Mit dem 27. Juni steht ein wichtiger Lostag der Meteorologie im Kalender dick angestrichen. Die Siebenschläfer-Regel, welche dem Volksglauben nach das Wetter der nächsten sieben Wochen vorhersagen soll “Wie das Wetter am Siebenschläfertag, es sieben Wochen bleiben mag”, wird auch im Zeitalter der technisierten Prognosekünste von den Wetterdiensten gerne bedient, können doch auch die modernsten Wettermodelle das Wetter in der Regel nur für die nächsten Tage einigermassen verlässlich abbilden. Immerhin hat sich in den letzten Jahren inzwischen auch in den Redaktionsstuben von einigen Boulevard-Blättern herumgesprochen, dass die Regel nicht so streng ausgelegt werden darf, und zahlreiche Meteorologen helfen – mehr oder weniger geschickt – bei der richtigen Interpretation. Für die notwendige akribische Arbeit zum Thema ist aber auch bei den meisten Online-Portalen immer noch wenig Platz (oder Zeit bzw. Geld?) vorhanden, und so bleibt es auch heute vielerorts bei der plumpen Aussage, dass wir heuer keinen Spitzen-Hochsommer bzw. einen “typisch wechselhaften mitteleuropäischen Sommer” zu erwarten haben. fotometeo führt die Tradition der letzten Jahre aber gerne fort und schaut genauer hin.

So soll es nach der Siebenschläfer-Regel nun 7 Wochen lang aussehen: sonnig, ein paar Quellwolken und vereinzelte Regengüsse im Bergland
Zunächst ein Blick auf die aktuelle Wetterlage:
Auffällig ist derzeit eine für die Jahreszeit weit nach Süden vorgeschobene Frontalzone, welche Randtiefs ungefähr dem 50. Breitengrad entlang nach Osten ziehen lässt. Die Wetterlagenklassifikation nach Hess & Brezowsky taxiert dies als “südliche Westlage” und ist eigentlich ein typisches Phänomen des Winterhalbjahrs. Die Frontalzone trennt kühle Polarluft im Norden von der warmen Subtropikluft im Süden. Normalerweise verläuft diese Luftmassengrenze mit einigen “Beulen” nach Norden und Süden im Hochsommer irgendwo zwischen dem nördlichen Mitteleuropa und Südskandinavien und erreicht im August die nördlichste Position im Jahresverlauf. Die Siebenschläfer-Regel geht davon aus, dass im Zeitraum von Ende Juni bis Anfang Juli diese Hochsommer-Position eingenommen wird und danach bis Ende August in etwa 70 % der Fälle auch dort verbleibt. So gesehen, steht sie in diesem Jahr völlig neben den Schuhen und bereitet für eine korrekte Auslegung der Regel einiges an Kopfzerbrechen.
Dass Ende Juni oft noch polare Luftmassen Mitteleuropa fluten, ist gar nicht so selten und war 2013 ganz ausgeprägt der Fall (siehe letztjährige Siebenschläfer-Prognose). Entscheidend ist dann, ob sich in der ersten Juliwoche die Lage zugunsten der Hochsommer-Position entwickelt. Wie sieht es also in den nächsten Tagen in Sachen Grosswetterlagen-Entwicklung aus? Nehmen wir zuerst die Ensemble-Karte mit dem Bodendruck zu Hilfe. Sie berechnet den mittleren Luftdruck am Boden (schwarze Linien) aus einer Anzahl Läufen mit variablen Ausgangsdaten und zeigt anhand der farbigen Flächen (blau = sicher, gelb bis rot = unsicher), wie zuverlässig die aktuelle Prognose für den fraglichen Zeitraum ist:
Im Vergleich zum Vorjahr zeigt die Prognose für den 7. Juli 2014 ein weit nach Westen zurückgezogenes Azorenhoch. Ein Hochdruckkeil in Richtung Mitteleuropa ist nur sehr schwach angedeutet. Die blauen bis grünlichen Flächen weisen darauf hin, dass diese Position als ziemlich gesichert angenommen werden darf. Die Tiefdrucktätigkeit hat ihr Zentrum über Skandinavien, bei dieser Position der Druckverteilung ist mit einer kühlen Nordwestströmung von Grönland bis nach Mitteleuropa zu rechnen. Allerdings sind da auch noch die gelben Flächen über den Britischen Inseln und westlich davon, die darauf hinweisen, dass Tiefdruckgebiete auch auf dieser nach wie vor südlichen Zugbahn wahrscheinlich sind. Gegenüber der aktuellen Lage ändert sich somit auch in den nächsten 10 Tagen nicht allzu viel.
Zur Vervollständigung des Bildes ziehen wir noch den gleichen Kartentyp für die Temperaturverteilung in ungefähr 1500 m Höhe zu Rate (diese Höhe deshalb, weil hier der Einfluss von Land und Wasser auf die Lufttemperatur geringer ist als direkt am Boden):
Auffällig ist hier die relativ hohe Sicherheit der bereits oben erwähnten Kaltluft-Ausbreitung von Nordwesten her bis nach Mitteleuropa. Die starke Drängung der Isothermen (= Linien gleicher Temperatur) über Spanien und dem Alpenraum zeigt, dass die Frontalzone wahrscheinlich auch am 7. Juli immer noch für die Jahreszeit sehr weit südlich liegt. Das Bedenkliche daran ist, dass es sich dabei nicht etwa um einen schmalen Trog handelt, der sich womöglich rasch abschnürt und auffüllt, sondern um ein breites und daher recht stabiles Muster.
Was bedeutet nun diese Lage für die Hochsommer-Prognose? Für den Beginn sicher nichts Gutes. Es scheint so, dass sich das Zirkulationsmuster in der ersten Julihälfte noch nicht umstellt und wir daher mit einer eher kühlen und immer wieder nassen Witterung rechnen müssen, wobei kurze Hitzeschübe von 1 bis maximal 3 Tagen durch Föhnlagen auf den Vorderseiten der Randtiefs möglich sind. Der rasche und dynamische Wechsel zwischen sehr warmen und kühlen Luftmassen birgt auch einiges an Unwetterpotenzial, gerade im Alpenraum. Für den weiteren Verlauf des Hochsommers kann bei dieser Konstellation keine verlässliche Aussage getroffen werden. Möglich, dass sich dieses Muster durch den gesamten Hochsommer zieht und erst im Spätsommer eine allmähliche Stabilisierung einsetzt, wie zuletzt 2011 und 2009. Andererseits kann es sich auch lediglich um eine Verspätung der Verschiebung der Frontalzone handeln und das übliche Hochsommer-Muster stellt sich in der zweiten Julihälfte ein. Fazit: Bei 2014 scheint es sich um ein Jahr aus jenem Drittel zu handeln, bei dem die Siebenschläfer-Regel nicht angewandt werden kann, bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Fehlprognose führt.
Für die kontinuierliche Verfolgung der Grosswetterlagen-Entwicklung und Vergleichen mit anderen Jahren eignet sich der Wetterlagenkalender auf unserer Partnerseite orniwetter.info.