Nimmt man die alte Siebenschläfer-Regel beim Wort (es gibt tatsächlich Leute, die das heute noch tun!), dann dürfen wir jetzt sieben Wochen lang ein äusserst seltenes Phänomen bestaunen: Blitze und Hagel aus einer hochnebelartigen Wolkendecke. Da Seltenes selten und Häufiges wesentlich häufiger ist, kann man bereits jetzt ohne sich allzu weit auf die Äste hinauszuwagen behaupten, dass die diesjährige Siebenschläfer-Regel nichts taugt. Ausser, man legt sie wissenschaftlich aus und betrachtet grossräumig als Ausgangslage den ungefähr zehntägigen Zeitraum, der jetzt folgt.
Das ist durchaus eine bemerkenswert kuriose Wetterlage, die wir heute haben: Ein blockierendes Hoch von Süd- bis Nordosteuropa, ein mächtiger Trog vor den Küsten Westeuropas und bei uns eine straffe Südströmung mit einer schleifenden Luftmassengrenze:
Wobei sich bereits in der vergangenen Nacht bodennah kalte Luft auf der Alpennordseite ausgebreitet hat, wodurch sich in etwa 2300 m Höhe eine Inversion bildete. Darüber strömt die feucht-warme Mittelmeerluft und in den Alpen ist es noch föhnig. An der Inversion hat sich fast herbsttypisch eine hochnebelartige Stratusschicht ausgebreitet, abgekoppelt von der Grundschicht bildet sich darüber an der Kaltfront am Nachmittag eine Gewitterlinie von Savoyen über die Westschweiz und den Schwarzwald hinweg:
Weitere heftige Gewitter entwickeln sich in der heissen Luftmasse in Bayern, in Böhmen und Sachsen. Die Westhälfte Mitteleuropas liegt in kühler Atlantikluft mit vielen Wolken, etwas Regen und eingelagerten, eher schwachen Gewittern. Im Grunde genommen haben wir diese Grosswetterlage bereits seit mehr als einer Woche in nur geringen Abwandlungen. Also könnte man siebenschläferisch davon ausgehen, dass diese eingefahrene Lage im Hochsommer mehr oder weniger so bleibt. Wer aber hier regelmässig mitliest, weiss (und für alle die neu hinzugestossen sind, erklären wir es gerne noch mal kurz): Nicht der 27. Juni ist für die Siebenschläfer-Regel massgeblich, sondern der gesamte Zeitraum um den Monatswechsel Juni/Juli. Dies, weil sich nach der Kalenderreform von 1582 die Lostage dem Sonnenstand entsprechend um zehn Tage verschoben haben, wir aber nicht wissen wie viel älter die Regel ist, der genaue Lostag also gar nicht mehr bestimmt werden kann. Nimmt man als Ausgangslage die Woche um den Monatswechsel, trifft die Regel für das südliche Mitteleuropa aber immer noch um etwa 70 % zu. Nicht für das Wetter an einem ganz bestimmten Tag, aber für die Witterung bzw. die grossräumige Zirkulation von mehreren Tagen.
Schauen wir also, was sich in den nächsten Tagen verändert (und da tut sich einiges!): Bis am 30. Juni hält die blockierte Südlage noch an, wobei die jetzt eingeflossene kühle Luft wieder abgedrängt wird, der Donnerstag wird also noch mal heiss. Genau zum Monatswechsel nimmt aber erstmals seit langem wieder eine Westlage Anlauf – und kommt noch nicht weit, es entsteht eine winkelförmige Westlage mit dem typischen Knick in der Strömung über dem östlichen Mitteleuropa nach Norden:
In der Folge soll sich das Azorenhoch mächtig aufblähen und sämtliche Tiefdruckallüren westlich von uns komplett beseitigen. Am deutlichsten rechnet dies das europäische Modell:
Die Folge davon wäre eine statistisch bestens zur Jahreszeit passende West- bis Nordwestlage, meist antizyklonal geprägt aber doch mit gelegentlichen Störungen am östlichen Rand des Hochs: Man beachte das Kaltlufttröpfli über Südostfrankreich in obiger Karte. Das wäre insgesamt ein sehr sonniger Hochsommer mit mässiger Hitze und gelegentlichen Einschüben kühlerer Luftmassen im südlichen Mitteleuropa. Echte Sommerliebhaber in Norddeutschland werden hingegen wenig begeistert sein. Nun ist das auf zehn Tage hinaus natürlich noch lange nicht in Stein gemeisselt und andere Modelle haben zwar eine ähnliche, aber schwächere und daher weniger nachhaltige Hochdruckentwicklung auf dem Atlantik drin, aber es könnte zeigen, in welche Richtung es gehen soll. Richtig belastbar wird es wahrscheinlich erst in einigen Tagen, wenn sich abzeichnet ob sich obige Rechnung durchsetzt, oder das nur eine Modellspinnerei ist. Ich vertröste daher auf die Monatsprognose im Blog von orniwetter.info, die spätestens am Freitagmorgen online sein sollte.
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