Pssst, wir verraten euch jetzt mal ein Geheimnis: Dem Hochsommer ist der 27. Juni völlig egal! Als die Siebenschläfer-Regel entstand, galt nämlich noch der Julianische Kalender, und der hinkt dem unsrigen (Gregorianischen) Kalender um 10 Tage hinterher. Bezogen auf den Sonnenstand müsste man den Siebenschläfertag also auf den 7. Juli legen und somit auch die Hochsommerprognose. Das Dumme an der Sache ist die, dass die Siebenschläfer-Regel in zehn Tagen niemanden mehr interessiert. Und so sehen wir uns Jahr für Jahr gezwungen, dem grassierenden Dummschwatz in den Online-Medien Paroli zu bieten und einen auf unsicheren 10-Tages-Prognosen basierenden Trend zu erkennen versuchen. In den letzten Jahren hat das ganz gut geklappt, in diesem Jahr sind wir uns allerdings nicht so sicher…

Sieben Wochen Tristesse? Ein Gewittertief kringelt sich über dem südlichen Mitteleuropa, wo die Siebenschläfer-Regel die höchste Trefferquote aufweist.
Also den Blick aus dem Fenster heute gleich wieder vergessen, denn so bleibt das Wetter garantiert keine weitere sieben Wochen! In vielen Fällen stellt sich zum Monatswechsel Juni/Juli die grossräumige Wetterlage um, etwas vereinfacht gesagt vom Frühsommer- zum Hochsommermodus. In diesem Jahr haben wir das Problem, dass diese Umstellung (nur gefühlt, nicht zirkulationsmässig) bereits vor einem Monat, nämlich Ende Mai, geschah. Seither jagte ein Rekord den anderen, wenn auch nicht in ganz Mitteleuropa (der Norden schaut wie so oft nur zu) und auch nicht auf die Juni-Mitteltemperatur bezogen (der Juni 2003 spielte in einer eigenen Liga), doch an einzelnen Tagen wurden vielerorts neue Juni-Höchstwerte (und auch Rekorde bezüglich der wärmsten Nächte) aufgestellt. Dazu kam eine aussergewöhnlich frühe Trockenheit, welche ausgerechnet jetzt, zum Siebenschläfertag, beendet wird. Was wiederum der Auslöser ist für das heutige Geheul im Online-Blätterwald, der einen trüben und nassen Hochsommer heraufziehen sehen will.
Wahrscheinlich kommen wir bezüglich Siebenschläfer-Prognose eher ans Ziel, wenn wir uns die Gründe für die verfrühte Hochsommerphase und den jetzigen Einbruch näher anschauen. Der Frühsommer ist oft noch von meridionaler Zirkulation geprägt, das heisst die extrem unterschiedlich temperierten Luftmassen des Nordens und Südens drängen zu raschem Austausch, die Westwindzirkulation ist in der Regel schwach ausgeprägt. So können sich oft wochenlang die wetterbestimmenden Hochs und Tiefs an derselben Stelle halten. Man hat – je nach persönlichen Vorlieben – das Glück oder Pech längere Zeit entweder unter der heissen Südströmung oder aber unter der kühlen Nordströmung zu liegen. Oder wie in diesem Jahr geschehen: Die Westwindzirkulation versucht zwar in Gang zu kommen, doch ein stabiles Hoch über Südeuropa lenkt die kühlen Luftmassen nördlich an uns vorbei: Es entsteht ein deutliches Gefälle zwischen sehr warmem Alpenraum und kühlem Norddeutschland. Der Grund für diese grossräumige Konstellation ist auf dem Atlantik zu finden:
Dargestellt ist die Abweichung der Wassertemperatur im Juni gegenüber dem langjährigen Mittel. Der Nordatlantik ist westlich der Azoren deutlich kälter als normal, während er vor den Küsten Europas sehr warm ist. Tiefdruckgebiete entstehen bevorzugt entlang von starkem Temperaturgefälle, sie sind normalerweise der Antrieb der Westwindzirkulation zwischen kaltem Norden und warmem Süden. Verläuft der Temperaturgradient jedoch meridional (also in Nord-Süd-Richtung) dann neigen die Tiefdruckgebiete zu starker Austrogung. Westlich des Trogs fliesst kalte Polarluft weit nach Süden (und kühlt den Atlantik weiter ab), während auf der Vorderseite des Troges – also im Osten – warme Subtropikluft weit nach Norden vorstösst. Diese Warmluft wiederum stützt die Bildung eines Hochdruckrückens über West- und Mitteleuropa und heizt nebenbei das Wasser im Ostatlantik und dem Mittelmeer weiter auf. Solche Konstellationen sind aufgrund der positiven Rückkoppelung in der Regel recht langlebig, was wir insbesondere im Jahr 2015 mit dem heissen Sommer im südlichen Mitteleuropa und dem rekordwarmen Spätherbst inkl. Dezember gesehen haben.
Nun ist aber der Atlantik alleine nicht für den Antrieb auf der Nordhemisphäre verantwortlich. Zum Hochsommer hin (und darauf basiert die Siebenschläfer-Regel) glättet sich der Jetstream normalerweise und sorgt wieder für mehr Westwindlagen als im Frühling. Wird der Jetstram stark genug, ist er in der Lage, diese bis anhin zähe Konstellation von Trögen und Rücken nach Osten zu verschieben. Genau das erleben wir in diesen Tagen. Der bis anhin nordatlantische Trog steht jetzt über Westeuropa, der auf dem Atlantik erstarkte Jetstream bricht nach Süden auf die Iberische Halbinsel aus:
Bis zum Wochenende verschiebt sich der Trog nach Mitteleuropa und wir gelangen erstmals seit längerer Zeit wieder mal auf die kühle Seite:
Doch kann man bereits hier erkennen, dass der Jetstream auf der Rückseite des Troges abreisst. Die Wassertemperaturen des Atlantiks reagieren ja extrem träge, die oben gezeigte Anomalie besteht weiter und macht von unten her erneut Druck. Der Jetstram knickt bereits vor Irland wieder nach Norden weg, was die Geburt des nächsten Atlantiktroges bedeutet. :
Als Folge davon deutet sich über Frankreich bereits das Aufwölben des nächsten Hochdruckrückens an, der das Trogresiduum über Mitteleuropa allmählich nach Osten wegschiebt. Wir dürfen also konstatieren, dass in der für die Siebenschläfer-Regel entscheidenden Phase Anfang Juli der Atlantik zu regenerierenden Trögen neigt, gleichzeitig aber der erstarkte Jetstream Druck macht und diese Tröge in den Kontinent schiebt.
Die alles entscheidende Frage ist nun, ob dieses daraus folgende Regime (eine Woche warm bis heiss, eine Woche kühl mit teils ergiebigen Niederschlägen beim Luftmassenwechsel) den ganzen Hochsommer über Bestand haben wird, ob also der Jetstream oder der eigensinnige Atlantik stärker ist. Man kann es zum heutigen Zeitpunkt schlicht nicht sagen: Der Siebenschläfer dreht sich noch mal um und schläft weiter. Fragen wir ihn doch am besten in zehn Tagen noch mal.
Diese Seite ist bewusst werbefrei gehalten, um die Unabhängigkeit des Informationsgehaltes zu gewährleisten und nicht von den Inhalten abzulenken. Mit einer freiwilligen Spende unterstützen Sie die Arbeit von fotometeo.ch in einem schwierigen Marktumfeld und sichern das Fortbestehen des Blogs. Vielen Dank!
Falls Sie kein PayPal-Konto besitzen, können Sie direkt auf eines der angegebenen Konten unter den Kontaktdaten einzahlen.