Eigentlich ist der Januar bei uns der kälteste des Jahres. Nun denn… wenn’s das gewesen sein soll? Abgesehen von ein paar knackig kalten Nächten in den nebelfreien Gebieten, aber weit entfernt davon, aussergewöhnlich genannt werden zu dürfen, war von Winter nicht viel zu spüren. Nichts, was ein November nicht auch zustande bringen könnte. Der Überschuss des Gesamtmonats bei der Mitteltemperatur stammt allerdings aus den ersten Tagen, wo vielerorts sogar Rekorde gemessen wurden. Danach dümpelte es ohne grössere Ausreisser um das neue Klimamittel 1991-2020 herum. Bemerkenswert ist allerdings die Trockenheit auf der Alpensüdseite und inneralpin: Im Engadin wurden gerade mal 7 % der langjährigen Niederschläge gemessen.
Die fotometeo.ch/orniwetter.info-Langfristprognose für den Januar, erstellt am 31. Dezember, lautete wie folgt:
Unser bevorzugter Modelllauf zeigt eine mässige Hochdruckanomalie mit Zentrum über dem zentralen Mittelmeer mit schwacher Ausdehnung nach Norden bis Skandinavien. Als Gegenpart figuriert eine ebenfalls mässige Tiefdruckanomalie von Island bis nach Nordwesteuropa, wiederum flankiert von einer Hochdruckanomalie über dem westlichen Nordatlantik und Grönland. Daraus kann man schliessen, dass im Grossen und Ganzen die Westlagen dominieren, aber eben nicht nur. Dazwischen gibt es immer wieder Versuche eines Blockadehochs über dem europäischen Kontinent – fragt sich noch ob direkt über uns oder eher etwas östlich. Dominierende Grosswetterlagen im Januar werden demzufolge West zyklonal (eventuell Winkelwest) und West antizyklonal sein, aber auch Südwestlagen können mitspielen oder mal für ein paar Tage Hoch Mitteleuropa. Kalte Rückseiten (Nordwest- bis Nordlagen) sind wahrscheinlich jeweils nur von kurzer Dauer, sodass sie womöglich die erforderliche Dreitageslänge für die Klassifizierung als eigenständige GWL nicht mal erreichen.
Die Karte mit der Temperaturabweichung zeigt die Dominanz milder Luftmassen in weiten Teilen Europas eindrücklich: +3 Grad oder regional sogar höhere Abweichungen zum Mittel 1981-2010 sind nicht unwahrscheinlich. Ein bisschen Restkälte wird noch über Teilen Skandinaviens gerechnet: Hier ist es in der ersten Januarwoche noch deutlich kälter als normal, im Verlauf des Monats soll die Kälte aber auch hier nach und nach ausgeräumt werden. Diese konzentriert sich dann nur noch auf Grönland und treibt die Tiefdruckproduktion auf dem Nordatlantik weiter an.
Mit den Westwindtiefs wird es in West- und Mitteleuropa meist durchschnittlich bis leicht nasser als normal. Eine etwas ausgeprägtere positive Niederschlagsbilanz dürfte am Alpennordhang resultieren, was aber hauptsächlich in der ersten Januarwoche geliefert wird, danach sind längere trockene Phasen wahrscheinlich. Ob auch die Alpensüdseite etwas abbekommt, hängt davon ab ob sich zwischendurch eine Südwestlage einstellt – andernfalls bleibt es dort mit häufigem West- bzw. Nordföhn deutlich zu trocken. Dasselbe gilt für die Gebiete östlich der Alpen.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Bodendrucks gegenüber dem langjährigen Mittel:
Nein, das ist gar nicht gut. Man darf hier durchaus mal das sonst überstrapazierte Wort “Modellversagen” ohne falsche Zurückhaltung verwenden, denn diese Lösung mit dem starken Hoch auf dem Nordatlantik bis Westeuropa war in keinem einzigen Lauf des CFS vom 27. bis 31 Januar vorhanden. Das sind 20 Modellläufe, die allesamt daneben lagen, und auch andere Modelle brachten einen auf keinen besseren Pfad. Die Meteorologin wäscht also ihre Hände in Unschuld… Dabei hat es in den ersten zwölf Tagen des Monats hinsichtlich der Prognoseerfüllung noch ganz gut ausgesehen, doch danach gab es nur noch einen Grosswettertypen bis inkl. 2. Februar: Nordwest. Das sind 21 Tage am Stück und somit neuer Rekord seit Beginn der Statistik 1881, der alte liegt bei 19 Tagen und stammt aus dem März 1966. Ein weiteres Lehrstück also der immer häufiger auftretenden Persistenz, mit der die Langfristmodelle offensichtlich immer noch nicht klarkommen.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur 2 Meter über Boden zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Angesichts der katastrophalen Prognosegüte bei der Druckverteilung müsste man eigentlich ein ähnliches Resultat bei der Temperatur erwarten – doch weit gefehlt. Das grossräumige Muster wurde gut erkannt und die Abweichungsbeträge in den meisten Regionen ebenfalls. Am auffälligsten ist die Differenz über Frankreich, wo die klaren, kalten Nächte unter dem permanenten Hoch das Mittel stark nach unten zogen. Ansonsten können wir die Lehre daraus ziehen, dass es im Winter für Mitteleuropa keine so grosse Rolle spielt, ob sich West- und Hochdrucklagen abwechseln oder Nordwest dominiert: Das Resultat bei der Mitteltemperatur ist dasselbe.
Abweichung des Monatsniederschlags gegenüber der Klimanorm 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Deutlicher wirkt sich die Fehlprognose auf die Niederschlagsverteilung aus, logischerweise am stärksten unter dem nicht erwarteten Hoch in Westeuropa. Statt eines nassen Gürtels in der berechneten Frontalzone von Irland bis ins Baltikum findet man diesen nun von Skandinavien bis nach Osteuropa, wobei der Hauptanteil davon vom norwegischen Gebirge aufgefangen wurde. Einen sekundären Effekt dieser permanenten Nordwestlage findet man in einem Streifen entlang der Mittelgebirge quer durch die Mitte Deutschlands. Der Alpennordrand hingegen war bereits wieder zu häufig unter Hochdruckeinfluss, einzig in den Ostalpen resultierte regional ein Niederschlagsplus. Für eine bessere Auflösung der Niederschlagsverteilung seien die detaillierteren Analysen der Landeswetterdienste empfohlen: Schweiz, Österreich, Deutschland. Man beachte allerdings die unterschiedlichen Referenzperioden in jedem Land, da herrscht inzwischen Wildwuchs.
Bei der Verteilung trocken/feucht kommt unser Blick auf das gesamte Alpenvorland zum Ausdruck: Im Westen wären deutlich mehr trockene Tage zu verzeichnen gewesen. Auch der Ursprung der positiven Temperaturabweichung wird deutlich: Nicht die ausserordentliche Häufung warmer Tage ist dafür verantwortlich, sondern das Fehlen von sehr kalten Tagen. Ein einziger hat dieses Kriterium gerade mal geritzt, und dies auch nur aufgrund sehr tiefer Minimumtemperaturen hauptsächlich in den Alpentälern und in nebelfreien Muldenlagen. Eine Diskrepanz fällt noch auf: Anhand der Dominanz von Nordwestlagen müsste man eigentlich viele feucht-kalte Tage erwarten. Doch wenn die Nordsee zwei und das Nordmeer bis fünf Grad zu warm ist, kann aus dieser Richtung für Gebiete unterhalb von etwa 600 m kein nachhaltiger Winter mehr kommen.
Die Langfristprognose für den Februar findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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