Sie vermuten richtig: Wenn die ansonsten recht neutral eingestellte Autorin sich zu einem solchen Titel hinreissen lässt, dann ist sie genervt. Nicht nur über die Unbeständigkeit, Trübheit, Nässe und die negative Temperaturabweichung in einem der potenziell stabilsten Monate des Jahres (im September erreicht der Grosswettertyp „Hoch Mitteleuropa“ mit 22 % das langjährig statistische Maximum im Jahresverlauf), sondern auch über eine der gravierendsten Fehlprognosen seit Einführung dieser Rubrik. Nach dem Höhenflug 2016 wurden wir in diesem Jahr wieder mal daran erinnert, weshalb in der Meteorologie der statistische Herbst am 1. September beginnt. So wurde in weiten Teilen Mitteleuropas kein einziger Sommertag (TMax >25 °C) verzeichnet, die begünstigten Regionen erhielten deren einen oder zwei – mehr oder weniger knapp – und immerhin drei waren es zwischen Wien und Graz. Am heftigsten erwischt hat es diesmal den Alpenraum: Auf dem 2600 m hohen Weissfluhjoch bei Davos geht mit 15 Neuschneetagen und einer Neuschneesumme von 107 cm ein neuer September-Rekord seit Messbeginn 1959 in die Statistik ein. Und wer nun glaubt, diese Messreihe sei für die Aussagekraft eines aussergewöhnlichen Septembers in den Bergen zu kurz, der möge zur Kenntnis nehmen, dass auf der Villacher Alpe (2117 m) in Kärnten mit einer seit 1925 bestehenden Messreihe ebenfalls ein Rekord verzeichnet wurde.
Die orniwetter.info/fotometeo.ch-Prognose für den September, erstellt am 31. August, lautete wie folgt:
Leider will CFS von einem eindeutigen Trend überhaupt nichts wissen und tischt in den letzten drei Tagen (=12 Läufe) einen reich garnierten gemischten Salat auf. Wir können also wie alle Jahre feststellen: Der September ist auch diesmal eine Wundertüte und lässt sich nicht in die Karten blicken. Die Umstellung vom Sommer in den Herbst geht nicht nur mit sehr unsicheren Abkühlungsprozessen in der Arktis einher, sondern wird auch von Tropenstürmen auf dem Atlantik beeinflusst. Entsprechend rudern die Modelle zu dieser Jahreszeit wild umher. Bei derartigen Voraussetzungen gleicht der Griff nach einem präferierten Modelllauf einer Lotterie. Also ist es nicht die dümmste Idee, auf Persistenz zu setzen, das hat bereits im August ganz gut geklappt.
Am nächsten dem bisherigen Muster kommt der 0z-Lauf vom 30.08.2017 mit einem blockierenden Hoch über Russland und einem leicht verstärkten Azorenhoch, zwischen denen sich über Mitteleuropa hinweg eine Brücke bildet. Diese weist über Westeuropa eine Schwachstelle auf, welche es abtropfenden Tiefs erlaubt, ins westliche bis zentrale Mittelmeer durchzubrechen. Die negative Anomalie des Höhendrucks liegt südlich von Island, ist aber nicht extrem ausgeprägt. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein Wechsel aus den Grosswettertypen West (ev. Winkelwest), Südwest und Süd mit gelegentlich sich einnistenden Tiefs oder Trögen über Mitteleuropa wie gleich zu Monatsbeginn, wobei diese jeweils nicht von langer Dauer sind und von der bereits erwähnten Hochdruckbrücke abgelöst werden. Kaum durchsetzen können sich unter diesen Umständen Ostlagen.
Die dazu passende Temperaturkarte zeigt keine deutlichen Abweichungen von der langjährigen Norm in weiten Teilen Europas. Angesichts der Erfahrungen der letzten Monate kann man davon ausgehen, dass die Abweichung leicht höher ausfallen wird als gerechnet, was in Mitteleuropa wohl etwa einem Plus von knapp einem Grad entsprechen dürfte. Deutlich zu warm wird wahrscheinlich Osteuropa, während der Westen und Süden eher auf die kühle Seite kippen.
Die gezeigte Niederschlagskarte ist mit Vorsicht zu geniessen, da der Wetterlagenmix im Detail nicht festeht. Tendenziell ist mit erhöhten Niederschlägen auf der Alpensüdseite und in den Pyrenäen zu rechnen (Südstau bei Südwest- und Südlagen), während der Norden leicht begünstigt sein kann. Die erhöhten Signale in Osteuropa bei gleichzeitiger Wärme deuten in dieser Region auf verstärkte Gewitteraktivität hin, was auf Zufuhr feucht-warmer Luftmassen aus dem Mittelmeerraum zurückzuführen ist.
Vergleich der Prognose (oben) mit der Analyse (unten) der Abweichungen des Höhendruckfelds (5500 m) gegenüber dem langjährigen Mittel:
So schlecht wurde die grossräumige Zirkulation mit der Position und Stärke des Azorenhochs sowie des blockierenden Hochs im Nordosten grundsätzlich nicht erfasst. Nur leider liegt Mittelereuropa wieder mal im Zentrum der Fehleinschätzung: Statt der (zumindest zeitweilig) erwarteten Hochdruckbrücke zwischen Südwest und Nordost setzte sich in diesem Viererdruckfeld die Tiefdruckrinne zwischen Nordwest und Südost in schon fast als penetrant zu bezeichnendem Ausmass durch. Südwest- und Südlagen blieben völlig aus, stattdessen häufig Einfluss aus Nord bis Ost, wobei sich im gesamten Monat in Mitteleuropa keine einzige antizyklonale Grosswetterlage durchsetzen konnte.
Die Abweichung der Monatsmitteltemperatur in rund 1500 m Höhe zur Klimanormperiode 1981-2010 (oben Prognose, unten Analyse):
Erst beim Vergleich der Temperaturprognose mit der Analyse wird das Ausmass der Auswirkungen des stärkeren Tiefdruckeinflusses in Mitteleuropa richtig sichtbar. Auch hier liegt die grossräumige Verteilung mit deutlichen Wärmeüberschüssen im Norden und Osten sowie im Südwesten nicht schlecht, die geballte Ladung versammelter Höhenkaltluft genau über Mitteleuropa wurde jedoch nicht erkannt. Da tröstet auch nicht der Umstand darüber hinweg, dass von den erwähnten zwölf Modellläufen einer (!) die Kälte über Mitteleuropa erkannt hätte, allerdings unter dem Makel, dass diese mit einer vom eingetroffenen Zustand völlig abweichenden grössräumigen Verteilung (z.B. mit Kälte auch im Hohen Norden) hätte zustande kommen sollen. Die von uns angekündigte schlechte Prognosegüte des Langfristmodells in diesem Monat hat sich somit bewahrheitet – das ist dann aber auch schon der einzige Pluspunkt an Eigenleistung, den wir diesmal verbuchen können.
Immerhin hatte die Septembersonne auf dem Kontinent noch genug Kraft, um den Einfluss der Höhenkaltluft in den bodennahen Schichten etwas abzumildern – negativ gesehen könnte man auch damit argumentieren, dass es bei meist bewölkten Verhältnissen nachts nicht so stark auskühlen konnte. Trotzdem resultierte statt den erwarteten durchschnittlichen bis leicht postiven Abweichungen ein Minus von 1.5 bis 2.0 Grad und sogar bis zu 2.5 Grad in den nördlichen Zentralalpen. Böse Zungen behaupten, dies sei die Strafe dafür, dass das südliche Mitteleuropa gegenüber dem Norden den ganzen Sommer über bevorzugt wurde.
Die Niederschlagsverteilung präsentiert sich wie folgt:
Etwas wenig überraschend stimmen die regionalen Abweichungen mit der Prognose kaum überein. Am frappantesten ist hier die Fehlprognose im nördlichen Mitteleuropa, das zu trocken prognostiziert wurde. Schon fast lehrbuchhaft gibt diese Karte den Einfluss von Tief und Trog Mitteleuropa wider: Eher trocken in den Westalpen bei nördlicher Anströmung, sehr nass in den östlichen Südalpen bei Südanströmung. Extrem ist wiederum das trockene Fenster an der sonst sehr nassen norwegischen Küste: Hier hat der permanente Hochdruckeinfluss – mit umgekehrten Vorzeichen als im Alpenraum – ebenfalls für einen aussergewöchnlichen September gesorgt.
Die Analysen von Witterungs- und Grosswetterypen fallen schon farblich durch ihre aussergewöhnliche Verteilung auf. Bei den Grosswettertypen ist es der Sektor Südwest bis Süd und der GWT Hoch, die gänzlich fehlen, was sich bei den Witterungstypen in gerade mal nur zwei (feucht-)warmen Tagen zum Monatsende niederschlägt. Markant ist auch die Zahl von 18 nassen Tagen im sonst eher stabilen September und das Sahnehäubchen von neun kalten Tagen zeigt, dass 2017 als Jahr ohne Spätsommer in die Statistik eingeht.
Die Langfristprognose für den Oktober findet man auf unserer Partnerseite orniwetter.info, sie wird zu Beginn des nächsten Monats in diesem Blog verifiziert.
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