Eigentlich möchten wir diesen Beitrag ja nicht unbedingt heute, sondern erst in etwa einer Woche schreiben. Die gregorianische Kalenderreform von 1582 hat nämlich bewirkt, dass Bauernregeln je nach Zeitpunkt ihres Entstehens (der unmöglich genau eruiert werden kann) um bis zu zehn Tage verschoben wurden. Da jedoch heute auf allen Kanälen wieder der Dummschwatz herumgeboten wird, dass das heutige Wetter den ganzen Hochsommer lang anhält, müssen wir entgegenhalten. In den letzten Jahren hat sich unsere Methode ganz gut bewährt, anhand der Prognosemodelle am Siebenschläfertag die Entwicklung in den nächsten zehn Tagen abzuschätzen und daraus eine Hochsommer-prognose abzuleiten. Für das südliche Mitteleuropa liegt die Eintreffenswahrscheinlichkeit bei etwa 70 Prozent und bei sauberer Arbeitsweise möglicherweise sogar höher, jedenfalls lag unsere Einschätzung in den letzten vier Jahren noch nie daneben (unter dem Stichwort Siebenschläfer kann man alle Prognosen und Verifikationen seit 2012 nachlesen).

Sieben Wochen Sonnenschein in weiten Teilen Deutschlands, sieben Wochen Tristesse in Österreich? Jeder vernünftige Mensch merkt, dass dies dummes Zeug ist…
Massgeblich für den Hochsommerverlauf ist die Lage des Jetstreams, ein Starkwindband in ungefähr 9000 m Höhe. Er steuert die Frontalzone, welche die warme Subtropenluft von der kühlen Polarluft trennt und somit auch die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete. Im Siebenschläferzeitraum nimmt der Jetstream seine sommerliche Position ein, die er in den meisten Fällen bis etwa Mitte August beibehält. Liegt diese relativ weit nördlich, gerät Mitteleuropa meistens unter Hochdruckeinfluss. Bei südlicher Lage liegt Mitteleuropa in einer wechselhaften Westwindströmung. Und wenn der Jetstream stark mäandriert wie 2015, ist mit einem häufigen Wechsel von Hitzewellen mit kühleren Phasen zu rechnen.
Die aktuelle Ausgangslage präsentiert sich wie folgt:
Ein stark ausgebildeter Jetstream zieht in zonaler Ausrichtung (West-Ost) zwischen dem 50. und 55. nördlichen Breitengrad über den Nordatlantik direkt auf die Britischen Inseln zu. Über Mitteleuropa biegt er abrupt nach Norden um, was der Grosswetterlage winkelförmige Westlage entspricht. Während in Osteuropa unter Hochdruckeinfluss hochsommerliche Verhältnisse herrschen, gestaltet sich das Wetter in Westeuropa wechselhaft unter dem Einfluss mässig kühler und feuchter Luftmassen vom Atlantik her. Bis zum 1. Juli ändert sich an diesem Grundmuster nur wenig:
Der Jetstream biegt etwas früher nach Norden ab, ein steuerndes Tiefdruckgebiet liegt mit seinem Zentrum über Schottland. Mitteleuropa gelangt auf seiner Vorderseite unter südwestliche bis südliche Strömung. Unter diesen Gegebenheiten ist mit einem kurzen Hitzeschub auch in Mitteleuropa zu rechnen, ganz sicher auf der heissen Seite bleibt der Osten Europas. Stabil ist diese Lage jedoch nicht, denn der Jetstream behält seine starke Position über dem Atlantik auf dieser Breite und kann sich bis zum 7. Juli wieder stärker in den Kontinent vorarbeiten:
Das Aufwölben über dem Atlantik deutet auf ein starkes Azorenhoch hin, an dessen Vorderseite der Jetstream über Westeuropa wieder etwas nach Süden ausschlägt. Diese leichten Wellen bedeuten, dass wir es mit einem Westlagensommer zu tun bekommen dürften, wobei je nach Verschiebung der Wellen wechselweise auch Grosswettertypen der gemischten Zirkulationsform (Nordwest und Südwest) auftreten. Um die Prognosegüte für den doch relativ weit in der Zukunft liegenden 7. Juli einzuschätzen, schauen wir uns die Ensemble-Karte der Höhendruckverteilung an:
Das grobe Muster mit starker Westwinddrift über dem Atlantik und einem nicht allzu stark ausgeprägten Trog über Mitteleuropa mit vorderseitiger Warmluftströmung nach Osteuropa wird hier noch mal verdeutlicht. Blaue bis grüne Flächen zeigen an, wo die Prognose bezüglich des Höhendrucks relativ gesichert erscheint, je stärker das Gelb in Richtung Rot tendiert, umso unsicherer ist die Prognose. Für einen zehntägigen Zeitraum halten sich die Unsicherheiten aber vergleichsweise in Grenzen, somit kann dieser Prognose recht gut vertraut werden, was das grobe Muster angeht.
Die Weichen werden also recht deutlich in Richtung Westlagensommer gestellt. Dies bedeutet für Mitteleuropa wechselhaftes, oft nasses Wetter mit durchschnittlichen Temperaturen, wobei auch kurze Hitze- und Kältewellen auftreten. Im Gegensatz zum vorjährigen Sommer, wo die Wellenbewegungen des Jetstreams viel stärker ausgeprägt waren, ist nicht mit wochenlangen Hitzewellen und Dürreperioden zu rechnen. Das östliche Mitteleuropa dürfte bei dieser Konstellation etwas trockenere und wärmere Verhältnisse aufweisen als der Westen, der näher am Atlantik und dessen starkem Einfluss liegt.
Wie jedes Jahr werden wir in der zweiten Augusthälfte diese Prognose auf ihre Stärken und Schwächen hin in diesem Blog überprüfen, um daraus weitere Lehren für die kommenden Jahre ziehen zu können.
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