Im Blogbeitrag vom 26. Juni wurde die Siebenschläfer-Regel thematisiert und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der diesjährige Hochsommer vor allem durch ein West-Ost-Gefälle bei den Temperaturen geprägt sein würde. Wetterlagen mit über den Alpen verlaufenden Luftmassengrenzen und entsprechend hohem Unwetterpotenzial wurden erwartet, was die damalige Tagespresse allerdings verschwieg, da sie sich einzig auf den Lostag vom 27. Juni berief und entsprechend einen schönen, warmen Hochsommer versprach. Nach Ablauf des Siebenschläferzeitraums ist es nun Zeit, Bilanz zu ziehen.
Tatsächlich konnte sich der Hochsommer nie richtig von der Ende Juni bis Anfang Juli herrschenden Grosswetterlage befreien. Zwar gab es kurze Unterbrechungen mit Hochdrucklagen und Nordostlagen über Mitteleuropa – die längste solche Periode wurde Anfang August verzeichnet. Doch überwogen im gesamten Zeitraum Wetterlagen mit Strömungen aus Südwest, nicht selten angetrieben durch Tiefs über den Britischen Inseln. Der Wetterlagenkalender auf der Partnerseite orniwetter.info verschafft einen Überblick über die jeweils vorherrschende Witterung im nördlichen Alpenraum und Süddeutschland, also jene Region, für welche die Siebenschläfer-Regel in rund 70 % der Fälle zutrifft. Sehr gut zu erkennen ist das Wetterlagenmuster auf der folgenden Analysekarte. Sie stellt die Abweichung des Luftdrucks gegenüber dem langjährigen Mittel vom 1. Juli bis 25. August 2012 in Europa dar:
Auffällig ist die positive Abweichung über Island – das Gebiet, in dem im Hochsommer üblicherweise die atlantischen Tiefdruckgebiete verharren. Währenddessen ist eine deutlich negative Abweichung vom Atlantik westlich von Irland über die Britischen Inseln bis nach Skandinavien zu erkennen. Diese Anomalie über den gesamten Siebenschläfer-Zeitraum hinweg macht deutlich, wo das „Problem“ dieses Sommers lag: Die Tiefdruckgebiete zogen mit ihren Fronten deutlich südlicher vom Atlantik her auf das europäische Festland zu. Eine leicht positive Druckabweichung über Russland zwang diese Fronten allerdings nach Norden, es stellten sich immer wieder Südwestlagen über Mitteleuropa ein. Die im Alpenraum vorherrschenden Luftmassen waren somit meist subtropischen Ursprungs. Zeitweise erreichte uns heisse Saharaluft, meist aber war die Luft vom westlichen Mittelmeer angefeuchtet. Die recht stabile Grosswetterlage bewirkte aber auch, dass immer wieder kühle atlantische Luftmassen auf Westeuropa übergreifen konnten. Die Luftmassengrenze verlief häufig genau über dem Alpenraum, wie die Abweichung der Temperaturen von der Klimanorm im fraglichen Zeitraum zeigt:
Dem viel zu warmen Südosteuropa steht ein normaler bis leicht zu kühler Nordwesten gegenüber, das Temperaturgefälle ist genau über dem Alpenraum am ausgeprägtesten – also genau so, wie es aufgrund einer richtig ausgelegten Siebenschläfer-Regel zu erwarten war. Die zahlreichen Meldungen von verheerenden Unwettern besonders aus Österreich und Norditalien konnten daher nicht erstaunen. Die Tourismusregionen im westlichen Alpenraum beklagten einen besonders unbeständigen und nassen Juli, gleichzeitig erlebt das östliche Mitteleuropa und die Balkanregion bis zum aktuellen Zeitpunkt die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten.
Der Verlauf des heurigen Hochsommers lehrt uns, dass die Siebenschläfer-Regel sehr wohl zutrifft, allerdings muss diese korrekt angewendet werden. Die leider im Zeitalter des Häppchen-Journalismus grassierende Vereinfachung lässt solche vertiefende Prognosen und Analysen beim Small-Talk-Thema Wetter kaum noch zu. Bei fotometeo.ch sind somit all jene gut aufgehoben, die es genauer wissen möchten: Bleiben Sie also auch in Zukunft dran!