Würde man die Siebenschläfer-Regel wortwörtlich nehmen, so müsste die Autorin dieser Zeilen nach Ablauf des Siebenschläfer-Zeitraums im August sieben Wochen nachschlafen, denn heute wurde sie um sechs Uhr in der Früh von einem Gewitter geweckt. Nichts, was auf die Dauer wünschenswert wäre, wenn man gewohnt ist bis weit in die Nacht zu arbeiten. So mancher Wetterdienst bemüht heute wieder diesen Sieben-Wochen-Schmäh, wobei nur die wenigsten immerhin darauf hinweisen, dass man die Regel nicht zu streng anwenden sollte. Die moderne Auslegung der Siebenschläfer-Regel ist also auch im Jahr 2020 eine Exklusivität des fotometeo-Blogs. Interessiert zwar fast niemanden, aber für die wenigen, die es interessiert, nehmen wir uns gerne die Zeit.
Der Blick auf die aktuelle Lage in Mitteleuropa zeigt aufgelockerte Bewölkung mit einigen verstreuten Gewitterkomplexen, die Temperaturen bewegen sich mehrheitlich im hochsommerlichen Bereich. Man sieht aber bereits von Frankreich und den BeNeLux-Ländern her die kühlere Atlantikluft übergreifen, von Dauer ist die seit einigen Tagen anhaltende Hochsommerphase also nicht. Die sieben Wochen sind demnach bereits übermorgen zu Ende ;).
Wir erleben pünktlich zum entscheidenden Zeitraum (Monatswechsel Juni-Juli plus/minus eine Woche) eine völlig regelkonforme Umstellung des Zirkulationsmusters über dem Nordatlantik und Europa. Waren den ganzen Frühling und Frühsommer blockierende Wetterlagen – mehrheitlich aus Sektor Nord bis Ost – tonangebend, so kommt jetzt doch das übliche Hochsommer-Muster ins Spiel: West übernimmt. Zu sehen ist das an der Position des Jetstreams. Heute ist die blokierende Lage noch zu sehen, der Jetstream knickt über Westeuropa nach Norden weg und verläuft dann weit im Norden über Skandinavien:
Bereits am Montag dringt der Jetstream weit in den Kontinent vor, die typische Westlage ist geboren (vorerst noch winkelförmig):
Ist das Hochdruckgebiet über Skandinavien und Osteuropa Ende Juni mal verdrängt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es sich wie im Frühling an dieser Stelle erneut positionieren kann. Schauen wir auf die Ensemble-Karte in einer Woche, so sehen wir, dass tiefer Luftdruck nun über ganz Nordeuropa dominiert, das Azorenhoch dort steht wo es hingehört und einen Finger zu uns ausstreckt. Das ist schon fast lehrbuchmässig. Oder wie Rudi Carell heute wohl unter umgekehrten Vorzeichen singen würde: “Ein Sommer, wie er früher einmal war”.
Grössere Unsicherheiten bezüglich des Luftdrucks sind rot markiert. Dort, wo die Prognose recht sicher ist, überwiegen blaue und grüne Töne. Unsicherheiten gibt es also in Wochenfrist (und das ist bei wandernden Druckgebieten völlig normal) nur bezüglich Stärke und genauer Position der Tiefdruckgebiete irgendwo zwischen der Südspitze Grönlands und Skandinavien. Und da wir wissen, dass die erste Juli-Woche für den weiteren Verlauf des Hochsommers entscheidend ist, kann man nur einen Schluss ziehen: Grosswettertypen des Sektors West werden dominieren, Ausläufer des Azorenhochs immer wieder mal für ein paar sonnige und sehr warme Tage sorgen, bevor die nächste atlantische Störung etwas Regen, Gewitter und eine Abkühlung bringt. Lange Hitzewellen sind bei dieser Konstellation ebenso unwahrscheinlich wie ein völlig verregneter Sommer. Den letzten Sommer dieses Typs hatten wir 2016. Das passt auch, wenn man sich die Vorgeschichte im Juni dieser beiden Jahre anschaut: Nass, oft kühl, dazwischen auch mal schwül, aber nie mehr als zwei bis drei Tage am Stück beständig. Kommt hinzu, dass die teils ergiebigen Regenmengen im Juni auf der Alpennordseite die Grundschicht nun derart angefeuchtet haben, dass sich auch in Zwischenhochphasen lokale Gewitter vor allem über dem Bergland bilden können. Auch, wenn man es nie ganz allen recht machen kann, aber damit sollten eigentlich die meisten ganz gut leben können – jedenfalls findet sich fast für jeden Geschmack etwas im Programm.
Ein zonales Zirkulationsmuster mit Westlagen (dazwischen mal Südwest oder Nordwest, vielleicht mal Hochdruckbrücke Mitteleuropa) lässt allerdings eines nicht zu: Eine Bestimmung der Grosswetterlage über mehr als etwa fünf Tage hinweg. Das zeigt sich auch ganz schön in den aktuellen Rauchfahnen: Das Auf und Ab in der nächsten Woche scheint recht fix zu sein (mit einem einzigen stabilen Tag ohne Niederschlag). Ab nächstem Sonntag läuft’s extrem auseinander: Die Abfolge von warmen und kühlen Phasen sind dann nicht mehr terminierbar. Sie hängen auch vom Verhalten des Azorenhochs ab: Zieht es sich zonal in die Länge (West-Ost-Ausrichtung), oder plustert es sich eher kugelrund auf? Diese Befindlichkeit des Hochs auf dem Atlantik entscheidet darüber, wann und für wie lange etwas heissere Luft aus Südwest oder recht kühle aus Nordwest nach Mitteleuropa gelangt. Die Modelle zeigen ab dem 5. Juli sowohl als auch. Nehmen wir es also, wie es kommt – eintönig wird’s auf jeden Fall nicht…
Vielleicht lassen sich die restlichen Unsicherheiten bis zum Ende des Monats noch ausräumen. Lesen Sie dazu die ab dem Abend des 30. Juni verfügbare Juli-Monatsprognose auf unserem Partnerblog von orniwetter.info.
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