Selten waren sich die Langfristmodelle in einem Herbstmonat so einig, und sie lagen diesmal richtig: Einer der trübsten und nassesten Oktobermonate seit Messbeginn hat weite Teile Mitteleuropas heimgesucht. Hinsichtlich des Niederschlags konnte die Prognose gar nicht daneben liegen, denn ein rekordverdächtiges Ereignis sollte im Alpenraum bereits zu Beginn des Monats stattfinden. Die am 2. Oktober gemessenen Niederschlagsmengen treten pro Jahrhundert nur ein bis drei Mal auf, einige Stationen meldeten sogar Rekorde in der über hundertjährigen Messreihe. Bei der niedrigen Sonnenscheindauer war die Sache schon etwas schwieriger, musste sich das Defizit doch über den ganzen Monat ansammeln – doch auch das gelang mancherorts. Auch hier verzeichneten einzelne Stationen einen neuen Rekord. Allerdings muss man festhalten, dass kein anderer Parameter so schlecht vergleichbar ist wie die Sonnenscheindauer, zu dessen Erhebung sich die Messtechnik über die Jahrzehnte stark verändert hat und einen relativ grossen Unsicherheitsbereich beinhaltet.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Oktober, erstellt am 1. Oktober, lautete wie folgt:
Das Zentrum der Tiefdruckanomalie wird über dem Ärmelkanal verortet und umfasst ganz West- und Mitteleuropa, streut aber auch Ausläufer nach Süden bis Algerien und nach Osten bis zum Balkan. Kräftige Hochdruckanomalien werden über dem zentralen Nordatlantik (zeitweise nach Norden ausbüxendes Azorenhoch) sowie von Skandinavien bis Nordwestrussland gerechnet. Die am häufigsten zu erwartenden Grosswetterlagen sind: Trog Westeuropa, Tief Britische Inseln, Tief Mitteleuropa, Südost zyklonal, ev. kurzzeitig auch südliche Westlage oder Winkelwest. Also sämtliche Sauereien, die man sich als Liebhaber trüben und nassen Wetters nur wünschen kann.
Auf die Temperaturverteilung wirkt sich das so aus, dass der Hohe Norden deutlich übertemperiert wird, was die Eisbildung in der Arktis verzögert. Schon fast Standardprogramm ist ein deutlich zu warmes Südosteuropa, das häufig Luftmassen aus der Sahara geliefert bekommt. Deutlich zu kühl wird es in nahezu ganz Westeuropa. Das Temperaturgefälle von Ost nach West in Mitteleuropa führt dazu, dass hier eine eindeutige Prognose nahezu verunmöglicht wird, hier streuen die Modelle recht stark – kein Wunder wenn nicht klar ist, wo genau sich die Tiefdruckzentren positionieren werden und wie häufig der Föhn mitspielen wird.
Eindeutiger steht die Sache beim Niederschlag. Nahezu ganz West- und Mitteleuropa wird zu nass gerechnet, wobei die Mengen vor allem in den West- und Südalpen mit teils weit über 500 mm herausstechen (wie viel es genau ist, weiss man nicht: Die Skala des Modells wird gesprengt!). Wie weit sich die Nässe nach Osteuropa wie in der Karte unten gezeigt ausbreitet, bleibt abzuwarten, hier besteht dieselbe Unsicherheit wie bei den Temperaturen für Mitteleuropa abhängig von der genauen Positionierung der Tiefs. Vermutlich basiert diese Rechnung darauf, dass Süd- bis Südwestströmungen sehr feuchte Mittelmeerluft bis weit nach Nordosteuropa hinauftragen und sich über mehrere Tage schleifende Fronten bilden, in die auch Gewitter eingelagert sein können. Ursächlich ist eine aktuelle Temperaturanomalie des Meerwassers im nördlichen Mittelmeer von etwa 2.5 Grad zur langjährigen Norm, da wird also sehr viel Feuchtigkeit und Energie an die Atmosphäre abgegeben.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Geopotenzials in rund 5500 m gegenüber dem langjährigen Mittel:
So punktgenau findet man eine Prognose bezüglich der Druckzentren nur selten. Schlussendlich fiel die Abweichung des Tiefdrucks etwas geringer aus als erwartet, sie reichte aber trotzdem aus, um den Monat über weite Strecken zu prägen. Die einzige auffällige Fehlleistung des Prognoselaufs war der von Südosteuropa zum zentralen Mittelmeer gerichtete Hochdruckkeil. Mit dem Resultat, dass sich die von einer Fehlprognose betroffenen Süditaliener schlecht damit trösten können, dass sonst in ganz Europa die Prognose nahezu perfekt war.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Auch die Verteilung der Luftmassen wurde sehr gut prognostiziert. Insbesondere im Zentrum der negativen Abweichung über Westeuropa wurde auch der Betrag genau getroffen. Als Folge des fehlenden Hochdrucks im zentralen Mittelmeerraum resultierte hier auch eine Fehlprognose bei der Temperatur: Kalte Luftmassen konnten bis nach Tunesien vordringen, im Gegenzug fehlten diese bei Island. Entsprechend wurde auch das Zentrum der positiven Abweichung nach Osten zum Schwarzen Meer abgedrängt. Deutlich besser als erwartet lag die Genauigkeit des Ost-West-Gefälles in Mitteleuropa: Manchmal braucht es auch ein wenig Glück, damit eine Prognose über einen ganzen Monat gemittelt so exakt eintrifft. Allerdings war die Höhenkaltluft nicht überall am Boden so wirksam:
Auf der Karte der am Boden gemessenen Temperaturabweichungen erkennt man gut, dass sich die negativen Abweichungen vor allem auf die Gebirge konzentrieren. Im Flachland wurde die Kälte durch fehlende Strahlungsnächte aufgrund der meist starken Bewölkung etwas ausgeglichen. Hier traten trotz der häufig kalten Luftmassen kaum Nachtfröste auf. Durch die an den Ostflanken der Tiefs aus Süden herumgeführte Warmluft fiel der Oktober in Ost- und Norddeutschland mit bis zu +2 Grad sogar deutlich zu warm aus.
Die Prognose der Niederschlagsverteilung wurde ebenfalls sehr gut getroffen. Etwas erstaunen mag, dass die Abweichung zur langjährigen Norm trotz des Rekordereignisses in den Südalpen nicht stärker in Erscheinung tritt – dies, weil der Oktober dort aufgrund häufiger Südlagen ohnehin meist sehr nass ist. Sogar in dieser grob aufgelösten Karte erscheint das Föhnfenster auf der Alpennordseite sehr deutlich: Leicht unterdurchschnittlich waren die Niederschlagsmengen ungefähr in einem Streifen vom Rhein-Main-Gebiet bis nach Mittelfranken. Wer es genauer wissen möchte, klickt auf diese Links: (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Bei der insgesamt negativen Abweichung des Temperaturmittels mag es erstaunen, dass sich deutlich zu kühle und deutlich zu warme Tage zahlenmässig die Waage hielten. Es kam vereinzelt mit Föhnunterstützung sogar noch zu Sommertagen, so am 3. Oktober von Kufstein bis nach Niederösterreich (Amstetten: 27.0 °C) und am 21. Oktober in Vorarlberg (Bludenz 25.8 °C). Andersrum schneite es teilweise bis in die Talböden (z.B. in Chur und Innsbruck 3 cm Schnee am Morgen des 27.10.). Ebenfalls erstaunlich: Obwohl der Monat im Alpenraum im Schnitt zu kühl ausfiel, überwiegen die Grosswettertypen West bis Süd mit 22 Tagen, aus dem Sektor Nord (Nordwest-, Nord- und Nordostlagen) kam die Luft nur an neun Tagen. Der Widerspruch löst sich dann auf wenn man die Wetterlagen genauer analysiert: Auch bei untypischen Südlagen wie “Tief Britische Inseln” etwa zu Monatsbeginn wird Polarluft weit nach Süden geführt und um das Tief herum in Richtung Alpen gesteuert. Bodennah liegt dann auf der Alpennordseite bereits ein Kaltluftkörper, während die warme Süd- bis Südwestströmung darüber gleitet und die starken Niederschläge auslöst, wodurch die Luft in den tiefen Schichten weiter auskühlt und die Schneefallgrenze in engen Tälern bis in die Tallagen sinkt.
Die Langfristprognose für den November findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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