichung in beide Richtungen findet man nirgends in Europa. Der Nordwesten und Norden sind unter etwas mehr Hochdruckeinfluss leicht wärmer als normal, leichte Abweichungen nach unten gibt es in Südwest- und Osteuropa. Mitteleuropa wird mit einem warmen Start und warmen Ende und viel Frische dazwischen ungefähr in der langjährigen Norm landen – wo genau sich am Boden regionale Abweichungen davon finden werden, darüber entscheiden wahrscheinlich eher zufällig verteilte Stau- und Föhneffekte.
Beim Niederschlag werden die lokalen Abweichungen wahrscheinlich zu einem grossen Teil ebenfalls von zufälligen Schauer- und Gewittertreffern abhängig sein – ein gängiges Muster im Sommerhalbjahr insbesondere dann, wenn kaum Wetterlagen aus dem Sektor West zu erwarten sind und sich die meridionalen Grosswettertypen (Nord, Ost, Süd) mehrmals ablösen. Auffällig starke Abweichungen gibt es einzig im westlichen Mittelmeerraum – hier reicht allerdings ein einziges abgetropftes Tief, um in wenigen Tagen die mehrfache Menge eines durchschnittlichen Maimonats liegen zu lassen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die Meteorologin ist selber schuld, wenn sie ihren eigenen Kopf hat und aufgrund der Entwicklung in den Mittelfristmodellen in weit zurück liegenden Läufen etwas Passendes sucht. CFS hätte mit dem allerneuesten Lauf die fast perfekte Lösung geliefert gehabt. Die Vorstellung, dass sich das Hoch zwischen Island und Schottland über sehr lange Zeit (nämlich fast drei Wochen) kaum von der Stelle bewegt, überstieg einfach den Erfahrungshorizont. Aber genau das ist ja der Zweck dieses Projekts: Stetig Neues hinzulernen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m zur Klimanormperiode 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Wenn die Lage über einen langen Zeitraum völlig festgefahren ist, dann bilden sich auch bei den Temperaturabweichungen Extreme aus. Auf ein solches Szenario bei der Prognose zu setzen, das höchst selten auftritt, erfordert Mut oder Leichtsinn, je nach Sichtweise. Einzig wenn eine Mehrheit der Modellläufe dies rechnet, kann man sich auch einigermassen darauf verlassen, aber in diesem Fall wurden sehr viele Varianten gerechnet, worauf bei Prognose einleitend auch hingewiesen wurde. Fast fünf Grad Abweichung von der Norm in beide Richtungen ist enorm viel – darauf würde kein vernünftiger Prognostiker im voraus wetten, wenn die Modelllage konfus ist. Mitteleuropa hatte in diesem Sinne noch „Glück“, genau dazwischen zu liegen. So war immerhin die lokale Prognose „durchschnittlicher Mai“ für uns zutreffend. Bereits eine kleine Verschiebung der Druckzentren hätte es aber stark in die eine oder andere Richtung kippen lassen können, dies zeigt die Abweichung von -2 Grad zum Mittel 1991-2020 im äussersten Osten Österreichs.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1991-2020 (oben Prognose, unten Analyse):
Beim Niederschlag war die Prognose weniger schlecht, als es die in die Binsen gegangene Prognose der Druckverteilung erwarten liesse. Mit einer Ausnahme: Die nasse Zone vom Baltikum bis nach Rumänien ist eine Folge des permanenten Tiefdruckeinflusses mit stetig gleicher Zugbahn der Niederschlagsgebiete in der Nordströmung. In Mitteleuropa ist die Lage komplex: Die Alpen wurden recht gut bewässert, während die flacheren Gebiete meist deutlich zu wenig Niederschlag bilanzieren. Lokale Abweichungen nach oben zeigen zum Teil einzelne Gewitterzugbahnen: Schweiz, Österreich, Deutschland.
Nach den ersten zwei Tagen im Mai vertschüsste sich das Hoch Mitteleuropa nach Nordwesten, die darauf folgenden zehn Tage GWT Ost waren zunächst von sieben Tagen Nordost zyklonal besetzt. Insgesamt hatten wir somit 18 Tage Anströmungen aus Nordost bis Nord, bevor es dann recht überraschend doch noch zu einer persistenten Westlage kam – die erste in diesem Jahr, die länger als drei Tage hielt. Daraus resultierte erstmals wieder seit längerer Zeit ein Übergewicht der kalten Tage gegenüber den warmen im Verhältnis 9 zu 5 für die Grossregion Nordschweiz-Süddeutschland-Westösterreich (in Wien lag es bei 10 zu 2). Nasse und trockene Tage teilten sich den Monat so gerecht auf, wie es eben bei ungerader Anzahl Tage geht.
Die Langfristprognose für den Juni findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Der kostenlose Zugang zu Informationen ohne boulevardeske Verzerrungen beim Thema Wetter und Klima ist uns sehr wichtig. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Noch besser, weil für die Empfängerin spesenfrei, sind direkte Einzahlungen auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten.
Spendenbarometer (fotometeo und orniwetter zusammen, Erklärung siehe hier):