Letzten Monat haben wir noch darüber berichtet, dass Januar und März die Rollen getauscht hatten. Nun blicken wir auf einen April zurück, der in weiten Teilen Mitteleuropas sogar leicht wärmer war als ein durchschnittlicher Mai. Dieser Sprung vom Spätwinter in den Frühsommer ist in dieser Kombination in der jüngeren Vergangenheit einmalig. Kaum einmal wurde der April nach kaltem März derart warm. Am ehesten ist die Situation noch mit 1987 vergleichbar, damals spielte sich der markante Wechsel allerdings auf wesentlich tieferem Niveau ab. Vielerorts wurde bei der Mitteltemperatur für den April ein neuer Rekord verzeichnet (die Diskussion, ob der April 1800 noch wärmer war, würde aufgrund der veränderten Messverfahren den Rahmen dieses Blogs sprengen). In der Schweiz liegt der April 2018 nach 2007 an zweiter Stelle, regional befanden sich auch 2009, 2011 oder mit Abstrichen 2014 auf ähnlichem Niveau. Unbestritten ist, dass sich in den letzten zwölf Jahren fünf rekordwarme Aprilmonate angehäuft haben.

Wasser marsch! Extreme Schneeschmelze in 1500-2000 m und ein Gewitter am Vorabend lassen die Seerenbachfälle wie im Frühsommer überlaufen (Walensee, 24. April 2018)
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den April, erstellt am 31. März, lautete wie folgt:
Anhand der Karten für das erste Monatsdrittel gehen wir davon aus, dass sich auch über den gesamten Monat gemittelt eine negative Druckanomalie über Westeuropa einstellt. Sie erstreckt sich meridional ungefähr von Island und dem Nordmeer trogartig nach Süden über Westeuropa hinweg bis nach Marokko. Gegenspieler ist eine positive Druckanomalie mit Zentrum über Westrussland, die sich bis nach Mitteleuropa ausweitet. Allerdings lässt der Hochdruckeinfluss nach Westen immer mehr nach. In diesem Muster überwiegen in Mitteleuropa die Wetterlagen des Typs Süd. Wären die Druckanomalien extrem ausgeprägt, könnte man andere Grosswettertypen nahezu ausschliessen, doch dies ist nicht der Fall. Ein Hinweis darauf, dass uns im weiteren Verlauf des Monats noch einige Überraschungen ins Haus stehen dürften.
Die Temperaturverteilung zeigt in Nordwest-, West- und Südwesteuropa einen deutlich unterkühlten April, da hier immer wieder kühle Luft von Grönland über den Ostatlantik bis weit nach Süden vorstösst. Bereits Mitteleuropa dürfte aber einen im Vergleich zum langjährigen Mittel wärmeren April erleben – je weiter nach Osten, umso ausgeprägter. Osteuropa wird – sofern sich das Muster auch wirklich über längere Zeit halten kann – über weite Strecken des Monats schon fast frühsommerlich warm.
Durch die Druckverteilung lassen sich zwei Gebiete mit recht deutlichen Niederschlagsabweichungen feststellen: Osteuropa wird einen trockenen April erleben, Westeuropa einen deutlich zu nassen. Durch häufige Südföhnlagen fällt der Monat auch in den Südalpen deutlich zu nass aus. Wie weit sich dies nach Osten erstreckt, hängt vom Hochdruckeinfluss ab. Für Mitteleuropa lässt sich bezüglich des Niederschlags keine klare Aussage treffen, allenfalls kann man in den vom Föhn beeinflussten Regionen von einem tendenziell eher trockenen April ausgehen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials (Druck in rund 5500 m Höhe) gegenüber dem langjährigen Mittel:
Die Verteilung der prognostizierten Druckmuster stimmt in der Analyse recht gut überein, sind allerdings alle um ungefähr 1200 km nach Südwesten verschoben. Zudem ist das Tiefdruckmuster weniger stark meridional (Nord-Süd) ausgerichtet als erwartet. Mitteleuropa kam somit stärker als prognostiziert unter Hochdruck zu liegen. Wie erwartet überwogen die Grosswettertypen südlicher Ausprägung, West konnte sich allerdings aufgrund der zonaleren Ausrichtung des Atlantiktiefs auch kurz durchsetzen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Die erwartete frühsommerliche Witterung in Osteuropa ist mit Abweichungen von bis zu 6 Grad über der langjährigen Norm (dies entspricht dort einem durchschnittlichen Juni!) voll eingetroffen, dabei hat sie sich allerdings weitaus stärker nach Westen ausgedehnt als prognostiziert. Wie auch bei der Druckverteilung verlief die normal temperierte Zone ungefähr um 1000 km nach Westen verschoben, also auf der Achse Irland-Portugal statt über Frankreich. Die erreichte Abweichung liegt in Mitteleuropa statt der erwarteten 2-4 Grad zwischen 3.5 und 5.5 Grad. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Langfristprognosen zwar Trends erfassen, aber nur selten Rekordereignisse vorhersagen können. Interessant ist die Auswirkung der zonaleren Ausrichtung des Atlantiktiefs: Grönland wurde deutlich wärmer als prognostiziert, somit waren auch die nach Südwesteuropa und Nordwestafrika geführten Luftmassen weniger kalt als erwartet. Dennoch war der Temperaturgradient zwischen West- und Osteuropa markant, wie auch die Analyse der Temperatur am Boden zeigt:
Auffällig ist hier im Gegensatz zur Luftmassenverteilung in der Höhe, dass sich die Wärme am Boden stark an die Landmasse hält. Die nach den kalten Monaten Februar und März noch unterkühlten Meere drückten die Temperaturen an den Küsten markant nach unten. So sind die Temperaturgradienten entlang von Nord- und Ostseeküste am deutlichsten ausgeprägt, aber auch am Mittelmeer und am Schwarzen Meer ist der Effekt klar zu erkennen. Fazit: Dass der April auch im Landesinneren von Norddeutschland und Polen rekordwarm ausfiel, ist einzig dem gänzlichen Fehlen von Wetterlagen des Nordsektors zu verdanken. Am deutlichsten wird dies, wenn man die Werte von Helgoland genauer ansieht: Dort war der April 2007 nach dem sehr milden Winter und der folglich wärmeren Nordsee um knapp drei Grad wärmer als 2018.
Wie erwartet fiel die Niederschlagsverteilung in Mitteleuropa unterschiedlich aus. Während die Föhngebiete auf der Alpennordseite erwartungsgemäss eher auf der trockenen Seite liegen, war der Süden eher nass. Nicht aufgelöst werden können in dieser Karte lokale Abweichungen, hauptsächlich verursacht durch Gewitter. Die sonst trockenheitsgefährdete Iberische Halbinsel hat das überschüssige Nass wahrscheinlich gerne in Kauf genommen, während im östlichen Mittel- und besonders in Südosteuropa die Trockenheit bereits vor dem Beginn des Sommers wieder ein akutes Thema wird.
Ein seltenes Bild gibt auch die Statistik der Witterungstypen ab. Mehr als die Hälfte des Monats lief unter trocken-warm, jeweils nur kurz unterbrochen durch feucht-warm (und dies auch nur durch meist regional begrenzte Schauer und Gewitter). Der einzig deutlich zu kalte Tag war der 1. April als Erbe des Märzwinters. Auffällig ist das gänzliche Fehlen der Witterungstypen aus dem Sektor Nord. Die acht Tage des Grosswettertyps Ost waren allesamt durch eine Südostlage besetzt, womit der Sektor Süd auf insgesamt 18 Tage kommt.
Der beinahe nahtlose Übergang von spätwinterlicher zu frühsommerlicher Witterung hat wie eingangs erwähnt zu einem fast schon bizarr anmutenden Vegetationsschub geführt. Der Eindruck, dass wir es mit einem Turbo-Frühling von gerade mal zwei bis drei Wochen Dauer zu tun hatten, ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Die phänologische Uhr des DWD verdeutlicht dies sehr anschaulich, wobei wir mit Thüringen jenes Bundesland ausgewählt haben, das anhand der obigen Temperaturkarten die stärkste Abweichung vom langjährigen Mittel aufwies:
Wir sehen einen durch den milden Januar deutlich verfrühten Vorfrühling, der sich aufgrund der kalten Monate Februar und März extrem in die Länge zog. Die Phase des Erstfrühlings hingegen wurde auf weniger als die Hälfte ihrer üblichen Dauer zusammengestaucht. Wir haben diese aussergewöhnliche Entwicklung in einer Bildergalerie zusammengefasst (öffnet sich beim Klick ins Bild):
Die Langfristprognose für den Mai findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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Microwave am 4. Mai 2018 um 21:16 Uhr
Hoi Fabienne, danke für den Beitrag und vor Allem für die Bildergalerie dieses Aprils!
Freue mich schon auf die nächsten Blogbeiträge und Bilder.
Grüsse – Microwave